Eichstätt
Haft nach Majestätsbeleidigung

Unflätiges über den König führt zu Gefängnisstrafen Schimpfnamen "kosteten"

23.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

Foto: Marlene Ettle

Eichstätt (EK) Am 27. Juli 1878 muss der Richter am Königlichen Bezirksgericht Eichstätt so richtig in Fahrt gewesen sein. An dem Tag standen vier Prozesse zu gleichen Vergehen an, wobei die Beklagten in allen Fällen zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Sie hatten sich der Beleidigung von königlichen oder kaiserlichen Majestäten schuldig gemacht. Rechtsgrundlage war der Paragraph 103, der zum Jahresende 2017 abgeschafft werden soll.

ANNO DAZUMAL

1871 wurde ins Strafgesetzbuch geschrieben, dass die Verunglimpfung eines Herrschers mit Zuchthausaufenthalt oder Festungshaft bestraft wird. Das bekam der Austrägler Stefan Buchberger aus Gungolding im März 1887 zu spüren. Für die Beleidigung von Prinzregent Luitpold wurden ihm zwei Monate Gefängnis und die Tragung der Gerichtskosten aufgebrummt. Der Eichstätter Metzgergeselle Alois Müller hatte im April 1883 Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck beleidigt, wovon freilich der Gescholtene selbst nichts wusste. Das Gerichtsurteil: drei Monate und 15 Tage Gefängnis. Im Juli 1878 stand der Schlossergeselle Michael Behr aus Würzburg vor dem Königlichen Bezirksgericht Eichstätt. Er hatte den deutschen Kaiser Wilhelm I. beleidigt und wurde für ein Jahr und sechs Monate eingesperrt.

Unter den erwähnten vier Fällen vom Juli 1878 waren zwei auswärtige Beklagte, ein Schlosser und ein Bortenmacher. Die Urteile: ein Jahr und sechs Monate beziehungsweise ein Jahr Gefängnis. Der dritte war der Eichstätter Maurer Josef Linz, er kam mit drei Monaten und 15 Tagen noch gut weg, der Pflasterzollpächter Ulrich Deubler wurde ein Jahr eingesperrt. Geurteilt wurde nach der Schwere der "Kraftausdrücke", die gegenüber den Herrschern gebraucht wurden.

Die Strafen mussten damals vollständig abgesessen werden, muten aber vergleichsweise milde an: Vor ein paar Tagen war im EICHSTÄTTER KURIER zu lesen, dass in Thailand ein 34-Jähriger wegen Verunglimpfung der Monarchie zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Gotteslästerer und Majestätsbeleidiger kamen einst immer hinter Schloss und Riegel. Der Gebrauch von Schimpfwörtern gegen Nachbarinnen und Nachbarn, Zechkumpane oder Zufallsbekanntschaften wurde von den Gerichten dagegen überwiegend mit Geldstrafen geahndet. Ein Beispiel: Der Bauernsohn Franz Mayer aus Buchenhüll hat den Eichstätter Fotografen Franz Xaver Zeller einen "Schlacken und elenden Kerl" geheißen. Er wurde dafür vom Königlichen Stadt- und Landgericht Eichstätt zu einer Geldstrafe von fünf Gulden, zur Tragung der Kosten des Verfahrens und zur Verkündigung des Urteils in der "Eichstätter Wochenzeitung" verdonnert.

Häufig kam es im Arbeitshaus Rebdorf (1857 bis 1958) zu Beleidigungen von gekrönten Häuptern. Zwei Jahre musste ein Bäckergeselle für seine zornigen Äußerungen ins Gefängnis. Der obdachlose Schneidergeselle Wilhelm S. aus Fichtelberg bei Bayreuth war im 19. Jahrhundert 38 mal ins Arbeitshaus eingewiesen worden. Er hatte sich Arbeitsscheu und Majestätsbeleidigungen zu Schulden kommen lassen. Vermutlich gehörte er zu dem Personenkreis, der bei Winterbeginn ein warmes Quartier suchte, sich auf den Marktplatz stellte und in Gegenwart eines Gendarmen über den "Kini" höchst Unflätiges plärrte. Der Polizist nahm ihn gleich mit ins Warme.

Günstig kam der Söldner Sebastian Schneider aus Wolkertshofen im April 1887 davon. Er hatte seinem Nachbarn Schimpfnamen gegeben und obendrein eine Ruhestörung begangen. Das Urteil: vier Tage Haft. Den Bürgermeister von Denkendorf hatte im März 1883 der Gütler Andreas Bachmeier beleidigt. Das Amtsgericht Kipfenberg schickte ihn für acht Tage "zum Nachdenken über seine Tat" ins Gefängnis. Kurzen Prozess machte der Richter bei drei hintereinander anstehenden "gewöhnlichen Nachbarbeleidigungen" im Juli 1884: Jeweils fünf Mark Strafe, ersatzweise ein Tag Haft lauteten die Urteile.

Majestätsbeleidigungen werden nach Paragraph 103 verfolgt. Ein Anhängsel dieser Bestimmung ist "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten". Aktuell ist er Grundlage einer Klage des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen eines deutschen Schmähgedichts. Dieser Paragraph wird Ende des Jahres gestrichen.