Eichstätt
Befreiungsschlag am Paradeis

Domcafé-Chefin pachtet das Hinterhaus des Ensembles und betreibt von dort aus die Terrasse

25.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Öde liegt sie da, die Terrasse vor dem Café im Paradeis am Eichstätter Marktplatz. Aber jetzt gibt es eine Lösung. Voraussichtlich schon in ein paar Wochen wird die Terrasse vom hinteren Fachwerk-Haus, das Josef Deß gehört, betrieben, und das Erdgeschoss des Rückgebäudes wird allein als Café genutzt. Das Vordergebäude im Eigentum von Hans Kirschner ist als Baustelle mit Bauzäunen abgeschirmt. - Fotos: Auer

Eichstätt (EK) Für das größte gastronomische und touristische Sorgenkind Eichstätts, das Café im Paradeis mit seiner Terrasse, hat sich überraschend eine ganz neue Lösung gefunden. Christina Wild vom Domcafé pachtet das Hinterhaus des Ensembles und dazu die Terrasse, die der Stadt gehört.

Die Nachricht verbreitet sich äußerst zügig in der Stadt, und gestern bestätigte zuerst Josef Deß, dann Oberbürgermeister Andreas Steppberger und schließlich auch mit Zögern Christina Wild selbst die Gerüchte: Voraussichtlich noch vor Pfingsten soll die "gute Stube" der Stadt Eichstätt, die 300 Quadratmeter große Terrasse mitten am Marktplatz, wieder mit Leben erfüllt sein. Vorder- und Hinterhaus des Paradeis-Ensembles werden nun endgültig getrennt. Wild wird zunächst einmal nur in der Sommersaison 2017 hier ein klassisches Café betreiben, und sie pachtet vorerst auch nur das Erdgeschoss des Hinterhauses. Das obere Stockwerk mit der wunderbaren mittelalterlichen Feststube muss erst in Sachen Brandschutz ertüchtigt werden - wegen der neuen Aufteilung der Häuser gäbe es derzeit keinen zweiten Fluchtweg.

Das Hinterhaus gehört Josef Deß aus Mauern im Urdonautal, das Vorderhaus dem Eichstätter Immobilienmakler Hans Kirschner, der es von Ludwig Bauer erworben hatte. Bauer und Deß hatten ihre Häuser Mitte der 1980er-Jahre etwa zeitgleich gekauft, sie liebevoll renoviert und zu einer vermeintlich untrennbaren gastronomischen Einheit verbunden, dem 1989 eröffneten Café im Paradeis. Jetzt aber kamen der Bauer-Nachfolger Hans Kirschner und Josef Deß nicht miteinander klar. Wie mehrfach berichtet begann Kirschner mit Umbaumaßnahmen auf seiner Seite und griff dabei auch aufs Deß-Haus zu - bis Deß schließlich die Türen zuschraubte und damit die Anwesen wieder trennte.

Lange schien es, dass eine neue gastronomische Lösung nur über das Vorderhaus und damit über Hans Kirschner möglich sein würde. Doch jetzt ist plötzlich alles ganz anders. Denn die Stadt Eichstätt verlor offensichtlich die Geduld mit Kirschner, nachdem die prächtige Terrasse schon das ganze letzte Jahr verwaist war (mit Ausnahme von Roland Hensels bescheidenem Crêpes-Stand samt ein paar Plastiktischgarnituren). Der ganze Marktplatz verlor dadurch sein Flair und verwaiste auch touristisch, wie Tourismus-Chef Lars Bender unablässig beklagte. Oberbürgermeister Andreas Steppberger persönlich nahm sich schließlich der Sache an, wesentlich unterstützt von Standortbeauftragter Beate Michel: "Wir haben die ganze Zeit schon überlegt, wie wir die Kuh vom Eis bekommen. Ich wollte unbedingt in dieser Saison noch etwas bewegen auf diesem Platz." Mit beiden Eigentümern seien Gespräche geführt worden, betont er. "Und dann habe ich mich auf den Herrn Deß konzentriert und ihn gefragt, ob er bereit wäre, seine Räume wieder zu öffnen." Denn es sei klar gewesen, dass die Terrasse alleine, ohne dazugehörige Räume, nicht funktionieren könne. Die Stadt war es auch, die bei mehreren Gastronomen in Sachen Paradeis anfragte, dann aber rasch bei Christina Wild vom Domcafé landete. Wild hatte schon im letzten Jahr erwogen, ob eine Bewirtschaftung der Terrasse vom 150 Meter entfernten Domcafé möglich wäre, damit aber nicht durchgedrungen.

Das Solo mit Josef Deß beziehungsweise mit dessen Pächterin Christina Wild hält Steppberger nun für einen sinnvollen Ansatz, "unabhängig davon, was Herr Kirschner nun plant". Es wäre eines Tages eine Teilung der Terrasse denkbar, "falls Herr Kirschner auch eröffnet". Aber erst einmal gehört die städtische Terrasse ganz alleine der Konditormeisterin Christina Wild. "Das ist eine Sternstunde für ganz Eichstätt, eine große Chance für die Frau Wild und ein ganz erheblicher Schritt für unseren Tourismus", freute sich Steppberger. Er selbst hat erst in der vergangenen Woche erfahren, dass sich Deß und Wild einig geworden sind. Auch wenn es vorerst nur um die Sommersaison 2017 geht, sind alle hoffnungsfroh, dass es nach einer Winterpause wieder voll weitergeht.

Josef Deß (74), wegen der Sanierung des Paradeis und des alten Pfarrhofs in Mauern zweifacher Träger des Hypo-Kulturpreises, zeigte sich gestern im Gespräch mit dem EICHSTÄTTER KURIER überglücklich. Das Paradeis-Ensemble sei "so, wie es dasteht, ein wunderbares mittelalterliches Haus von 1453, 40 Jahre vor der Entdeckung Amerikas, und es steckt sogar noch das alte Haus von 1312 drin". Er selbst habe nach dem Verkauf des Bauer-Gebäudes und dem späteren Auszug der Pächter-Familie Groh gehofft, dass der Betrieb des Café-Restaurants nahtlos weitergehen würde. Ein Irrtum. "So schade es ist, und so leid es mir tut, muss ich das Haus jetzt wieder autark betreiben", sagte Deß. "Aber ich bin wirklich froh über diese Lösung und auch darüber, dass die Stadt mitzieht." Auch die Handwerker seien schon voll Elan an der Arbeit: "Die wollen das wirklich unterstützen, das ist deutlich zu spüren. Das tut mir fei gut", sagte Deß strahlend. Der Pachtvertrag mit Christina Wild werde im Übrigen "so gemacht, dass die sich entwickeln können."

Christina Wild (27) sagte gestern Nachmittag: "Ich freue mich riesig darauf, und ich bin sehr froh, dass die Stadt auf mich zugekommen ist." Die Paradeis-Terrasse und die Deß-Räume seien "ein super Platz mitten in Eichstätt. Ich hoffe, dass das gut angenommen wird." Das Domcafé mitsamt der Konditorei im Keller bleibt freilich nach wie vor unverändert Wilds Ausgangsbasis.