Beilngries
Zwischen Staus und Statussymbolen

Michael Pfaller aus Irfersdorf lebt und arbeitet in Südkorea – Und spielt manchmal den "bösen Bullen"

19.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

 

Beilngries (DK) Schon seit einem Auslandssemester während des Studiums ist für Michael Pfaller klar gewesen, dass er am liebsten einmal fernab von Irfersdorf leben und arbeiten möchte. „Verschlagen“ hat es den 31-Jährigen so vor rund eineinhalb Jahren nach Seoul.

Gut zwei Wochen war der Irfersdorfer, der für einen namhaften Regensburger Trafohersteller in Südkorea arbeitet, zu Hause. Und schaffte es kaum, alle Bekannte und Verwandte abzuklappern. „Etwas stressig, aber schön“, sei der Heimaturlaub gewesen, den er sich zwei Mal im Jahr gönnt. „Autofahren ohne Stau“, entfährt es Michael Pfaller spontan auf die Frage, was ihm nach der Rückkehr als größter Unterschied zwischen Deutschland und der Metropole aufgefallen sei. Kein Wunder, sind die geschätzten sechs Kilometer von seiner Tiefgarage bis ins Büro meistens nicht unter einer halben Stunde „Stop and Go“ zurückzulegen. Öffentliche Verkehrsmittel seien aber keine Alternative, weiß der Manager für Prozessorganisation aus Erfahrung. „Man glaubt gar nicht, wie viele Menschen sich noch in eine randvolle U-Bahn quetschen können“, sagt er. Bei der Entscheidung pro Auto spiele aber noch etwas anderes eine große Rolle: Die Koreaner sind sehr statusgetrieben. Sprich: je größer das Auto, desto besser. Einem Umstand, den sich der Irfersdorfer nicht immer entziehen kann.

Während er sich in dieser Hinsicht also anpasst, muss Michael Pfaller manchmal ganz bewusst „anders“ sein. Er spiele in der Arbeit oft den bösen Bullen, berichtet er. Denn der Koreaner als solcher könne nicht „Nein“ sagen und umschreibt Dinge lieber so lange, bis sein Gegenüber die negative Botschaft versteht. Ihm als Deutschen würden sie die Unhöflichkeit verzeihen, wenn er nach längerem Hin und Her einmal eine Diskussion oder Anfrage entsprechend direkt beende. „Ich spiele manchmal nach Absprache den bösen Bullen.“

Grundsätzlich komme ihm für die koreanische Mentalität aber seine Geduld zu Gute, sagt Pfaller. So gelte bei einem ersten Geschäftskontakt etwa, dass über das Geschäft nicht geredet wird. Es gehe dann um Familie, Hobbys, im Grunde Belangloses. Damit drücke man seine Wertschätzung aus, erklärt der Irfersdorfer, der froh ist, dass ihm seine 24 Kollegen in der Firma immer mit entsprechenden Hinweisen zur Seite gestanden hätten.

„Die Deutschen tun sich schwer mit der Mentalität“, lautet seine Erfahrung. „Geht nicht“, „haben wir nicht“ oder „das haben wir noch nie so gemacht“, sind Sätze, die einem Koreaner nie in den Sinn kommen würden, sagt der 31-Jährige. Der große Erfolg des Landes, in dem neben Hyundai auch Samsung zu Hause ist, schreibt er der Philosophie zu, dass das gebracht werde, was der Kunde wolle. Pfaller findet auch, dass Südkorea von Deutschland extrem unterschätzt werde. „Das ist ein Hochlohnland, eine Industrienation mit guter Infrastruktur und vielen reichen Leuten“, macht er klar. „Da fährt auch keiner mehr mit der Kutsche“. Im Gegenteil: U-Bahn, Einkaufen, Kinokarte – alles wird fortschrittlich per Handy bezahlt.

Neben der Arbeit am Schreibtisch – in seinem Büro werden von der technischen Beratung über die Auftragsbestätigung bis zur Auslieferung alle Schritte koordiniert und überwacht – ist also die Pflege von Beziehungen ein nicht zu unterschätzender Aufgabenbereich. Mit einer weiteren Herausforderung: Die Asiaten sind nicht nur als trinkfest bekannt – im günstigsten Fall hat man die Wahl zwischen Bier und Soju, einem Kartoffelschnaps. Dieser wird gerne auch in Kombination mit Whiskey getrunken und heißt dann Sojubomb. Das Essen ist oftmals gewöhnungsbedürftig. Aber auch mit noch zuckenden Tentakeln von Tintenfischen samt scharfer Soße könne man sich anfreunden, schmunzelt Pfaller. Derart Exotisches komme ihm aber nur bei Geschäftsterminen auf den Teller, im Alltag greift er lieber zu Bibimbab (Reis, Gemüse, Soße) oder korean barbecue.

An noch etwas hat sich der Wahl-Seouler gewöhnen müssen. Laut koreanischem Brauch können nur Gleichaltrige befreundet sein. Die erste Frage lautet daher nicht, ob man sich sympathisch sei, sondern, ob man das gleiche Alter habe. „Korea ist sehr hierarchisch strukturiert“, berichtet Pfaller von dem Umstand, der sich in seinem Arbeitsalltag auswirkt. Denn mitunter müsse eine Information, die im besten Fall zugerufen werden könnte, über zwei Stationen den „Instanzenweg“ durchlaufen. Die Grundregeln seien einfach: Einer redet, einer hört zu und der Ältere steht in der Hierarchie weiter oben. Mit den Arbeitszeiten in Deutschland ist Michael Pfallers Leben nicht vergleichbar. Zwölf, 13 Stunden am Tag sind Usus – ohne Kundentermine. Freizeit ist folglich rar, Unternehmungen konzentrieren sich aufs Wochenende. Da ziehen die „jungen Deutschen“ – die Zahl der Gastarbeiter unter 45 Jahren ist überschaubar – dann gerne um die Häuser. Abstecher in andere Landesteile hat der Irfersdorfer schon gemacht, aber auch noch einiges auf seiner Liste, die bis zur Rückkehr im September 2014 abgearbeitet werden will. Auf diese freue er sich aber nicht nur wegen weniger Staus. „Natur und Landschaft am Altmühlberg fehlen mir manchmal.“