Kipfenberg
"Die Narretei ist etwas Wichtiges"

Einmalige Bild- und Filmdokumente über die Anfänge des Faschings in Kipfenberg

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Foto: DK

Kipfenberg (EK) Wie ist es im Kipfenberger Fasching vor 60 und mehr Jahren zugegangen? Wie ist der Fasching in der Marktgemeinde entstanden? Kreisheimatpfleger Karl Heinz Rieder hat in zahlreichen Archiven gestöbert und einzigartige Eindrücke in einem Vortrag zusammengefasst.

Mit Bilddokumenten und Filmausschnitten wurden die über 200 Zuhörer an die frühen Faschingsumzüge, Prinzenpaare, Garden, Bälle und Ordensverleihungen erinnert. Ein kollektives Rätselraten "Wer ist wer" begleitete den gesamten Vortrag.

Ausgelassen feiern wollten die Gründungsväter des Kulturvereins "Die Fasenickl" (KVF) schon vor über 60 Jahren. Der Fasching in den 1950er-Jahren bot aber weit mehr als närrische Ausgelassenheit. Die Menschen wollten in der Nachkriegszeit die Grausamkeiten der zwei Kriege zumindest zeitweise hinter sich lassen. So sehr viel hat sich, wenn man die Bilder von damals und heute vergleicht, doch nicht verändert. Die Wagen werden im Faschingsumzug zwar nicht mehr von Pferden gezogen, aber die Menschenmassen, die am Umzug teilnehmen und die Straßen der Marktgemeinde beim Faschingsumzug damals wie heute säumen, ähneln sich. Früher ging es im Fasching wohl gemütlicher zu. Statt Techno klang Schunkelmusik aus den Lautsprechern.

Die Narretei sei in der Gesellschaft etwas Wichtiges, da der Narr die Wahrheit wiedergebe, so Rieder. Fasching habe auch etwas mit dem Herausnehmen aus dem Alltag zu tun, er sei ein Ventil der besonderen Art. Es gebe nichts Wichtigeres, zitierte Rieder Psychologen, als sich mal gehen lassen zu können.

Fasenickl seien erstmals um 1800 nachweisbar. Davor finde sich nicht Belegbares. Um 1950 habe es in Kipfenberg gerade einmal zwei komplette Fasenickl gegeben. In den 1950er Jahren wurden nach und nach weitere Gewänder gefertigt. Eine andere Wurzel für den Fasching in der Marktgemeinde finde sich im Trachtenverein. Nach dem Krieg habe der Verein häufig Theaterstücke gespielt. Aus der Operette "Winzerliesel", die 1949 aufgeführt wurde, habe das Ensemble 1950 spontan einen Faschingsumzug organisiert, bereits mit einem ersten Wagen. Ein Jahr später, so Rieder, gab es erstmals ein Prinzenpaar, 1954 schon einen kleinen Hofstaat. Aus der Gruppe der Fasenickl und weiteren Faschingsaktiven heraus ist am 14. November 1955 schließlich der Kulturverein "Die Fasenickl" entstanden. Die Gründungsväter waren Carl Otto Müller, Werner Mangelsdorff, Anton Nutz, Eduard Ruff, Hubert Hopfner, Anton Kern, Heinrich Haderer, Ludwig Reitzer, Franz Michele, Balthasar Krieglmeier und Max Seiffert, der erste Vorsitzende. 1957 habe man bereits am Rosenmontagsumzug in München teilgenommen. Im Jahr 1961 kam es zu einer ersten größeren Zäsur: Der Saal des Gasthauses "Krone" musste wegen baulicher Mängel geschlossen werden. Von da an gab erst einmal keine großen Faschingsbälle mehr. Der legendäre Straßenfasching wurde weiter gelebt. Es sollte schließlich bis 1974 dauern, bis man im neu errichteten Hopfnersaal in Grösdorf wieder große Faschingsbälle feiern konnte.

"Ich bin überwältigt von der großen Resonanz auf den heutigen Abend", so Bürgermeister Christian Wagner. Das liege zum einen am Thema mit den einmaligen Bild- und Filmdokumenten und zum anderen an dem Festredner. Die Zuhörermenge, die sich in der Krone dränge, zeige die Verbundenheit der Kipfenberger mit ihrem Fasching und dokumentiere den starken Zusammenhalt innerhalb des KVF.