Nicht
Unbeachtete oder ungeliebte Meisterwerke vergangener Jahrzehnte

28.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:35 Uhr

Nicht erst seit "Open Heart" 2010 gibt es Bestrebungen, die Herzen der Eichstätter für Kunst im öffentlichen Raum zu öffnen und zu gewinnen. Dass moderne Kunst in Kirchen und auf den Straßen und Plätzen stets die Gemüter bewegt, das zeigt ein Blick auf einige Werke vergangener Jahrzehnte.

Seit 2014 hadern bekanntlich viele Katholiken mit dem wuchtigen Osterleuchter von Rudolf Bott (geboren 1956) im Eichstätter Dom. 1961 hatte die Skulptur "Guter Hirte" von Blasius Gerg (1927 bis 2007) im Dom-Mortuarium einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Inzwischen geben Gläubige zu Protokoll, zumindest an den "Guten Hirten" hätten sie sich nun gewöhnt.

Der Gewöhnungseffekt wirkt offenbar auch jenseits des Kirchlich-Sakralen, allerdings fällt ein Kunstwerk dann offenbar leichter aus der Wahrnehmung heraus: Denn wer weiß aus dem Stegreif, was die "Merkur-Säule" ist? Dabei steht diese über fünf Meter hohe Säule, gekrönt von einer Kugel mit mächtigen Schwingen direkt an der viel befahrenen Pirckheimer Brücke. Professor Peter Recker (1913 bis 2003) hatte sie 1969 an der damals neuen Brücke platziert: Sie sollte am Eingang des seinerzeit noch jungen Industriegebiets als Symbol für Handel und Gewerbe stehen - und sie hatte sogar den Segen des Stadtrats und das Wohlwollen der Bürger.

Ganz anders ist das bei einem Kunstwerk eines der bedeutendsten Bildhauer unserer Zeit, das inzwischen nur noch in der Erinnerung der älteren Eichstätter präsent ist: Was hatten Eichstätts Bürger mit der von ihnen je nach Grad des Humors oder der Verärgerung "geknickten Unschuld" oder "Fingerzeig Gottes" genannten Stahlplastik gerungen, die der erst an diesem Wochenende verstorbene Stahlbildhauer Alf Lechner (1925 bis 2017) in der Eichstätter Ostenstraße platziert hatte! Seit 1972 hatte sie vor den Kollegiengebäuden der damaligen Gesamthochschule und heutigen Universität die Idee aller Kunst, nämlich den Ausbruch aus tradierter Ordnung dargestellt. Verstanden wurde sie - zumindest damals - allerdings von den wenigsten. Und weil weder Hochschule noch Stadt nach 20 Jahren Leihgabe zumindest die 10 000 Mark Materialkosten zahlen wollten, ließ sie Lechner 1993 wieder abbauen und verkaufte sie nach Starnberg.

Mit den Eichstättern grollte Lechner, der sich im Jahr 2001 in Obereichstätt niedergelassen hatte, aber keineswegs: "Egal ob in Eichstätt oder anderswo, gegen neue Architektur, Kunst oder Musik wenden sich immer um die 90 Prozent der Bevölkerung", sagte Lechner später einmal unserer Zeitung. Und er ergänzte seinerzeit: "Kritisch würde es erst werden, wenn es die paar interessierten, offenen und engagierten Menschen nicht mehr gäbe, die dem Neuen zum Durchbruch verhelfen." ‹ŒEva Chloupek