Eichstätt
Die Tanz-Notizen von Ludwig Kelz

Premiere der Eichstätter Schäffler 1903 in Kipfenberg – Stiftung zugunsten von Altenheimbewohnern

23.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

Die Mitglieder des Turnvereins führten den ersten Schäfflertanz in Eichstätt auf. Das war im Jahr 1903. - Foto: Historischer Verein

Eichstätt (EK) Seine Spitznamen waren „Leim“ und „Sonntagsreiter“. „Leim“ deshalb, weil er gelernter Schreiner war, und „Sonntagsreiter“, weil er an Sonn- und Feiertagen auf edlem Ross durch Eichstätt ritt. Und als Reiter stand er auch über 100 Jahre in der Hauptstadt von Namibia, Windhuk, als viel bestauntes bronzenes Denkmal. Die Rede ist von Ludwig Kelz, jenem umtriebigen Mann, der im Jahr 1903 den ersten Schäfflertanz in Eichstätt anregte.

Ludwig Kelz war Organisator und Vortänzer in den Jahren 1903, 1929, 1933 und 1949. Er hatte bereits 1903 ein Heft angelegt, in das er die Tanzfiguren und Schritte eintrug. Dieses Heft wurde dem späteren Schäfflertanzlehrer Xaver Müller, genannt Bundestrainer, zum Gebrauch übergeben. Der Trainer im aktuellen Tanzjahr 2015, Wolfgang Buchner, sagte: „Wir tanzen immer noch nach den Zeichnungen von Ludwig Kelz.“

ANNO DAZUMAL

In der alten deutschen Schrift heißt es bei Kelz zu Figur VII: „Auf das nächste Zeichen schwenken sämtliche Tänzer zum Kranz und tanzen ein oder zweimal im Kreis herum, Nr. 1, 6, 11 und 16 entgegengesetzt. Auf das nächste Zeichen schwenkt alles auf seinen Platz zurück zum großen Kreis.“ Ganz schön kompliziert!

Nach seinen Soldatenabenteuern in Deutsch-Südwestafrika (Namibia) und in China kehrte Ludwig Kelz nach Eichstätt zurück. 1907 heiratete er Anna Schulze, Wirtstochter der Bahnhofsrestauration (heute Gasthaus Frey). Beide gründeten am Bahnhofplatz ein Geschäft für „Kolonialwaren und Feinkost“. Kelz ist am 1. März 1952 gestorben. Die Idee „Schäfflertanz“ kam 1903 zunächst beim Eichstätter Magistrat gar nicht gut an. So war der Auftakt nicht öffentlich im Schießstättsaal, doch kurzerhand wichen die Leute vom Turnverein nach Kipfenberg aus und hatten großen Erfolg. Jetzt konnte die Stadt nicht mehr anders und genehmigte die Aufführung. Premiere in der Domstadt war am Sonntag, 15. Februar 1903, vor dem Gasthof Krone, der Schäfflerherberge. Der Tanz war „seiner bischöflichen Gnaden Franz Leopold von Leonrod“ gewidmet.

Nun gab es bei dem farbenfrohen Spektakel eine längere Pause. Erst 1929 ergriff erneut der Turnverein die Initiative und studierte den „Original Münchner Schäfflertanz“ ein. Immerhin wurden 62 Auftritte absolviert. 1933 war der Tanz Programmteil der Reichshandwerkswoche. Danach kam wieder eine lange Ruhephase.

Im Jahr 1949, vier Jahre nach Kriegsende, erinnerte sich der VfB des Schäfflertanzes, verpflichtete erneut Altmeister Ludwig Kelz und die Musikanten Franz Xaver Gröbel, Toni Magdalener, Karl Hirsch und Hans Merz. Reifenschwinger war Heiner Zieglwalner und Vortänzer ein echter Schäfflermeister, nämlich Willi Wieser.

Seit 1966 wird der traditionelle siebenjährige Rhythmus bei der Aufführung des Schäfflertanzes in Eichstätt eingehalten. Damals war es der BBC (Böse Buben Club), der die Anregung von Heinz Eisenhart aufgriff und in die roten Jacken und die schwarzen Hosen samt Lederfleck schlüpfte. Der BBC gewann Leute der Freiwilligen Feuerwehr als Verstärkung dazu und als Musikanten die Eichiner Buam. Kostüme und Requisiten konnten von den Schäfflern in Landau an der Isar ausgeliehen werden, wohin die Familie Eisenhart verwandtschaftliche Beziehungen hatte. Geprobt wurde in der Schulturnhalle Am Graben unter dem Kommando von „Bundestrainer“ Xaver Müller.

1966 ist ein Markstein in der Geschichte von BBC und Schäfflertanz: In dem Jahr wurde die notariell abgesicherte Schäfflerstiftung gegründet. Laut Satzung müssen die Erträgnisse aus dem Kapital der Stiftung den Insassen der Eichstätter Altenheime zukommen. 88-mal wurde 1966 getanzt. Nach dem Tanz 1973 konnten die Schäffler am Ende Oberbürgermeister Hans Hutter für die Stiftung 6000 Mark übergeben. Am Dreikönigstag war Auftakt für das Tanzjahr 1980. 17 Musikanten spielten das „Oba heit is koit“ bei 99 Tänzen. Rund 2000 begeisterte Zuschauer sahen den Start ins Tanzjahr 1987 vor dem Bischofshaus, mit dabei die Stadtkapelle unter Gerhard Julius Beck. Erfolgreich waren auch die Tanzjahre 1994 und 2001 sowie 2008.

Ein Schäfflertanz-Intermezzo gab es im Jahr 2003: Zum 100-jährigen Bestehen wurden auf dem Residenzplatz die Figuren gedreht, die Fassschläger, der Reifenschwinger, die Buttngretln, die Schnapsverkäufer, die Kasperl mit der „Saubloadern“, die Musikanten und die Drahtzieher im Hintergrund waren aktiv geworden. Zum Jubiläum gab der Historische Verein das Buch „Oba heit is koit“ heraus; es ist noch zu haben.

Die Schäfflertänzer sind Idealisten. Als Anhaltspunkt dafür, was man da verdienen kann, mag das „Honorar“ des Jahres 1903 dienen: Es sprang nicht viel mehr heraus, als für das Doppeln (Besohlen) der durchgetanzten Schuhe aufgewendet werden musste.

Der Schäfflertanz hat seinen Ursprung in der mittelalterlichen Pestzeit. Die Fassbinder gingen auf die Straße, um den Menschen wieder Mut und Lebensfreude zu machen. Das gelang, und gelingt ihren Nachfolgern heute noch.