Eichstätt
Eine ewige Baustelle

Westfassade des Eichstätter Doms bleibt bis in den Herbst eingerüstet - Figuren kehren dann zurück

23.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:03 Uhr

Schauen sich die Schäden an der Westfassade ganz genau an: Kunsthistorikerin Dr. Claudia Grund und Diözesanbaudirektor Richard Breitenhuber (oben). Teilweise sind die Verbindungsanker aus den 1960er-Jahren durchgerostet (rechts).

Eichstätt (EK) Das Gerüst an der Westfassade des Doms gehört fast schon zum Stadtbild dazu: Seit Monaten ist die Fassade eingehaust. Das Werk Gabriel de Gabrielis ist ein Sorgenkind der Bauämter. Die aktuelle Sanierung zieht sich nicht nur länger hin als geplant. Sie wird auch deutlich teurer.

Ein "Wir sind bald zurück" hat es nicht gegeben: Seit fast einem Jahr prangt das 28 Quadratmeter große Transparent am Gerüst vor der Eichstätter Westfassade. In diesem Frühjahr sollten die Figuren der Muttergottes und der Geschwister Willibald, Walburga und Wunibald auf ihren angestammten Platz zurückkehren. Seit nahezu anderthalb Jahren sind die Podeste auf dem von Gabriel de Gabrieli 1716 bis 1718 errichteten Westwerk leer. Und sie werden es wohl noch bis in den Spätherbst hinein bleiben. Die Restaurierung der barocken Prachtfassade, die einst von Fürstbischof Johann Anton I. Knebel von Katzenellenbogen gestiftet wurde, zieht sich damit doppelt so lange hin als ursprünglich geplant. "Die Schäden an der Fassade und an den Figuren sind groß", sagen Architektin Marianne Gremmelspacher vom Staatlichen Hochbauamt, Diözesanbaudirektor Richard Breitenhuber und Kunsthistorikerin Dr. Claudia Grund. Und das, obwohl 1997 eine große Sanierung gelaufen war?

"Die Fassade ist eine ewige Baustelle", kommentiert Gremmelspacher trocken. Und das nicht erst seit 50 oder 100 Jahren. Das war schon, wie Protokolle des Domkapitels aus dem 18. Jahrhundert belegen, zu Lebzeiten Gabrielis so: 1737 ist das Dach undicht, Baumängel werden festgestellt. 1742 sind die ersten Steinquader - heimischer Kalkstein - aufgefroren. 1828 bröckelt das Gesims, 1897 fallen Stücke von den fünf großen Statuen oben herab. 1900 wird der Kopf der Richards-Statue neu modelliert und ersetzt, ebenso der rechte Arm Walburgas und Willibalds. Aber da ist die Figur des ersten Bistumspatrons schon längst nicht mehr das Original, wie Breitenhuber und Grund bei einem Ortstermin in luftiger Höhe berichten. Der Heilige ist vielmehr aus drei Teilen zusammengesetzt - die schon rein proportional nicht zusammenpassen. Eben jene 2,70 Meter hohe Figur ist es aber, die gerade am meisten Sorgen macht, sagen Breitenhuber und Grund. Die beiden Vertreter des Diözesanbauamts müssen sich um die Figuren als dem "schmückenden Beiwerk" kümmern - denn hier obliegt die Baulast der Diözese. Für die restliche Fassade zeichnet das Staatliche Bauamt in Ingolstadt verantwortlich.

"Eine Sanierung der Figur des heiligen Willibald ist wohl nicht wirtschaftlich", sagt Breitenhuber. Würde man die Figur nach einer Sanierung nach oben heben, müsste einmal im Jahr eine Befahrung erfolgen. Daher werde alles wohl auf eine Kopie hinauslaufen. "Eine Replik spart in diesem Fall einfach Geld." Die große Kunst liegt dabei vor allem darin, den richtigen Stein zu finden. "Wir wollen wieder heimisches Material verwenden", sagt Breitenhuber. Allerdings gibt es hier wohl unterschiedliche Meinungen über dessen Frosthaltbarkeit. Das Planungsbüro ProDenkmal sieht in der Materialwahl Gabrielis die Ursache dafür, dass die Fassade eine Dauerbaustelle ist. Im Hochbauamt ist man hingegen der Meinung, dass der Kalkstein durchaus Frost vertragen könne - schließlich sind nicht alle Steine aufgefroren. Aber eines ist sicher: Mit der 1997 angewandten Methode einer Hydrophobierung der Fassade kann und will man nicht mehr arbeiten. Der damalige Stand der Forschung war offenbar nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Behandlung der Kalksteine mit wasserabweisendem Material hat sich als Schuss in den Ofen erwiesen. Das Wasser konnte zwar nicht von außen in die Steine, aber suchte sich seinen Weg durch die Fugen in die Quader - und konnte nicht mehr heraus. Die Witterung ist sowieso das Problem an der Fassade: Im Sommer hat es gleich einmal 50 Grad oben, im Winter gefriert es gut und gerne mal auf 30 Grad unter null. Darum ist über die Fassade jetzt auch ein großes Dach gespannt. So ist das Werk geschützter. "Wir geben den Figuren und Steinen jetzt die Möglichkeit, auszutrocknen." Anschließend gibt es dann eine neuerliche Behandlung mit Harz wie 1997? Gremmelspacher wehrt ab: "Wir werden die Fassade so belassen, wie sie jetzt ist."

Wenn es jetzt langsam wärmer wird und die Temperaturen konstant Tag und Nacht über fünf Grad liegen, rücken die Arbeiter an: Dann werden die Fugen ausgemörtelt, bevor der Steinmetz kommt und die kaputten Steine austauscht. Allerdings werden keine ganzen Quader herausgenommen, sondern lediglich die beschädigten Stellen. Zudem müssen die Bleiabdeckungen der Gesimse ausgestauscht werden. Auch sie sind, gut 20 Jahre nach ihrem Einbau, brüchig geworden. Das dürfte, so schätzt Gremmelspacher, insgesamt gut ein halbes Jahr dauern.

Und dann dürften endlich die Figuren zurückkehren. Sie stehen alle in einer Spezialwerkstatt in Bamberg und sind bereits ziemlich fertig saniert. Nur ein Platz wird dann erneut leer bleiben: Die Replik des heiligen Willibald kommt dann wohl kommendes Jahr in schwindelnde Höhe zurück. Sieben Jahre lang war das Podest dann leer geblieben. Der Heilige musste bereits 2010 abgenommen werden, weil der Stein so spröde war.

Wie lange hält die Sanierung dieses Mal? "Wir geben unser Bestes", sagt Gremmelspacher. Die ursprünglich kalkulierten 400 000 Euro werden dafür nicht reichen. Allein das Gerüst steht mittlerweile doppelt so lange als geplant. Diözesanbaudirektor Breitenhuber rechnet mit etwa 30 bis 50 Jahren und fügt süffisant an: "Die heutige Industrie baut für einen Zeitraum von 15 Jahren."