Eichstätt
Brücke zwischen Überfluss und Mangel

Die Eichstätter Tafel versorgt jede Woche 70 Menschen mit Lebensmitteln – Nachfrage von Flüchtlingen

22.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:50 Uhr

Welches hätten Sie denn gerne? Anneliese Griesbeck bei der Brotausgabe. Alfred Griesbeck und Dieter Henle (rechts) am Empfang; hier legen Kunden ihren Berechtigungsschein vor und zahlen den symbolischen Euro (kleines Bild links). Hilfestellung: eine Liste der Lebensmittel in verschiedenen Sprachen. - Fotos: hep

Eichstätt (EK) Neue Räume, neue Kunden: Die Eichstätter Tafel hat ein Jahr der Veränderungen hinter sich. Ihr Ziel ist jedoch das gleiche wie zur Eröffnung vor elf Jahren: Lebensmittel sammeln und an Bedürftige weitergeben.

Gesammelt werden Lebensmittel, die von Supermärkten und Bäckereien nicht mehr verkauft werden können. Mit jedem Handgriff von Anneliese Griesbeck füllt sich die Plastikkiste ein Stück mehr: Mehl, Spaghetti, Öl, Kekse, ein paar Kartoffeln. „Kartoffeln keine!“, stoppt der grauhaarige Herr vor der Theke sie, „ich koch doch für mich allein nicht.“ Die Tafel-Helferin hält inne, lässt ihren Blick suchend über die Regale schweifen, dann ein gezielter Griff: „Möchten Sie dann vielleicht diese Dose Kohlrouladen? Die müssen Sie nur warm machen, dazu ein Stück Brot“ – „Oh ja, das ist gut!“, sagt der Kunde und strahlt.

Anneliese Griesbeck ist eine von 30 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Eichstätter Tafelladen, der ältere Mann einer ihrer vielen Kunden. Auch aus Platzgründen zog der Laden im Sommer um: Von der Westenstraße in die Clara-Staiger-Straße, wo mit 100 Quadratmetern mehr als doppelt so viel Ladenfläche zur Verfügung steht. Das bedeutet mehr Platz für Lebensmittel, die nun alle an Ort und Stelle gelagert werden können, und mehr Platz für Kunden.

Im Schnitt kommen mittlerweile jeden Donnerstag 70 Kunden in den Tafelladen, vor zwei Jahren waren es noch 54. Hinter jedem Kunden stehen meist mehrere Personen, insgesamt versorgt die Tafel so derzeit 150 Erwachsene und fast 50 Kinder.

Die Kunden sind Bedürftige aus Eichstätt und Umgebung: Rentner, die von der staatlichen Grundsicherung leben, Arbeitslose und „Aufstocker“, Menschen also, die Arbeit haben, deren Verdienst aber kaum reicht, um sich und ihre Familie zu ernähren. Etwa ein Drittel der Tafelkunden sind Flüchtlinge.

„Dass immer mehr Asylbewerber nach Deutschland kommen, hat sich auch bei uns in diesem Jahr deutlich bemerkbar gemacht“, sagt Dieter Henle, Geschäftsführer des Tafelladens. Mit der Erstaufnahmeeinrichtung habe das aber nichts zu tun, dort werden die Flüchtlinge mit Essen versorgt. Einen Tafelausweis bekommt nur, wer bereits eine Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis hat. Diese Flüchtlinge versorgen sich selbst, dafür steht ihnen etwas weniger als der Hartz-IV-Regelsatz zur Verfügung.

„In Deutschland muss keiner hungern, aber bei Flüchtlingen wie anderen Bedürftigen geht es uns darum, das Haushaltsbudget zu entlasten, um soziale Teilhabe zu ermöglichen“, erklärt Henle.

Erstaunt wiegt ein dunkelhäutiger Mann eine Packung passierte Tomaten in seinen Händen hin und her, beäugt sie von allen Seiten. „Für Baby“, fragt der Nigerianer schließlich zögernd. „Ah, nein – für Nudeln!“, ruft Anneliese Griesbeck. Fragend zieht der Kunde seine Augenbrauen nach oben. Griesbeck holt eine Packung Spaghetti aus dem Regal, hält sie neben die Tomaten. „Oh – okay!“ Lächelnd packt der Mann die Packung zurück in seine Kiste.

Afghanistan, Syrien, Eritrea – so verschieden die Herkunftsländer, so kompliziert ist teils die Verständigung mit den neuen Kunden. Doch im Laufe des Jahres entwickelte das Tafelteam Ideen, um die Sprachhürde zu überwinden. Den Anfang machten große Bilder von Huhn, Rind, Schwein und Fisch, um erklären zu können, was in welchen Produkten enthalten ist. Helfer Bernd Bintakies kam schließlich auf die Idee einer ganzen Liste von Lebensmitteln mit Bildern und Übersetzungen in Englisch, Türkisch und Arabisch.

Für den symbolischen Betrag von einem Euro bekommen Tafelkunden Brot, Obst, Gemüse, Milchprodukte, Wurst und mehr im vielfachen Wert ihres Einsatzes. Was genau es gibt, hängt davon ab, was Supermärkte und Bäckereien abgeben – ob das Mindesthaltbarkeitsdatum naht oder weniger Weißbrot gekauft wurde als erwartet: Viele Lebensmittel, die für den Handel als nicht mehr verkäuflich gelten, sind qualitativ einwandfrei. Grundidee der Tafel ist es, solche Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahren und stattdessen an Bedürftige weiterzugeben.

Doch reicht dieser Überfluss für die vielen Kunden? „Milchprodukte, Trockenware und Brot bekommen wir gleichbleibend gut, Obst und Gemüse leider immer weniger, aber gerade das ist sehr beliebt, davon bräuchten wir mehr“, sagt Henle.

An diesem Tag sind es gerade einmal vier Kisten. „Damit zumindest jeder ein bisschen was Gesundes bekommt“, hat Henle Weißkohl und Karotten zugekauft. Und ein Ass hat er noch im Ärmel – mehrere Kartons Äpfel: „Die haben wir dem russischen Importverbot zu verdanken.“ Bauern, die an karitative Einrichtungen verschenken, bekommen von der EU eine Entschädigung. Für die Erzeuger zumindest kein Verlust, für die Eichstätter Tafel an diesem Tag ein echter Gewinn.

Knapp wird es dennoch. Halb fünf, kurz vor Ladenschluss. Die Regale sind fast leer, im Obst- und Gemüseeck liegen nur noch ein paar einsame Äpfel. Genau die packt der letzte Kunde nun zufrieden in seine Einkaufstasche: „Super, Äpfel – da koche ich heute Apfelmus! Zucker und Wasser dazu – fertig! Vielen Dank Euch und bis nächste Woche!“

Die Tafel finanziert sich über Spenden und zu etwa einem Fünftel über Mitgliedsbeiträge. Für Miete, Nebenkosten, aber auch den gelegentlichen Zukauf von Lebensmitteln – wie Kohl und Karotten an diesem Tag – sind Spenden „nötig und herzlich willkommen“, betont Tafel-Geschäftsführer Dieter Henle.