Eichstätt
Schriftsteller mit dem "doppelten Blick"

In der Uni-Aula gewährte Kinderbuchautor Paul Maar tiefe Einblicke in seine Schreibwerkstatt

24.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr
Der international bekannte Bestsellerautor Paul Maar gewährte in der Uni-Aula Einblicke in seine Arbeit. −Foto: Buckl

Eichstätt (wbu) Solchen Mut zur Ehrlichkeit muss man erst mal haben: "Nur 10 Prozent sind Inspiration, 90 Prozent sind dagegen Handwerk!" So umschreibt Paul Maar sein Schreiben - "doch das gilt wohl auch für viele andere Schriftsteller !" Die Uni-Aula hatte sich gut gefüllt, als der soeben 80 Jahre alt gewordene Kinderbuchautor am Dienstagabend dort eine Poetik-Vorlesung gab: "Von Büchern, Stücken und Motiven" lautete deren Titel, 90 Minuten lang gewährte er darin informative und unterhaltsam tiefe Einblicke in seine Schreibwerkstatt. Eingeführt hatten ihn Uni-Präsidentin Gabriele Gien sowie Deutschdidaktik-Professorin Ina Brendel-Perpina, die mit Maars Auftritt die neue Reihe "KJL meets KU" startete.

Deren Ziel sei es, die Forschung zur Kinder- und Jugendliteratur zu stärken und die Universität Eichstätt in entsprechende Netzwerke einzubinden. Mit Maars Zusage zu gleich mehreren Eichstätter Auftritten dürfte dieses Ziel vom Start ab näher gerückt sein.

Paul Maar ist ein höchst angenehmer Erzähler, der mit autobiographischen Anekdoten die Aufmerksamkeit des Publikums hoch zu halten vermag, zum anderen aber auch ein glasklarer Analytiker, der geschickt sein eigenes Werk interpretiert. Zu den Anekdoten gehörte eingangs die Erinnerung an die erste Begegnung mit seinem Verleger Friedrich Oetinger in Hamburg, der ihm einst die Augen für den Eigenwert der Kinderliteratur geöffnet hatte: Da Maar sich vor dem großen Verleger als aufstrebender Autor von Erwachsenen-Literatur präsentiert hatte, der mit dem eingereichten Kinderbuch-Manuskript nur eine Fingerübung vorgelegt habe, hätte ihn das fast die Publikation seines ersten Kinderbuches gekostet: "Herr Maar, in meinem Verlag kann ich keine Autoren brauchen, die Kinderbücher als zweitrangig ansehen!"

Auch erzählt er von seiner Frau Nele Ballhaus, deren Vater als Theatermacher bedauerte, dass es zu wenige gute Stücke für Kinder gebe, womit er den Schwiegersohn dazu motivierte, sich solche auszudenken und zu publizieren, einerseits durch die Dramatisierung eigener Prosatexte, andererseits durch direkt für die Bühne erdachte neue Stücke. Heiterkeit erzielte Maars Bericht von der Verzweiflung seines arabischen Übersetzers des "Sams": Wie solle man Sätze wie "Am Sonntag scheint die Sonne, am Montag kommt Herr Mon, am Dienstag hat man Dienst" ins Arabische übertragen, wenn die Wochentage in dieser Sprache schlicht "Erster Tag, zweiter Tag…" heißen...?

Als Analytiker macht Maar vor allem drei Motive in seinem Gesamtwerk aus: Erstens sei dieses geprägt durch "phantastische Wesen, die als Helfer und Therapeuten fungieren", zum zweiten durch Märchen-Motive, und drittens fasziniere ihn "der doppelte Blick auf das Geschehen". Darum ging es im Hauptteil seiner Poetik-Vorlesung, in welcher Maar sein literarisches Personal deutlich von der Fantasy-Literatur, von der Welt der Elben, Orks und Hobbits, oder der Welt Harry Potters abgrenzt, worin Drachenkämpfe an der Tagesordnung seien. Sein Herr Taschenbier aus den "Sams"-Büchern sei ein ganz normaler Bürger, dem das Sams dazu verhilft, seine Schüchternheit zu überwinden. Auch seine Figur des "Herrn Bello" steht dem Jungen Max bei, um Probleme zu lösen. Und das fantastische Wesen Galimat hilft dem zehnjährigen Jim Brown dabei, reifer zu werden.

"Meine Geschichten stehen den Märchen näher als den Fantasy-Büchern", beteuert Maar; sie enthalten viele Anspielungen auf Märchen der Brüder Grimm, mit denen er groß wurde. Doch komme es immer wieder zum ironischen Spiel mit Märchen-Motiven. Und schon war Maar bei seinem dritten Thema, dem "doppelten Blick": Dabei reize es ihn etwa, das Märchen von "Hänsel und Gretel" aus der Perspektive der Hexe zu erzählen, die sich mit viel Mühe ein Haus gebaut habe, das von zwei dreisten Kindern zerstört werde. "Rotkäppchen" lasse sich auch aus der Sicht des Wolfes erzählen.

Den Schluss des Vortrags bildeten ausführliche Reflexionen Maars über sein Schaffen als Stückeschreiber, dies auch anhand zahlreicher Bilder aus Inszenierungen im In- und Ausland.