Hilpoltstein
Europa der Dörfer

Mit den Leader-Förderprogrammen unterstützt die EU viele kleine Projekte im Landkreis Roth

24.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:08 Uhr
  −Foto: Leader, Kofer, Mücke, Karch

Hilpoltstein (HK) "Bürger gestalten ihre Heimat. " Das ist das Motto von Leader, dem europäischen Förderprogramm für den ländlichen Raum. Seit 2003 fließen über Leader Gelder auch in den Landkreis Roth.

In der Förderperiode von 2014 bis 2020 steht ein Budget von rund 1,16 Millionen Euro für Einzelprojekte zur Verfügung, für Landkreis übergreifende Kooperationsprojekte wie den neuen Fränkischen Wasserradweg von Rothenburg nach Beilngries stehen noch einmal 400000 Euro zur Verfügung. Beide Fördertöpfe sind nahezu ausgeschöpft, erklärt Nadine Menchen, vom Verein ErLebenswelt Roth.

Seit 2015 sind im Landkreis 29 Leader-Projekte gefördert worden. Zwischen 50 und 60 Prozent Zuschuss gibt es für förderfähige Maßnahmen. Besonders profitiert hat davon Allersberg. Für die Ausstellung im Gilardianwesen flossen aus der Leader-Kasse knapp 83000 Euro und für den Garten der Begegnung im Altenheim der Wolfsteiner Stiftung rund 187000 Euro. Ein Familienerlebnispfad am Heidecker Schlossberg wird mit fast 84000 Euro unterstützt. Auch die neue Rollsportanlage auf dem Hilpoltsteiner Jugendplatz soll gefördert werden. Aber auch kleine Vorhaben wie der Wohnmobilstellplatz in Thalmässing werden unterstützt, dieser erhält 7200 Euro.

"Wir fördern auch viele Kleinprojekte mit geringen Summen. Für viele kleinere Vereine ist das trotzdem eine wertvolle Hilfe", sagt Nadine Menchen. Dass es nicht immer das große Geld braucht, um Dinge anzustoßen, zeigt das Beispiel der Jugendzukunftswerkstätten. 6750 Euro kostete das Projekt des Kreisjugendrings, das in allen 16 Kommunen Station gemacht hat. Dort konnten die Jugendlichen einen Tag lang Ideen für ihren Ort entwickeln und den Bürgermeistern und Stadträten vortragen. Neben dem Skaterplatz in Hilpoltstein entstanden witzige Ideen wie der Dorfstrand mit Pool, Sand und Sonnenliegen, den sich die Jugendlichen in Regelsbach wünschten. Der wurde vergangenen Sommer im Pfarrgarten eröffnet. ErLebenswelt steuerte 1000 Euro dazu. "Jede Zukunftswerkstatt kann ein Projekt beantragen", verspricht Menchen. Dazu müsse man keinen großen bürokratischen Aufwand betreiben. Interessierte müssen ihre Idee nur dem Verein vorstellen und begründen.

Viel wichtiger als die finanziellen Mittel sei aber der Gedanke der Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg, sagt Bernhard Böckeler, ehemaliger Allersberger Bürgermeister und Vorsitzender des Vereins ErLebenswelt Roth. "Leader hilft, dass der Vernetzungsgedanke mehr in den Blick rückt. Das kann man mit Geld gar nicht messen. " Um an die EU-Fördermittel zu kommen, brauche man eine Institution. Im Landkreis Roth entschied man sich 2003, dafür einen Verein zu gründen. Der Vorstand des Vereins entscheidet über die Gelder. In ihm sitzen 33 Mitglieder aus 15 Landkreisgemeinden, nur Greding hat sich der lokalen Aktionsgruppe Jura-Altmühl angeschlossen, Organisationsform ist hier eine GmbH.

Hat ein Verein oder eine Kommune eine Idee, die nicht unter die klassischen Programme der Städtebauförderung oder der Dorferneuerung fallen, wenden sie sich oft an die ErLebenswelt Roth. Anlaufstelle ist die Geschäftsstelle im Landratsamt. Dort klopfen Nadine Menchen und ihre Kollegin Sina Mixdorf das Projekt nach Förderkriterien ab. Unterstützt werden Initiativen, die den Tourismus fördern, den demographischen Wandel gestalten, erlebbare Beteiligung von Jugendlichen unterstützen oder den ländlichen Kulturraum erhalten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Bürgerbeteiligung und der Nachhaltigkeit. Ein weites Feld.

Die Geschäftsstelle prüft dann, ob eines oder mehrere Förderkriterien erfüllt werden, stellt die Unterlagen zusammen und reicht sie beim Amt für Landwirtschaft in Uffenheim ein, das zuständig ist für sämtliche Leader-Projekte in Mittelfranken. "Das ist ein Prozess, der sich über mehrere Monate hinzieht. Der bürokratische Aufwand ist hoch. Er hat im Laufe der Jahre zugenommen", sagt Menchen.

Die Bürokratie kostet auch Geld. Eineinhalb Stellen umfasst die Geschäftsstelle der ErLebenswelt, bezahlt werden Menchen und Mixdorf aus dem Budget von 1,16 Millionen. Außerdem zahlt jede der beteiligten Gemeinden 5000 Euro pro Jahr an den Verein, der Landkreis steuert 12000 Euro bei.

Und was hat das alles mit Europa zu tun? "Europa lebt auch davon, dass die regionale Identität gestärkt wird", sagt Bernhard Böckeler. Das habe nichts mit Nationalismus zu tun. "Wenn sich die Menschen vor Ort nicht verstehen, brauchen sie nicht nach Europa aufbrechen. " Für Nadine Menchen war das Gemeinschaftsprojekt zwischen Kammerstein und einem niederösterreichischen Ort zum Thema Exulanten, also evangelischen Glaubensflüchtlingen vom 16. bis 18. Jahrhundert, die in Kammerstein eine neue Heimat gefunden haben, ein Schlüsselerlebnis. Bei einem Besuch in Kammerstein hätten sich die Kinder so schnell verstanden, dass man nach einer Stunde nicht mehr gewusst habe, wer von wo stamme. Auch die Schulleiter hätten sich gleich angefreundet und eine Schulpartnerschaft ins Auge gefasst. "Ein europäischer Gedanke", sagt Menchen.
 

Robert Kofer