Dietfurt
Der lange Weg der Erleuchtung

Paula Broghammer hat ihr Leben der Zen-Meditation gewidmet 90-Jährige verlässt Dietfurt

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Die Geschichte des Meditationshauses ist auch ihre Geschichte. Paula Broghammer lebt seit fast 40 Jahren dort und hat beim Aufbau geholfen. Jetzt geht sie ins Mutterhaus nach Meitingen. - Foto: Hradetzky

Dietfurt (DK) Sie ist die gute Seele des Dietfurter Franziskanerklosters. Die bald 90-Jährige Paula Broghammer ist mit dem Ordenshaus seit fast 40 Jahren eng verbunden. Die Geschichte des Meditationshauses ist ihre Geschichte. Doch im November verlässt sie ihren Wirkungskreis und die Sieben-Täler-Stadt.

"Ich habe sehr gerne in Dietfurt gelebt", sagt sie. Die Dietfurter beschreibt die Wahl-Dietfurterin als "sehr offen, kreativ und freundlich". Broghammer stammt aus dem Schwarzwald. In Bad Dürrheim kam sie zur Welt, im höchsten Solebad Europas verbrachte sie die Kindheit zusammen mit drei Schwestern. Ihr Berufswunsch: Lehrerin. 1939 wurde sie in der Lehrerbildungsanstalt in Heidelberg aufgenommen. Mit 19 Jahren trat Broghammer ihren Dienst an. Die erste und zweite Lehrerprüfung absolvierte sie an der Uni Freiburg. Im Mai 1950 trat sie dem Orden der Christkönigsschwestern in Meitingen bei. "Ich habe mich dazu berufen gefühlt, mich in eine Gemeinschaft zu begeben, die sich nicht von der Welt zurückzieht", blickt sie auf ein bewegtes Leben zurück.

Da es im Christkönigsinstitut damals noch nicht üblich war, dass Mitglieder uneingeschränkt ihrem altem Beruf nachgingen, schickte die Gemeinschaft die studierte Volksschullehrerin nach Heidelberg an die Soziale Frauenschule. Broghammer wurde Sozialarbeiterin und spielte nebenbei im Jugendorchester Geige und Kontrabass. In den Folgejahren arbeitete die engagierte Frau aus dem Schwarzwald in der Suchtkrankenfürsorge in Freiburg. Dann ging sie für neun Monate nach London. Bei den Quäkern, einer Freikirche, die sich der Armen annimmt, erledigte sie den Haushalt für die Angestellten im Sozialzentrum und lernte auch Englisch. Zurück in Meitingen arbeitete sie von 1960 bis 1976 in der Verwaltung des Christkönigsinstituts. "Hier hatten wir viele Gäste aus dem Ausland, Priester aus den USA, Frankreich und Italien, denen ich nebenbei Deutschunterricht gegeben habe", berichtet sie.

1970 las Paula Broghammer das Buch von Pater Lassalle "Der Weg zur Erleuchtung". Es sollte ihren weiteren Lebensweg entscheidend prägen. In einer Zeit, in der sich viele asiatischen Meditationsritualen zuwandten, besuchte sie erste Kurse bei Pater Lassalle in Neresheim in Baden-Württemberg. "Die Kirche in Deutschland wollte den Menschen zeigen, dass sie das, was sie suchten, auch in der Kirche selbst finden", blickt sie zurück.

Dann bat Pater Victor Löw Paula Broghammer, die er bei einem seiner Meditationskurse in Tholey kennengelernt hatte, mit ihm nach Dietfurt zu gehen, um dort das Meditationshaus aufzubauen. 1977/1978 baute sie mit ihm zusammen die Büroorganisation auf und half ihm, die ersten Programme zu erstellen.

"Die Leute hier waren anfangs sehr skeptisch, nachdem Pater Ermin japanische Zenmeister nach Dietfurt geholt hatte. Ihre exotisch anmutenden Methoden waren einfach befremdlich für sie", fasst Broghammer zusammen. Die Gerüchteküche brodelte und die Leute meinten zeitweise, dass die Teilnehmer der Meditationskurse mit Stöcken auf den Rücken geschlagen würden. Tatsächlich verhalte es sich beim Zen so, dass mit dem Kyosaku - dem Stock - während längerer Sitzperioden den Übenden bei den strengeren Kursen zwei bis drei Schläge auf die Schultern gegeben werden. Dieser Stock der Warnung, manchmal auch als Aufweckstock oder Stock des Mitgefühls bezeichnet, diene dazu, dem Übenden zu helfen, Unkonzentriertheit, Unachtsamkeit, Schläfrigkeit und Verspannung, die bei längerem Zazen auftreten, zu überwinden, erklärt sie.

Um der Skepsis der Dietfurter entgegenzuwirken, hielt Pater Ulrich Eutoniekurse, also Entspannungskurse, ab und lud die Dietfurter abends dazu ein, sich selbst ein Bild zu machen, was im Kloster geschieht. "Das hat den Meditationskursen den Durchbruch gebracht." Immer wieder habe auch Pater Lassalle in Dietfurt Kurse abgehalten, die alle ausgebucht gewesen seien, so Broghammer. Sie freut sich, dass das Meditationshaus nun mit Othmar Franthal wieder einen ausgezeichneten Zen-Meister hat. Bis 1986 war Broghammer im Büro des Klosters tätig, später begleitete sie Tai-Chi-Kurse, assistierte bei den Musikkursen von Pater Ulrich, versorgte die Mutter von Pater Victor und half ganz einfach überall, wo es nötig war.

In den vergangenen drei Jahren hat Broghammer unter anderem Flüchtlingen Deutschunterricht erteilt. Auch um den Blumenschmuck im Meditationshaus hat sie sich bis zuletzt gekümmert. Nebenbei hat sie - und das ununterbrochen seit dem Jahr 1970 - stets meditiert. "Zen-Meditation ist eine Übung fürs Leben, die man nicht mit dem Verstand machen muss. Mein Wunsch war es, Gott besser kennenzulernen", begründet Broghammer. Nun verlässt sie das Franziskanerkloster und damit ihre Wahlheimat Dietfurt. Sie geht mit einem weinenden und einem lachenden Auge. "Ich habe so lange meditiert, da begegnet man Dingen, die im Leben passieren, gelassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich alles, den Umzug, selber organisieren kann. Dankbar bin ich für die Zeit, die ich hier sein durfte und für das Privileg, bei Pater Lassalle Schülerin gewesen zu sein."

Im Mutterhaus in Meitingen will sie sich dem Gebet und der Meditation widmen. Ganz nach dem Motto: "Selbsterkenntnis ist Gotteserkenntnis." Die Zeit in der Sieben-Täler-Stadt und die damit verbundenen Erinnerungen werden allerdings immer in ihrem Herzen bleiben, versichert Paula Broghammer.