Eichstätt
Fans zwischen Public Viewing und Pantoffelkino

18.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:56 Uhr

Zwischen Hoffen und Bangen: die Zuschauer im Pacifico erlebten – wie alle anderen – am Freitagnachmmittag vor der Leinwand ein Wechselbad der Gefühle.

Eichstätt (EK) Nach zwei Deutschland-Spielen steht fest: Die WM ist ein Straßenfeger. Wer immer es einrichten kann, sitzt beim Public Viewing und sieht die Spiele unter Gleichgesinnten. Als überraschendes WM-Epizentrum in Eichstätt entpuppt sich auch die Katholische Hochschulgemeinde.

Das Spiel gegen Serbien steht an, und zehn Minuten vor dem Anpfiff sitzen im Studi-Haus dem Eichstätter Uni-Campus über 100 Studenten vor schwarzer Leinwand. Endlich: Irgendwer bringt – in letzter Minute noch im Gewerbegebiet gekauft – das entscheidende technische Accessoire: "Das Antennenkabel haben wir gerade noch besorgt", sagt der Technik-Chef vom studentischen Sozialreferat erleichtert. Immer voller wird es im Studi-Haus, auch viele Schüler kommen, denn an der Uni ist ausgerechnet am Freitag ein großer Informationstag für alle Neubewerber. An den Infoständen, die im Foyer vor der Aula aufgestellt sind, ist da Publikum bald äußerst frauenlastig. Die Uni hat sicherheitshalber auch im Foyer noch eine kleine TV-Leinwand aufgestellt, damit nicht alle Bewerber flüchten. "Irgendwer spielt während der WM immer", verteidigt Politikprofessor und Stefan Schieren, der gerade die Runde durchs Foyer dreht, den Termin.
 

So gelassen sehen das nicht alle: In der Trompete zum Beispiel sind gleich zwei Leinwände in den verschiedenen Gastbereichen aufgestellt – die Bedienungen sausen hin und her und tragen Bier und Schweinsbraten durchs Lokal. In der Küche ist Hochbetrieb – und trotzdem flimmert da ein winziges Fernsehgerät, das sich das Koch irgendwie über den Spültisch geklemmt hat. "Wenn’s halt geht, schauen wir zu", sagen die Leuten von der Küche. Bloß nichts verpassen.

Auf der anderen Straßenseite, im Bogartz, stehen gleich drei Leinwände bereit: Zwei im proppenvollen Lokal, und eine draußen im Wirtsgarten. Es regnet – und trotzdem sitzen Dutzende von Gästen unter Zelten und der uralten hölzernen Laube im Freien und fiebern mit.

Der freie Himmel hat auch ganz in der Nähe, in der Katholischen Hochschulgemeinde, seine Vorzüge: Die Raucher haben sich vor den großen Schiebetüren des Thekenraums postiert. Drinnen ist kein freies Fleckchen Platz mehr zu bekommen. Die Stimmung ist prächtig. Anfangs zumindest. Das ändert sich dann leider aus bekannten Gründen ziemlich bald. Auch einen Steinwurf weiter, im Wirtshaus Zum Gutmann am Graben, wird es im rappelvollen Saal zunehmend leiser. – bis auf die wohl unvermeidlichen Vuvuzela-Trompeter, die mutmaßlich im Sold der örtlichen Hörgeräte-Händler stehen. "Die Stimmung ist nicht gut", brummt Gutmann-Wirt Fred Pfaller in der Pause, und dem neuen Vorsitzenden des VfB Eichstätt, Thomas Hein, schwant da schon: "Das wird eng."

Im Dompfarrheim St. Marien herrscht dagegen auch nach der Pause, als Deutschland schon zurückliegt, noch Optimismus und gute Laune pur. 25 Ministrantinnen und Ministranten, von den Jüngsten bis zu den Ältesten, haben sich zum gemeinsamen "Pantoffelkino" vor dem pfarreieigenen TV-Gerät versammelt. Gruppenleiter Matthias Chloupek freut sich über die aufgekratzte Truppe, die im Laufe des Spiels immer größer wird, bis am Ende das kleine Gruppenzimmer nicht mehr reicht: "Das hält die Gruppen zusammen – und bei uns herrscht Vuvuzela-Verbot."

Rüber geht‘s zum Alten Stadttheater: ins Pacifco mit seiner Großleinwand. Hier ist es nicht so voll wie in den bisherigen Public-Viewing-Stätten. Die Leinwand ist riesig. So kann keiner übersehen, wie Podolski seinen Elfmeter verballert. Blankes Entsetzen unter den Zuschauern. Zum Abschluss noch mal in den Gutmann-Saal: In den letzten zehn Minuten branden im Gutmann Sprechchöre auf: "Auf geht‘s, Deutschland, auf geht‘s Deutschland." Es hilft nichts. "Da müssen wir jetzt durch", sagt der Wirt nach dem Abpfiff, als sich der Saal in Windeseile leert und alle noch draußen auf der Straße stehen.

Am Mittwochabend trifft man sich wieder.