Eichstätt
"Nix gwies woiß ma net"

Der Eichstätter "Spracharchäologe" Rupert Stadler vermutet Kelten im heimischen Raum

17.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

Rupert Stadler ist auf der Suche nach der hiesigen keltisch-römischen Vergangenheit. Dabei durchforstet er den Dialekt sowie die Fachliteratur, um Belege für seine Theorie zu finden, dass der Eichstätter Raum von Kelten und Römern, jedoch zu keiner Zeit von Germanen besiedelt wurde. - Foto: Asbach-Beringer

Eichstätt (EK) Für seinen Ruhestand hat sich Rupert Stadler vom Burgberg in Eichstätt ein Hobby ausgesucht, das für einen ehemaligen Fachreferenten im Finanzbereich eher untypisch ist: Er betätigt sich - wie er selbst zu sagen pflegt - als "Spracharchäologe".

Stadler geht davon aus, dass im Eichstätter Raum vor allem Kelten und im Laufe der Zeit auch zunehmend Römer siedelten, welche dieses Gebiet mit ihrer lateinischen Sprache durchdrungen haben. Germanen hingegen hätten sich hier nicht niedergelassen: Es gebe weder Nachweise für die Verehrung germanischer Gottheiten noch Belege für die Runenschrift, für germanische Sippen oder Ortsgründer, so seine Auffassung.

Stadler will die These, dass in der Frühzeit nicht Germanen, sondern vornehmlich Kelten und Römer die Gegend um Eichstätt besiedelten, mit Belegen stützen, daran arbeitet er, um Licht in die dunklen Jahre nach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs zu bringen. Schließlich würden noch heute zahlreiche lateinische Begriffe verwendet, wie wüah/hüah (von "via": "auf dem Weg weiter"), Semmel (von "simila": "fein gemahlenes Weizenmehl") und Radi (von "radix": "Wurzel, Rettich"). Seiner Ansicht nach handelt es sich hierbei primär nicht um Lehnwörter, sondern um Vulgärlatein, also um ein umgangssprachliches Latein, das nach dem Abzug der römischen Truppen noch lange im Eichstätter Raum gesprochen worden sei. Relativ spät erst hätte die dominantere germanische Sprache das Lateinische verdrängt.

Es falle auf, so Stadler, dass viele bairische Worte lateinischen Ursprungs im Hochdeutschen überhaupt nicht existierten, darunter auch Dult (von "indultum": "Ablassfest"), Spezl (von "amicus specialis": "besonderer Freund") oder sich hinflacken (von "laccere": "schlaff, matt sein"). Zur Römerzeit seien außerdem noch immer die Kelten im Eichstätter Umland heimisch gewesen, worauf ein Relief aus dem vicus Scuttarensis (heute Nassenfels) mit der keltischen Pferdegöttin Epona hinweisen könnte. Außerdem betonte der römische Geschichtsschreiber Tacitus in seiner Germania ausdrücklich, dass zu seiner Zeit - also um 100 nach Christus - zwischen Rhein und Donau keine Germanen, sondern Gallier - also Kelten - siedelten.

Tut sich eine mögliche Spur germanischer Besiedlung im Eichstätter Raum auf, hakt Stadler nach - zumeist per E-Mail bei diversen Wissenschaftlern. So habe er beispielsweise in Erfahrung gebracht, dass die Tittinger Reihengräberfunde zwar aus der Zeit der Merowinger stammen, der Nachweis für Germanengräber fehle jedoch. Auch andere vermeintlich germanische Funde in der Region stellt er infrage. "Sehr spannend" findet Stadler die Aussagen von Wissenschaftlern im Hinblick auf die Anfänge Bayerns, dass sich etwa Veränderungen im Bestattungswesen nicht zwingend auf die Zuwanderung einer neuen Bevölkerungsgruppe zurückführen lassen. Es könnten und müssten in manchen Fällen auch andere kulturelle Prozesse als Erklärung herangezogen werden, die mit einer Migration nicht unmittelbar in Zusammenhang stehen.

Auf der eigens für seine Zwecke entwickelten Homepage www.boari.de" class="more"%> sammelt Rupert Stadler Dialektwörter sowie Spott-, Haus-, Flur- und Ortsnamen, die seiner Ansicht nach aus dem Lateinischen kommen. Bei Letzteren sind hin und wieder auch die urkundlich überlieferten Begriffsvarianten mit aufgelistet. Oft wirken die vermuteten lateinischen Ursprungswörter zu gesucht, doch manchmal mag man den Theorien durchaus etwas abgewinnen. Dass der Rußbauer auf "rusticus" ("Landmann, Bauer") und der Kohlbauer auf "colonus" ("Bauer, Siedler, Pächter") zurückgeht, erscheint glaubwürdig. Genauso könnte die Bezeichnung "Gabel" für den Weiler bei Friedrichshofen als Kreuzungspunkt zweier Römerstraßen tatsächlich von "gabalus" ("Kreuz") abstammen, oder sie hat sich gar aus keltischer Zeit herübergerettet.

Ferner enthält die Boari-Datenbank Begriffsdeutungen, die von Wissenschaftlern vorgenommen wurden und somit einen hohen Grad an Plausibilität besitzen. Nur zu gerne würde Stadler auch für Eichstätt eine römische Besiedlung ausmachen, etwa in Form einer "Aquae Statio", einer Schiffsanlegestelle. Ein Mauerwerk aus Römerzeit hätte er - zumindest in seiner Fantasie - schon ausgemacht: Schließlich seien bei Ausgrabungen am Fundament der Peterskirche sorgfältig behauene Quader ans Tageslicht gekommen. Stadler meint dazu mit einem Schmunzeln: "Nix gwies woiß ma net."