Nassenfels
Atmosphärische Dichte

15.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:30 Uhr

Quadro Nuevo begeistert im Nassenfelser Schlosshof - Foto: lm

Nassenfels (EK) Die Location ist traumhaft, das Wetter beinahe. Spätestens die Mücken erinnern daran, dass es hier kein gewöhnliches, sondern ein Wasserschloss steht. Die Burg(-Ruine) Nassenfels ist der ideale Ort für die stets das Außergewöhnliche, Ursprüngliche suchenden Musiker von Quadro Nuevo.

Ihre „Grand Voyage“ – das Ergebnis dieser jeder Norm trotzenden Weltreise war jetzt mehrheitlich auch in Nassenfels zu hören – führte weltumspannend an noch spektakulärere Orte, immer wieder auch in die Grenzregionen zwischen Okzident und Orient und passt in seltener atmosphärischer Dichte so wunderbar an diesen Ort hier, wo die Vergänglichkeit so sichtbar und zugleich pulsierendes Leben so spürbar, erspürbar wird.
 
 

Ein bisschen Dorffest-Rummel, ein bisschen Kult-Event, Steaksemmel und Crepes im kulinarischen Wettstreit: Längst ist Nassenfels kein Geheimtipp mehr, die Mittellage zwischen Eichstätt und Neuburg sorgt für Publikum aus beiden Städten, es ist durchaus ein Ort, sich zu zeigen, und die Preise haben längst Großstadt-Clubniveau. Freilich ist es hier bei lauem Freilicht-Feeling tausendmal schöner als in jedem Club. Auch die Musik scheint hier gleich noch einmal zu atmen. Zumeist unter freiem Himmel, auf den berühmtesten oder abgelegensten Plätzen der Welt ist diese Musik auch entstanden. Ganz viel Aura also schwingt mit, und die vier Musiker nehmen ihr Publikum nur zu gern mit auf diese Reise.

Jazz, Tango, Weltmusik: Von allem hat Quadro Nuevo ganz viel und entzieht sich dennoch jedem eindeutigen Genre. „Einfach spielen“ – diese Formulierung wählt Mulo Francel mehrfach in seiner Moderation. Und es ist genau diese Doppelsinnigkeit in dem Begriff von Spiel: Die Beherrschung von Spielregeln einerseits, aber gleichviel die Freiheit des Spiels, die anarche Kraft, die die Regel desto mehr achtet, indem sie sie so gerne zu sprengen droht.

Francel, Andreas Hinterseher, D.D. Lowka, Evelyn Huber sind exzellente Musiker. Sowieso. Und von jeder Station ihrer Reise haben sie etwas mitgebracht, und die Ernte fällt kaum weniger reich aus, war die Reise einmal auch nur imaginärer Natur wie im Falle des ja gerade süchtig nach dem Autor wie dem Lande machenden Hörbuchs auf Goethes „Italienische Reise“.

Es sind nicht so sehr direkte Zitate, die das Quartett hier und dort sicherlich auch aufschnappt, mitnimmt. Spontan impulsiv vielmehr scheinen die vier Weltjazzer Stimmungen ganz viel vom Wesen an sich fremder Musik förmlich aufzusaugen, aber jeder Moment ihres Spiels bleibt ursächlich ureigenster Stil. Ein Widerspruch? Beileibe nicht. Mozart macht es oft, Beethoven auch, Mahler sehr oft. Sie bedienen sich eines Volksliedes, formen kunstvollst Eigenes daraus. Auf Akkordeon, Saxophon, Harfe und Hackbrett vollziehen sich globale Reisen, bevorzugt im Dreivierteltakt in all seinen feurigen, melancholischen, mal strahlenden, mal verruchten Schattierungen, leidenschaftlich und von großer improvisatorischer Kraft, wild, romantisch, stets voller Leben, ein Abenteuer in Noten.