Früher,
Klares Weltbild

29.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

Früher, in der guten alten Zeit, da gab es ein klares Weltbild, in dem ein jeder wusste, wo er hingehörte: Die Männer jagten, führten Krieg oder gingen anderen staatstragenden Geschäften nach; die Frauen blieben im trauten Heim, wo sie Herd und Kinder hüteten. Muselmanen wurden bekehrt oder – mitunter robust – von besagtem Heim ferngehalten.

Und die Sache mit der Homosex... äh, naja, Sie wissen schon, wenn jemand vom „anderen Ufer“ ist, also das ging gar nicht.

Wem aber die moralisch-sittliche Richtschnur abhanden gekommen war, dem bläute sie der Herr Pfarrer wieder ein. Hochwürden hielt von der Kanzel oft und gern flammende Predigten über die Hölle und die namenlose Pein, die sie für verstockte Sünder bereithält. Feuer, Schwefel und glühende Roste tauchten vor den geistigen Augen der entsetzten Kirchengemeinde auf, und jedes einzelne Schäflein schwor sich, nie wieder Unrecht zu tun, ein Vorsatz, der hielt – mindestens bis zum Schlussgebet. Jahrhundertlang ist man mit diesem bewährten Weltbild gut gefahren. Unzufrieden waren höchstens unbedeutende Randgruppen.

Heute kennt man sich aber gar nimmer aus: Die Männer hüten die Kinder und die Frauen machen Karriere, die Minarette schießen förmlich aus dem Boden und die „vom anderen Ufer“ tauchen plötzlich auf unserer Seite auf. Ja, darf das denn sein?

Nein, sagt der Hochwürden aus Deining und stemmt sich wacker dem launischen Zeitgeist entgegen. Was anno 1571 richtig gewesen ist, kann heute wohl nicht falsch sein, findet der Herr Pfarrer, und versucht, seine Schäflein auf den rechten Weg zu bringen. Das fängt bei der Jugend an. Weil die frechen Buben und die vorlauten Mädchen aber mit Fleißbildchen heutzutage nichts mehr anfangen können, muss Hochwürden Tacheles reden. Wer nicht brav ist, dem wachsen Teufelshörner, das weiß jeder, und der Höllenbrand ist nicht weit. Da wird mancher Neunjährige mehrmals am Tag angstvoll den Schopf abtasten und sich der vielen Schlechtigkeiten erinnern, die er auf dem Kerbholz hat. Wenn ihn dann das ständige Kopfgekratze vom Bedienen des Smartphones abhält, wird er schon brav bleiben, so des Pfarrers schlaue Taktik. Und was bitteschön soll schlecht daran sein, wenn die „Weiber“ kochen und sich um die Kinder kümmern? Hat doch immer funktioniert. Der Herr Pfarrer redet nicht nur, sondern lebt als Großwildjäger in Afrika die tradierte Männerrolle sogar vor. Aber nicht einmal in der Oberpfalz mögen sie so etwas hören und schreien Zeter und Mordio ob der Worte ihres Hirten. Da ist Hopfen und Malz verloren – der Untergang des Abendlandes steht bevor. Dabei kann jeder, der dem Pfarrer zuhört, etwas fürs Leben lernen. Alle, die – warum auch immer – zur Flinte greifen, werden sich freuen, dass nicht sie für das Ergebnis des Schusses verantwortlich sind, sondern ein seelenloses Stück Metall. Das kann dann gerne in der Hölle schmoren.

Pfüat Gott, Ihr

Schlossleutnant

Lorenz Krach