Eichstätt
"Am Schnellsten geht es in der Diktatur"

Ein Gespräch über die LAG Altmühl-Donau mit Andreas Birzer und Geschäftsführerin Lena Deffner

29.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Standen Rede und Antwort zu Leader-Prozessen, Bürgerbeteiligung und Europa-Zuschüssen: Andreas Birzer und Lena Deffner. - Foto: Auer

Eichstätt (EK) Seit eineinhalb Jahren gibt es die Lokale Aktionsgruppe (LAG) Altmühl-Donau, seit einem Jahr hat sie die Anerkennung, um EU-Fördermittel aus dem Leader-Programm erhalten zu können. Und jetzt? Genau ein Projekt ist bewilligt: eine Machbarkeitsstudie für einen Dorfladen in Tauberfeld.

Der Start fiel etwas holprig aus, weil es nach hoffnungsvollem Beginn im Dreh- und Angelpunkt der LAG, in der Geschäftsstelle, einen Personalwechsel gab. Seit 1. Januar leitet nun Lena Deffner die Geschäftsstelle, stellte sich den Gemeinden vor, warb für Projekte. Das allererste ist - vor Kurzem - bewilligt worden: eine Machbarkeitsstudie für einen Dorfladen in Tauberfeld. Eine Reihe weiterer Vorhaben ist in der Ausarbeitungsphase, darunter sind auch einheitliche Ortseingangsschilder, die aber schon von mehreren Gemeinderäten abgelehnt wurden. Alles nicht ganz einfach? Ein Gespräch mit dem LAG-Vorsitzenden, dem Adelschlager Bürgermeister Andreas Birzer, und der LAG-Geschäftsführerin Lena Deffner.

 

Herr Birzer, Frau Deffner, eine Machbarkeitsstudie für einen Dorfladen, gefördert als Leader-Projekt durch die Europäische Union? Das klingt nicht richtig spannend, eher ein bisschen bürokratisch. Muss das denn wirklich sein? Und braucht man dafür wirklich eine LAG?

Andreas Birzer: Nicht Leader gibt eine solche Idee vor, sondern das kommt aus dem Dorf selbst. Nicht die Frau Deffner sagt, ihre müsst da eine Machbarkeitsstudie machen, sondern das ist grundsätzlich eine politische Entscheidung, für die es gute Gründe gibt. Ein Dorfladen kann scheitern - denken Sie an Unterstall. Und Machbarkeitsstudien sind ja auch keine Erfindung von Leader - die Stadt Eichstätt kennt sich da aus.

 

Aber könnte eine selbstbewusste Gemeinde nicht einfach sagen: Bevor wir in ein Leader-Genehmigungsverfahren einsteigen, machen wir es lieber komplett selber?

Birzer: Hier haben die Bürger die Mitsprachemöglichkeit. Das sollte man positiv sehen. Das macht die Entscheidungsfindung zwar vielleicht manchmal langatmiger. Aber man sollte immer bedenken: Am schnellsten geht's in der Diktatur. Bei Leader-Projekten gibt es 50 Prozent Förderung. Wenn man seine Vorhaben ohne Leader umsetzen will, dann zahlt man's halt selber. Grundsätzlich haben alle Programme, bei denen es um EU-Fördermittel geht, das Manko, dass sie einen gewissen bürokratischen Aufwand mit sich bringen. Da muss schon ein bisschen Enthusiasmus da sein. Aber so schlimm ist es nicht - und ein Leader-Projekt birgt auch viele Chancen. Ganz wichtig ist, dass Projekte von Vereinen und Verbänden gefördert werden können.

Lena Deffner: Sinn und Zweck von Leader ist es, bei allen Projekten die Bürger zu beteiligen. Da plant eine Gemeinde etwas, und über Leader kommen auf einmal weitere Aspekte zum Tragen. Man muss sich aber darauf einlassen. Aus Lokalen Aktionsgruppen in anderen Regionen höre ich, dass Gemeinden seit Jahren dabei sind und die ganze Förderperiode kein Projekt umgesetzt haben. Wir hoffen, dass das bei unserer Aktionsgruppe Altmühl-Donau nicht der Fall ist.

Birzer: Den Gemeinden muss klar sein, dass Leader kein reines Infrastrukturprogramm ist, kein Programm zur Förderung von einfachen Radwegen. Dafür gibt es andere Programme. Bei Leader-Projekten geht es darum, die Bürger zu beteiligen, Gebiete zu vernetzen, überörtlich zu denken und die Region abzubilden. Man muss aber nichts aus dem Hut zaubern, bloß, damit man auch mal was gemacht hat.

 

Wir haben bei uns im Landkreis auch noch die LAG Altmühl-Jura. Bekannt geworden ist sie unter anderem durch das Kunstprojekt mit dem Namen "KunstAmBandAmLimes". Für manchen Leader-Skeptiker ist das eine Steilvorlage als Beispiel für aufwendig organisierte Aktionen, die im Endeffekt nur wenig bringen.

Birzer: Es kommt immer auf die Ideen an, die sich eine Gemeinschaft einfallen lässt. Diese Aktion hat es auf jeden Fall geschafft, das Thema Limes in die Köpfe zu bringen und auch nach außen zu tragen.

Deffner: In den Gemeinden von Altmühl-Jura ist das Thema Leader auch durch dieses Projekt in der Bevölkerung angekommen. Meine Kollegin Lena Oginski in Beilngries muss nicht mehr nach Projekten suchen. Da merkt man ganz deutlich, dass sich das Programm dort etabliert hat.

Birzer: Das braucht einfach Zeit, bis es anläuft. Das muss erst durchdringen, durchsickern in den Gemeinderäten, in den Vereinen. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen.

 

Gilt das dann auch für die Vorgehensweise, bis so ein Projekt tatsächlich Realität wird?

Deffner: Der Glaube, das wäre ein unheimlicher Aufwand und würde Monate dauern, ist weit verbreitet. Die Frage ist aber, wie aktiv der Projektträger an die Sache rangeht, wie schnell mir die Unterlagen geliefert werden. Die Machbarkeitsstudie für den Dorfladen zum Beispiel ging total schnell durch. Das entscheidet der 16-köpfige Lenkungsausschuss mit Mitgliedern aus dem LAG-Gebiet bei seinen regelmäßigen Sitzungen.

 

Und bei der endgültigen Genehmigung geht das dann wegen der EU-Fördermittel über wie viele Stationen? Mit einem dicken Verwaltungs-Wasserkopf?

Birzer: Ich sehe den Wasserkopf nicht. Ich sehe vor Ort Lena Deffner. Wer ein Projekt durchführen will, der ist in ganz engem Kontakt mit ihr. Dann gibt es noch Leader-Koordinatorin Irmgard Neu-Schmid im Amt für Landwirtschaft in Ingolstadt. Sie betreut sieben LAG's in Oberbayern-Nord und sie sagt auch, ob ein Projekt Chancen auf Förderung hat. Wenn heute ein Landwirt an einem Aufforstungsprogramm teilnimmt, damit er Zuschüsse bekommt, hat er mit Sicherheit mehr Bürokratie.

Deffner: Unsere Bewilligungsstelle ist in Ingolstadt, im Amt für Landwirtschaft. Das sind alles kurze Wege. Wenn jemand eine Idee für ein Projekt hat, dann geht es in unseren Lenkungsausschuss, der mit einer Checkliste eine Mindestpunktzahl vergeben muss. Und dann muss das Projekt in Ingolstadt beantragt und bewilligt werden.

 

Wie lange muss man warten?

Deffner: Den Antrag für den Dorfladen haben wir Ende Januar nach Ingolstadt geschickt, und der Bewilligungsbescheid kam nach etwa sechs Wochen.

 

Und wie sieht es mit der Abrechnung aus?

Deffner: Die Abrechnung machen die Kommune und ich miteinander, dann wird das ans Landwirtschaftsamt geschickt, und die zahlen das Geld aus.

 

Wie viel Geld gibt's denn insgesamt?

Deffner: Für unsere Lokale Aktionsgruppe sind für die Jahre 2015 bis 2020 1,1 Millionen Euro für Einzelprojekte und 400 000 Euro für Kooperationsprojekte bereitgestellt. Allerdings gibt es bestimmte ,Meilensteine' beim Abrufen dieser Gelder. Wenn bis Oktober nächsten Jahres dieser Meilenstein nicht erreicht wird, dann wird der Orientierungswert gekürzt.

Birzer: Und dieses übrige Geld fließt dann in solche LAG's, die besonders viele Projekte haben. Die LAG Altmühl-Jura wartet schon drauf.

 

Die Fragen stellte

Richard Auer.