Obereichstätt
Der Moier gab den Ton an

Heimatverein schließt Lücke in der Ortschronik: Konrad Kögler spricht über einstiges soziales Gefüge in Obereichstätt

05.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Der Moierhof in stattlicher Bauweise: links neben der Haustüre den Göbbel für einen Riemenantrieb, daneben der Rossstall anschließend der Kuhstall. Repro: Winhard

Obereichstätt (EK) Verwöhnt waren sie bislang nicht gerade, die Obereichstätter, was ihre Ortsgeschichte betrifft. Fast durchweg stand diese im Schatten oder im Zusammenhang mit dem Hüttenwerk. Das Dorf selber fristete ein eher stiefmütterliches Dasein in den Geschichtsbüchern.

Diese Lücke zu schließen, hat sich der Heimatverein auf seine Fahnen geschrieben. Mit Erfolg, wie sich vor Kurzem feststellen ließ: Über ein volles Haus konnte sich der Vorsitzender Rudi Winhard freuen, als Studiendirektor a. D. Konrad Kögler einen ebenso kurzweiligen wie informativen Vortrag hielt.

Ausgangspunkt seiner Forschung war das Salbuch von 1447, in dem zum ersten Mal alle Anwesen von Obereichstätt mit ihren Besitzern verzeichnet sind. Da gab es bereits den „Hammer, der eine Mühe gewest“, vier eichstättische Fischer und eine Mühle. Unter allen Gütern ragte der Moierhof heraus, der die Urzelle des Dorfes ausmachte. Sieben kleinere Anwesen (die Nummern 4, 10, 11, 32, 34, 35 und 45 alter Zählung) standen in besonderer Abhängigkeit zu diesem Hof: Sie mussten in Veränderungsfällen 30 Kreuzer Kleinhandlohn und jährlich zu den drei großen Festtagen (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) insgesamt 18 bis 40 Pfennig Anerkennungsgebühr (Weiset) zahlen. Dafür bekamen sie an Weihnachten einen Pollenwecken und hatten das Mistrecht: Sie durften dem Moier pro Jahr zwei Fuhren Mist liefern und – mangels eigenen Grundes – auf den gedüngten Parzellen zwei Jahre lang die Erträge ernten.

Um 1550 gab es in Obereichstätt zwei Mühlen, die Obere und die Untere, die wie sieben weitere Güter kurz nach 1800 dem Hüttenwerk weichen mussten. Unter den übrigen 26 Köhlern und Söldnern ragten immerhin zwei „Halbhöflein“ (Nummern 31 und 39) heraus. Ein Wirt mit Schankgerechtigkeit (Nummer 17) wurde erst nach dem Dreißigjährigen Krieg heimisch.

Aufgrund der dürftigen Quellenlage lassen sich die Besitzer der einzelnen Güter erst ab etwa 1680 lückenlos verfolgen, wie der Referent an ausgewählten Beispielen deutlich machte: Da gab es zwei weitere Fischer, den pfalz-neuburgischen (Nummer 36) und den Rebdorfer mit einem halben Lehen (Nummer 38). Der „Kappelbauer“ in der Nähe der Kirche, in dessen Garten das einstige Schloss stand, mündete in der Besitzerfolge in das heutige Kammerbaueranwesen (Nr. 30 und 31). Und aus einem der Fischergüter, dem „Bastlpeter“ (Nummer 1), wurde im Laufe der Zeit die Bäckerei Margraf. Eine Besonderheit weist der Moierhof auf: Seit am 9. Januar 1715 ein Philipp Winhard den Hof von seinem Vorgänger Georg Stössl „auf der Gant“ (Stössl war bankrott) an sich brache, hat sich 300 Jahre lang der gleiche Stamm gehalten. Einen Aderlass galt es allerdings zu verkraften, als 1827 eine Tochter Franziska mit ihrem Ehemann Georg Schneider von Weigersdorf fast die Hälfte von ihrem Vater Cäsar Winhard übernahm beziehungsweise kaufte, dann aber 1836 nach Mühlheim weiter zog. Ein Großteil der Grundstücke kam so in fremde Hände, nur ein kleiner Teil konnte für den alten Bestand zurückgewonnen werden.

Einen Einblick in das soziale Gefälle gab eine Auswahl von Übergabe- und Heiratsurkunden. Während der Übernehmer des auf 4500 Gulden geschätzten Moierhofes für jedes seiner fünf Geschwister 700 Gulden Heiratsgut bereithalten musste und wegen großer anderweitiger Verbindlichkeiten und Verpflichtungen ohne eine „reiche Heirat“ nicht auskam, mussten sich die Kinder von Nummer 29, einem sogenannten Tripfhäusl, also einem Haus, dessen Grund über das Tropfwasser vom Dach nicht hinausging, mit je knapp fünf Gulden begnügen. Damit waren einer eventuellen Heirat enge Grenzen gesetzt – im Gegensatz zu den Abkömmlingen vom Moier, denen der Weg für eine standesgemäße Partie geöffnet war.