Eichstätt
Wenn ein "Phantom" das Sicherheitsgefühl zerstört

In Gaby Caspers Haus in Eichstätt drang ein Einbrecher ein Die schwierige Verarbeitung der Tat

24.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:10 Uhr

Eichstätt (EK) "Eine der schlimmsten Nächte" in ihrem Leben hat Gaby Casper vor einigen Tagen erlebt: Während ihrer Abwesenheit sind Einbrecher in ihrem Haus gewesen und haben dort gewütet. Vor allem haben sie die bisherige Gewissheit, in den eigenen vier Wänden sicher zu sein, zertrümmert.

Gaby Casper erlebt ein Wechselbad der Gefühle: Einerseits dominieren Hilflosigkeit und Entsetzen. Allein das Wissen, dass wildfremde Menschen in ihren Schutzbereich eingedrungen sind und ihre persönlichen Sachen durchwühlt haben, wirkt verstörend auf sie. Andererseits hat sie wegen solcher Gemütsregungen fast ein schlechtes Gewissen. Andere Menschen seien übler dran als sie, sagt sie sich.

Gegen Mitternacht sei sie nach Hause gekommen, berichtet Gaby Casper. Im Esszimmer habe sie bemerkt, dass ein Schrank offen steht und eine Kassette am Boden liegt, der Inhalt verstreut. "Oh, ist die Kassette herausgerutscht", sei ihr erster Eindruck gewesen. Rasch bemerkte sie das Chaos überall: Alle Schubladen waren herausgerissen, die Schränke geöffnet, die Balkontür stand offen. "Da ist mir die Wahrheit gedämmert." Die Einbrecher, vielleicht war es nur einer, kamen über das Souterrain, wo ein Kellerfenster aufgestemmt war. Über den Balkon verschwanden sie. "Möglicherweise habe ich sie sogar gestört", mutmaßt Casper.

Sie hörte die Nachbarn kommen, lief auf die Straße, redete kurz mit ihnen und lehnte - ganz die toughe Frau - ihr Angebot ab, mit ins Haus zu kommen. Eine vorschnelle Entscheidung der sonst so belastbaren Persönlichkeit: "Danach muss ich wohl einen Aussetzer gehabt haben." Die "Schockstarre" dauerte etwa eineinhalb Stunden. Erst dann raffte sich Gaby Casper auf, griff zum Telefon und alarmierte die Polizei. Plötzlich brach alles über sie herein: "Das war ein grausames Erlebnis, als ich realisiert habe, was geschehen ist."

Inzwischen habe sie sich wieder etwas "gefangen", sagt sie. Dazu hätten die Polizisten beigetragen. "Sie waren sehr feinfühlig und Profis im Umgang mit verstörten Menschen. Es war beruhigend, dass sie da waren. Das kann ich ihnen gar nicht hoch genug anrechnen." Das gelte auch für die Kollegen, die am nächsten Tag die Spuren sicherten.

Das Nicht-Begreifen-Können hält an. "Niemand außer mir kennt den Inhalt meiner Schubladen und meiner Schränke - außer dem Phantom." So nennt Casper inzwischen den oder die Täter: Phantom. "Ich werde ihn nie zu Gesicht bekommen, ich werde nie mit ihm konfrontiert sein. Das ist ein gesichtsloses Wesen." Das macht die ganze Sache noch schlimmer: Wer ist das, der eingestiegen ist, durch die Zimmer geschlichen ist, alles durchwühlt hat, wertvolle Dinge mitgenommen hat? Wer ist verantwortlich für den Einbruch in die Privatsphäre? Diese Fragen fahren ihr immer wieder durch den Kopf.

Casper hat versucht, sich in das "Phantom" hineinzuversetzen, den Einbrecher zu begreifen, der einfach hereinspazierte und mitnahm, was ihm am besten gefiel. Es gelingt ihr nicht. Und dann kommen die gruseligen Gedanken: Sie fängt an, sich vorzustellen, wie er das Fenster aufhebelt, herumschleicht, die Sachen durchwühlt. Die Gestalt, die in ihren Gedanken herumspukt, ist gesichtslos. "Das ist unerträglich, eine gewaltige psychische Belastung." Gaby Casper versucht, sich zusammenzureißen, schilt sich für ihr Klagen angesichts der Tatsache, dass viele Menschen wesentlich Schrecklicheres erleben, denkt an ihre verstorbene Schwiegermutter, die aus Schlesien vertrieben wurde und alles hinter sich lassen musste. "Im Vergleich dazu ist meine Situation komfortabel", findet sie.

Gleichzeitig muss sie sich auf ganz pragmatische Dinge konzentrieren, darauf, wie sie ihr Heim in Zukunft besser schützen kann. Ein Stück weit hat sie sogar ihren Humor zurückgewonnen. Sie überlegt, ob sie nicht an die Kellerfenster Zettel kleben soll für eventuelle "Kollegen" des Einbrechers. Ein Hinweis, dass ein anderer schneller war und hier nichts mehr zu holen ist. "Das ist Satire, natürlich, aber die Idee habe ich noch nicht ganz verworfen." Vielleicht ist auch ein Hauch Verzweiflung dabei, denn bestimmte Ängste lassen sich nicht ausknipsen: "Kommt nächste Woche wieder ein Einbrecher oder übernächste Woche? Ich weiß jetzt, ich bin nicht immun dagegen."