Eichstätt
Feminismus und Islam

Frauentage: Journalistin Khola Maryam Hübsch plädierte für ganzheitliche Lesart des Korans

12.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:31 Uhr

"Vielen macht das Kopftuch Angst, weil es falsch verstanden wird": Khola Maryam Hübsch bei ihrem Vortrag im International House der Katholischen Universität. - Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Sie trägt selbstbewusst ihren Schleier und nimmt kein Blatt vor den Mund. Auf Einladung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Katholischen Universität, Kathrin Schlemmer, referierte die freie Journalistin, Buchautorin und Bloggerin Khola Maryam Hübsch über ein Thema, das die Gemüter immer wieder bewegt: Wie passen Feminismus und der Islam zusammen

Die 36-jährige Publizistin, bekannt durch ihre Auftritte in verschiedenen TV-Talkshows, öffnete in ihrem differenzierten Vortrag im International House der Katholischen Universität den rund 80 weitgehend weiblichen Zuhörern die Augen und räumte gleich mit mehreren Klischees auf. Das Fazit ihres mit zahlreichen Fakten, Statistiken und Belegen untermauerten Statements lautet: Feminismus und Islam seien durchaus kompatibel, doch müsse man eben sehr genau hinsehen.

Das Problem ist nämlich: Es gibt nicht "den" Feminismus, und auch der Islam selbst kenne viele historisch zu unterscheidende und inhaltlich widersprüchliche Aussagen zur Frau. Allein in Europa hat der Feminismus nämlich ganz eigene Ausprägungen erfahren, wenn man nur die Deutsche Alice Schwarzer oder die beiden französischen Protagonistinnen Simone de Beauvoir und Elisabeth Badinter miteinander vergleicht. Muslimische Frauen identifizieren sich dabei eher mit dem gemäßigten "Differenzfeminismus", der die Unterschiede zwischen Mann und Frau anerkennt, "als mit dem radikalen, egalitären Feminismus, der in Westeuropa in aller Munde ist". Viele muslimische Frauen, so erläuterte die Publizistin, hätten ohnehin Schwierigkeiten mit dem Begriff Feminismus: "Es erinnert sie an die Kolonialzeit, wo im Namen des Feminismus Dinge getan worden sind, die Frauen unterdrückt haben." Man verbinde Feminismus also mit diesem kolonialen Gedanken und möchte sich diesen nicht zu eigen machen, da der Begriff quasi zur "weißen Frau" gehöre. Hierin liege eben das Schwierige am Begriff des Feminismus. Stattdessen zögen die muslimischen Frauen die Idee der Geschlechtergerechtigkeit vor, die eine Grundlage schaffe, mit der sich alle wohlfühlten.

In der deutschen Öffentlichkeit machen sich viele Politikerinnen für ein Schleierverbot stark. Warum erzeugt der Schleier einen solchen emotionalen Aufruhr? "Vielen macht das Kopftuch Angst, weil es falsch verstanden wird. In Deutschland wurde lange Zeit so hart für die Frauenrechte gekämpft. Jetzt haben diese Frauen Angst, dass die muslimische Frau kommt und alles Erreichte ruiniert und sie zurückwirft", erklärte Hübsch. Nicht selten sähen Politikerinnen und Feministinnen in islamischen Männern "simplifizierend triebgesteuerte Wesen, die unverschleierte Frauen als Freiwild betrachten". Häufig bemühen sie dabei die Übergriffe der Kölner Silvesternacht und machen sich angeblich für die Rechte der Frauen stark. Was sie jedoch übersähen, sei, dass das Kopftuch von den meisten Muslimas weder als politisches Symbol getragen wird noch als Indiz ihrer Rückständigkeit oder Unterordnung, sondern als Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit.

Daneben lohne sich auch ein historischer Blick auf den Koran, "denn die Verse des Propheten waren im patriarchalischen 7. Jahrhundert durchaus progressiv" und kannten bereits ein Recht der Frau auf Erbe, Eigentum, Scheidung und Bildung. Leider wurden diese Privilegien der Frau im weiteren Verlauf der Jahrhunderte wieder rückgängig gemacht, was man beispielsweise am spät eingeführten Frauenwahlrecht in einigen arabischen Ländern erkennen könne. Neben frauenfeindlichen Passagen zum Erbrecht, zur häuslichen Gewalt oder zum fehlenden Recht der Frau auf eine Zeugenaussage kenne der Koran aber eben auch frauenfreundliche Suren. So sagte Mohammed: "Der Beste unter euch ist der, der seine Frau am besten behandelt." Frauenfeindliche Traditionen wie der Ehrenmord, die Zwangsheirat oder die Genitalverstümmelung, die in den Medien allzu häufig in undifferenzierte Verbindung mit dem Islam gebracht würden, hätten allerdings keinerlei Grundlagen im Koran. Dagegen kenne die Grundschrift des Islam viele Beispiele für herausragende Frauen, wie die Königin Saba, die Gelehrte Aisha oder Fatima Al-Fihri, welche im Jahr 859 die weltweit erste Universität in Marokko gründete. Eine frauenfeindliche Perspektive sah die Referentin weniger im Islam als in einigen "menschenverachtenden Fernsehformaten" wie "Germany's Next Topmodel", wo die Frau auf ihre Figur und bloße sexuelle Ausstrahlung reduziert werde. Ein Schleier und züchtige Kleidung gäben hingegen vielen muslimischen Frauen eine Sicherheit, die westlichen Frauen nicht möglich sei. Eine junge Muslima, die in Deutschland aufwächst, gebildet ist und ein Kopftuch trägt, unterscheide sich heute gar nicht so sehr von einer jungen Deutschen. Für sie sei lediglich eine erfüllte Mutterrolle, die der Koran vorschreibt, wichtiger als für nichtislamische junge Frauen. Dennoch würden islamische Studentinnen bei Bewerbungen nach wie vor benachteiligt, wie eine Studie der Universität Linz ergab.

Im Haushalt wünschten sich übrigens alle modernen jungen Frauen heute einen Mann, der mithilft - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Dabei können sich muslimische Frauen durchaus auf den Koran berufen, denn Mohammed selbst habe der Überlieferung nach ja im Haushalt mitgearbeitet, wie die Referentin mit einem Schmunzeln bemerkte.

In jedem Fall aber sei der Islam mit dem Feminismus grundsätzlich vereinbar. Resümierend wünschte sich Hübsch für die Zukunft einen offeneren Umgang mit dem Thema Kopftuch und Verschleierung: "Ich hoffe, dass nichtmuslimische und muslimische Frauen und insbesondere Feministinnen irgendwann auf Augenhöhe diskutieren können, ohne das heißt: ,Zieh du erst mal dein Kopftuch aus, bevor wir über Frauenrechte sprechen!'"