Kipfenberg
In "Baioaria" lebten keine Bajuwaren mehr

18.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:00 Uhr

Der Andrang im Römer und Bajuwarenmuseum war riesengroß. Viele Leute wollten die neuen Ausstellungsstücke sehen. Dr. Karl Heinz Rieder machte am Sonntag, am Internationalen Museumstag, mehrere Führungen durch die Räumlichkeiten. - Foto: oh

Kipfenberg (EK) Das Römer und Bajuwarenmuseum auf Burg Kipfenberg ist um einige Attraktionen reicher geworden. Mit Unterstützung zahlreicher Förderer konnte am Freitag den geladenen Gästen das rekonstruierte Skelett des Kriegers von Kemathen vorgestellt werden.

Ebenfalls neu zu sehen sind ein Videofilm vom Tag der Ausgrabung im Jahr 1990 von Josef Meier aus Kirchanhausen und eine von Bettina Becker zusammengestellte Bildershow auf digitale Bildschirmen, sowie neu eingerichtete Vitrinen.

In seinem Festvortrag vor geladenem Publikum widmete sich Dr. Karl Heinz Rieder der Frage, ob der Krieger von Kemathen nun wirklich der Urbajuware sei.
 

Der Beitrag der Archäologie hat in den vergangenen Jahrzehnten einiges dazu beigetragen der Lösung dieser bayerischen Existenzfrage näher zu kommen. So lässt sich heute ein regional abgrenzbares Siedlungsgebiet ausmachen, mit welchem sich die sprachlich rückerschlosssenen "baiovarii" identifizieren lassen. Dabei handelt es sich um die Altmühlalb mit ihren Tälern und den unmittelbar angrenzenden Gebieten, zwei Kleinräumen nördlich von Regensburg und Straubing bis hinein nach Böhmen. Analoge Benennungen gibt es entlang der spätrömischen Reichsgrenze ein gutes Dutzend.

In dieser Siedlungskammer, welche nördlich der Donau als der spätrömischen Reichsgrenze lag, lässt sich eine germanische Bevölkerung in der Zeit von etwa 300 bis 450 nach Christus ausmachen, die auch im Vorfeld des wohl Namen gebenden Böhmen lag. Verabschieden muss man sich deshalb nach Ausweis der archäologischen Quellen von der Vorstellung, die baiovarii seien aus Böhmen zugezogen. Ihr jähes Ende, welches sich archäologisch belegen lässt, fand diese Siedlungsgemeinschaft in der Zeit der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, als die Hunnen Attilas vom römischen Heermeister Aetius geschlagen wurden. Hierin dürfte ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.

Im Anschluss daran wies Rieder auf die Abfolge verschiedenster Zuwanderer in das zukünftige, allmählich entstehende Bayern hin. Entscheidend für das zukünftige Land Bayern war die Übergabe der alten römischen Provinzen Raetien und Noricum vom Ostgotenkönig Witigis an den Frankenkönig Teudebert in den Jahren 536/37. Bis zu dieser Zeit findet sich in den Schriftquellen immer nur der Name Raetien für das heutige Südbayern. Kurze Zeit später taucht in den Quellen erstmals die Bezeichnung Baioaria auf.

Rieder stellte fest, dass die zahllosen Funde aus den Reihengräbern zwischen 450 und 550 keinen einzigen Hinweis auf ein Volk der Bayern darstellen, sondern dass die zugezogenen Gruppen sich als Alamannen, Ostgoten, Thüringer, Langobarden, Franken und Nordgermanen ansprechen lassen.

Dieser widersprüchliche Befund könnte dadurch entstanden sein, dass der Frankenkönig Teudebert oder sein Nachfolger als neuer Herr einen politischen Kunstgriff anwandte. Die neu eingerichtete Verwaltungsprovinz der Franken, das zukünftige Bayern, bestand nunmehr aus dem östlichen Teil der Provinz Raetia Secunda, dessen westliche Hälfte bis zum Lech dem Herzogtum Alamannien zugeschlagen wurde. Im Osten kamen große Teile Noricums hinzu, und im Norden die neu besiedelten Gebiete, welche später Nordgau hießen. Den Franken stellte sich die Frage, wie sie diese neu geschaffene Provinz bezeichnen sollten. Raetien träfe nur teilweise zu, überdies war der Name für die ebenfalls abgetrennte Raetia Prima, das spätere Churraetien schon vergeben. Noricum kam auch nicht in Frage, da es nur zum Teil den tatsächlichen regionalen Verhältnissen entsprochen hätte. Einen historischen Stammesnamen einer der zugezogenen Bevölkerungsgruppen zu wählen, hätte sicher zu innenpolitischen Problemen geführt. So war es möglicherweise ein kluger Kompromiss, sich des Namens der historischen Baovarii zu bedienen, die als Bevölkerung nicht mehr existierten. Garibald I, der im Jahr 555 erstmals in Erscheinung tritt, war dann der erste Herzog der neuen Provinz Baiovaria. Abschließend unterstrich Rieder nochmals die Antwort auf die eingangs gestellte Frage dass der Krieger von Kemathen als "erster echter Baiovarius" gilt, historisch gesehen aber auch als letzter seiner Gruppe angesprochen werden.