Eichstätt
Kurz, intensiv, fruchtbar

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Foto: Hermann Redl

Eichstätt/Zschopau (EK) Gleich nach dem Fall der Mauer 1989 und noch während des politischen Einigungsprozesses schlossen der Landkreis Eichstätt und der sächsische Kreis Zschopau eine Partnerschaft. Aufgelöst wurde die nie, aber sie hat aufgehört zu existieren.

Wie und wann die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Eichstätt und dem Landkreis Zschopau entstanden ist, das weiß so recht niemand mehr. Offiziell beendet wurde sie auch nicht. Mit der Auflösung des sächsischen Kreises im Jahr 1994 haben sich die Bande irgendwie wieder gelöst. Geblieben ist nicht viel. Aber in den ersten Jahren war die Verbindung fruchtbar und trug viel bei zum Zusammenwachsen zwischen Ost und West.

Daran hatte auch die Vielfalt der Beziehungen und Partnerschaften beigetragen, die damals zwischen Institutionen, Gemeinden, Vereinen oder Privatpersonen geschlossen worden waren. Die meisten sind längst wieder ad acta gelegt, viele sind überflüssig geworden, manche haben gehalten. Doch alle waren notwendig. Und für den einen oder anderen entwickelte sich daraus ein neuer Lebensweg.

Die ersten Schritte auf sächsischem Terrain machte die Eichstätter Kreissparkasse unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Siegfried Bötsch (kleines Foto oben). Die Geldinstitute in der Region (Eichstätt, Ingolstadt, Neuburg) hatten sich zusammengefunden, um in Zschopau „eine den deutschen Sparkassen vergleichbare Struktur aufzubauen“, wie sich Bötsch (74) erinnert. „Schon im Frühjahr waren wir in Zschopau.“ Telefonisch ankündigen jedoch konnte sich die kleine Delegation mit Bötsch an der Spitze nicht. „Das Telefon funktionierte nicht, und so sind wir einfach mal drauflosgefahren.“ Vor der dortigen Sparkasse waren sie überrascht von einer Menschenschlange, die geduldig darauf wartete, eingelassen zu werden – in DDR-Zeiten ein wohl üblicher Vorgang.

Auch die ersten Kontakte mit der Direktorin seien „verhalten und abwartend“ gewesen. Erst als die Bankchefin von Zschopau von dem Unterstützungswillen der Eichstätter überzeugt gewesen sei – „die hatte zunächst gedacht, wir kommen als Besserwisser mit hoher Nase“ – sei das Eis geschmolzen, so Bötsch. Zahlreiche Besuche und Gegenbesuche fanden in der Folge statt, ein personeller Austausch wurde eingeläutet und nach und nach intensiviert. Eichstätter Sparkassler waren in Zschopau und umgekehrt. In Eichstätt landeten schließlich zwei Auszubildende, und der Büroleiter der Eichstätter Sparkasse, Roland Manz, wagte den Schritt endgültig in das neue Bundesland. Für den damals 29-Jährigen sollte dies ein Meilenstein auf einer steilen Karriere sein (siehe eigenen Bericht).

Während der Austausch unter den Banken – auch die Raiffeisenbank war mit ihrem damaligen Vorstandschef Alois Morgott kräftig beim Aufbau der neuen Bundesländer involviert – mehr im Stillen ablief, sorgten die partnerschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Landkreisen Eichstätt und Zschopau für mehr Öffentlichkeit. Auch auf dieser Ebene gab es einen regen personellen Austausch. Immerhin galt es, in Sachsen eine neue Verwaltungsstruktur aufzubauen, die letztlich dem bayerischen Recht recht nahekommen sollte. So war der Leiter der Bauabteilung des Landratsamtes, Gerhard Schreiber, monatelang in Zschopau, und der damalige Landrat Konrad Regler, der auf den Mauerfall mit den Worten „da kommt ein schönes Stück Arbeit auf uns zu“ kommentiert hatte, legte sein ganzes Gewicht als Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den Neubau eines Krankenhauses in der sächsischen Kreisstadt.

Die damalige stellvertretende Landrätin von Zschopau, Christine Weber (kleines Foto unten), die politisch später Karriere machte und als Staatsministerin für Gesundheit und Soziales ihre Karriere beendete, ist noch heute voll des Lobes über die Kompetenz und die politische Erfahrung Reglers: „Von ihm habe ich unheimlich viel gelernt“, sagte sie gegenüber unserer Zeitung. „Ohne die Hilfe aus Eichstätt“, zieht die 67-Jährige Bilanz, „wäre alles mit Sicherheit nicht so gut gelaufen, wie es gelaufen ist“.

Verbindungen schlossen die Kreishandwerkerschaft Eichstätt, mehrere Feuerwehrvereine aus dem Landkreis (darunter vor allem die Gaimersheimer Wehr zu ihren Kollegen in Seifhennersdorf, die nach wie vor Bestand hat), die Bereitschaftspolizei Eichstätt, bei der gleich nach der Wende 250 junge Thüringer zu Polizisten ausgebildet wurden, oder vor allem auch die Diözese Eichstätt. Deren Kontakte jedoch bestanden schon lange vor der Wende – wenn auch meist im Verborgenen.

Kein Festakt erinnert jetzt an den Tag der Einheit vor 25 Jahren. Hilde Regler, Gattin des inzwischen verstorbenen damaligen Landrats, meint zu diesem Bedeutungsverlust: „Man kann das negativ sehen oder eben positiv, weil das geeinte Deutschland zur Selbstverständlichkeit geworden ist.“