Eichstätt
Von Barrierefreiheit weit entfernt

Können Rollstuhlfahrer überall hingelangen? Pfadfinder mit Selbstversuch

26.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Eines von vielen Hindernissen für Rollstuhlfahrer in der Stadt fanden die Pfadfinder bei ihrer Tour, auf der sie Eichstätt auf Barrierefreiheit testeten, in der Ostenstraße. - Foto: Schmölz

Eichstätt (EK) Wie gut können Menschen im Rollstuhl Eichstätts Wege und öffentliche Einrichtungen befahren? Das stellte die Pfadfindergruppe aus Eichstätt auf die Probe. Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend.

"Fast alle wichtigen Orte in Eichstätt sind mit dem Rollstuhl nahezu nicht befahrbar. Und wenn ein Ort ,barrierefrei' ist, dann ist er nur mit fremder Hilfe oder durch einen Umweg erreichbar." Mit diesen Worten fasste Joshua Treffer (19) die Erkenntnisse der Prüfung zusammen.

Die Tour durch ganz Eichstätt begann am Krankenhaus, wo die Jugendlichen zwei Rollstühle für ihre Aktion zur Verfügung gestellt bekamen. Abwechselnd fuhren die Pfadfinder unter der Leitung von Roverleiter Johannes Löhlein (24) nach kurzer Eingewöhnung durch die Gassen und Straßen Eichstätts, wobei sie stets bei kritischen Orten Halt machten, um den Versuch zu wagen, eine Barriere zu überqueren. An einigen Orten, wie dem Kollegiengebäude der KU Eichstätt, dem Residenzplatz, dem Stadtbahnhof und der Schutzengelkirche mussten die Jugendlichen nach mehreren Versuchen aufgeben. Einem der Pfadfinder fiel sogar das Überqueren des Herzogstegs mit dem Rollstuhl schwer. "Der Dom ist nur auf Umwegen für Rollstuhlfahrer befahrbar. Der Residenzplatz ist ja keine richtige Alternative", beklagte Roverleiter Johannes Löhlein. Ebenfalls eine Zumutung sei das Kopfsteinpflaster der Altstadt. Über einen Kamm scheren wollen die Pfadfinder alle Einrichtungen in Eichstätt jedoch nicht. Es gäbe nämlich durchaus behindertenfreundliche Einrichtungen, zu denen der Zugang per Rollstuhl kein Problem darstelle. Das Alte Stadttheater war ebenfalls auf der zu prüfenden Route und bekam ausschließlich positives Feedback. Auch der Hofgarten stellte trotz geschottertem Weg keine große Herausforderung für die "Rollstuhlfahrer" dar. Die barrierefreien Orte sind jedoch im Vergleich zu den fehlenden Hilfestellungen für Menschen im Rollstuhl nur ein kleiner Bruchteil.

Für die Pfadfinder ist eine Behinderung kein Handicap. Ihr Motto "Pfadfinder mit Behinderung - nix Besonderes" zeigt sehr deutlich, dass es bei den Pfadfindern keine Nachteile für Jugendliche mit geistigen und körperlichen Einschränkungen gibt. Die Pfadfinder in Weißenburg nehmen laut Löhlein schon seit vielen Jahren solche Mitglieder auf. Dadurch wurde der Zusammenhang "Pfadfinder - Behinderung" schon vor einiger Zeit zum Thema - auch in anderen Pfadfindergruppen. "Wir versuchen unsere Arbeit so zu gestalten, dass auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung Pfadfinder sein können", so Löhlein.

Ursprünglich war die Idee, Eichstätt auf Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer zu testen, jedoch bei einer "Challenge" entstanden. Die Verantwortlichen des Rover-Lagers bieten Pfadfindern aus ganz Bayern gelegentlich eine Herausforderung an. Im Gegenzug erhalten die erfolgreichen Gruppen eine kleine Belohnung, die weniger aus materiellen Dingen, sondern mehr aus kleineren Hilfen, zum Beispiel beim Aufbauen des Pfadfinderlagers, besteht. "Natürlich haben wir auch Freude an der Sache. Es ist schließlich auch eine wertvolle Selbsterfahrung", betonte Löhlein.

Das kleine Projekt habe den Pfadfindern klargemacht, wie schwer es Menschen im Rollstuhl in einer Stadt wie Eichstätt eigentlich haben. Alle Teilnehmer können sich nach dieser Erfahrung mit den Helfern und auch mit den Rollstuhlfahrern identifizieren. Diese Aktion sollte aber vor allem öffentlichen Einrichtungen die Schwierigkeiten für Rollstuhlfahrer aufzeigen - die Pfadfinder wollen auf diese Weise Verbesserungen anregen und an die Gesellschaft appellieren.