Eichstätt
Wer ist "Wähl-Bar"?

Kolpingfamilie Eichstätt lädt Landtagskandidaten zur Fragerunde auf den Marktplatz

15.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:54 Uhr

Eichstätt (EK) Tanja Schorer-Dremel kann aufatmen: Endlich ist sie ihren Platz an der Sonne los. Sie sitzt mit vier Mitbewerbern, die wie sie in den Bayerischen Landtag gewählt werden wollen, auf dem Eichstätter Marktplatz und diskutiert eifrig. Die Sonne brennt herab, und es gibt nur einen Schirm.

Und unter dem finden immer nur zwei Personen Schutz. Deshalb haben die Organisatoren dieser ungewöhnlichen Podiumsdiskussion – die Kolpingfamilie Eichstätt – die Kandidaten um eine regelmäßige Rochade gebeten. Dann kann jeder mal den Schatten genießen. Jetzt ist es wieder soweit und die drei Frauen und zwei Herren wechseln die Plätze. „Na also, es bewegt sich was in der Politik“, kann sich Gerhard Rott das Bonmot nicht verkneifen. Die Kolpingfamilie Eichstätt hat am Samstag zu „Wähl-Bar“ eingeladen und dazu die Direktkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien gebeten. Gekommen waren Tanja Schorer-Dremel (CSU), Eva Gottstein (Freie Wähler), Werner Widuckel (SPD) und Thomas Knott (Bündnis90/Die Grünen). Günther Thauer von der FDP ließ sich entschuldigen. An seine Stelle trat Jutta Herzner-Tomei, Direktkandidatin für den Stimmkreis Ingolstadt (118). Doch auch sie hat lokale Bezüge: Ihren Zweitwohnsitz hat die Ingolstädter Gastronomin in Gungolding.

Die Idee der Kolpingfamilie war, möglichst viel Publikum anzulocken. Und mehr Öffentlichkeit als am Samstagvormittag auf dem Eichstätter Wochenmarkt geht eigentlich gar nicht. Die Kulisse war rasch geschaffen: eine Bank und einen in den Kolpingfarben dekorierten Tisch für die Kandidaten, Plakatständer von Kolping, Bänke für die Zuhörer und Schirme, die allerdings nicht ausreichten. Dafür schenkte die Kolpingfamilie Getränke aus.

Der Plan der Kolpingfamilie ging auf. Zwar wohnten nur wenige Menschen der gesamten zwei Stunden dauernden Diskussionsrunde bei, doch immer wieder blieben Leute stehen, stellten ihre Einkaufstaschen ab und hörten sich Argumente zu einem bestimmten Thema an, bevor sie weiterzogen. Als besonderen Anreiz konnten sie jederzeit einen Stimmzettel in die „Wähl-Bar“ werfen. Auch die Kandidaten fanden sich rasch zurecht und damit ab, dass hin und wieder ein Plakatständer umgeweht wurde oder der Motor des Stadtbusses direkt neben ihnen brummte.

Der Vorsitzende der Kolpingfamilie, Gerhard Rott, und Theo Rau aus Schwabach, ein langjähriges Diözesan-Vorstandsmitglied, moderierten. Der Verband wollte die Standpunkte der Kandidaten zu den Bereichen Jugend, Familie, Arbeitswelt und Heimat erfahren. Rott lockerte die Diskussionsrunden immer wieder mit Schnellfragerunden auf oder mit der Bitte, einen Satz selbst zu Ende zu führen. Auf diese Weise kam keine Langeweile auf. Beim Thema „Heimatkunde“ waren Eva Gottstein und Tanja Schorer-Dremel nicht zu schlagen: Sie antworteten meist simultan.

In vielen Bereichen waren die Kandidaten naturgemäß unterschiedlicher Meinung. Beispiel Mindestlohn: Werner Widuckel plädierte für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro. „Das ist eine gesellschaftliche Diskussion um die Wertschätzung und Würdigung von Arbeit.“ Thomas Knott schloss sich dem an, während sich Eva Gottstein für regionale Unterschiede aussprach: „8,50 Euro sind in München wenig.“ In Mecklenburg-Vorpommern könne man damit schon mehr anfangen. Ähnlich äußerte sich Jutta Herzner-Tomei. „Der Staat soll nicht alles regeln“, erklärte dagegen Tanja Schorer-Dremel.

Der Schutz von Ehe und Familie liegt Kolping naturgemäß sehr am Herzen. Die klassische Ehe solle der Standard bleiben, betonte Theo Rau, wobei auch andere Formen des Zusammenlebens zu respektieren seien. „Ich erlebe so viele Formen des Zusammenlebens und bin dagegen, dass man da differenziert“, fand Knott. Auch die FDP-Politikerin ging nicht konform mit Kolping: „Die Welt hat sich gewandelt.“ Die „Familie als Keimzelle der Kindererziehung“, hob Schorer-Dremel hervor. „Gibt es denn noch die klassische Familie, wenn wir statistisch pro Paar 1,31 Kinder haben“, warf Gottstein auf. Widuckel bezog auch hier klare Kante: Was gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften betreffe – „Diskriminierende Tatbestände sind zu beseitigen.“

Alle Kandidaten waren sich am Schluss in einem Punkt einig: Es seien in angenehmer Atmosphäre sachliche Argumente ausgetauscht worden.