München
Gas, Sonne, Wind und Trasse: Energiemix soll es richten

04.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:49 Uhr
Eine Stromtrasse. −Foto: Nicolas Armer/Archivbild

Neue Windräder sind seit Jahren in Bayern tabu, genau wie Stromtrassen. Der absehbare Ausstieg von Atom und Kohle setzt den Freistaat aber unter Druck. Die Lösung soll ein Mix mit vielen Kompromissen liefern.

Mehr Photovoltaik, weniger Stromtrassen, neue Perspektiven für Gaskraft und sogar ein wenig mehr Flexibilität bei der Windkraft: Mit verschiedenen neuen Ansätzen und Vorgaben will die bayerische Staatsregierung drohende Energieengpässe und steigende Strompreise im Freistaat verhindern. Dies teilten am Dienstag Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in München nach einer Sitzung des Kabinetts mit. „Wir setzen damit ein Signal, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen und vorausgehen“, sagte Söder. Bis 2050 wolle Bayern klimaneutral werden, zugleich sei es aber auch wichtig, die Energiewende ohne Verbote, sondern mit Anreizen voranzubringen.

Für besondere Aufmerksamkeit dürften zwei Punkte sorgen: Zum einen der Verzicht auf den Bau der Stromtrasse „P44“ von Altenfeld beziehungsweise Schalkau in Thüringen nach Grafenrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) und zum anderen die Akzeptanz der Staatsregierung für den Bau der Entlastungstrasse „P43“ in ihrer ursprünglichen Form von Mecklar in Hessen nach Grafenrheinfeld. Die Wechselstromleitung „P43“ soll wie der Süd-Link und der Süd-Ost-Link unterirdisch verlegt werden. Der Netzbetreiber Tennet betonte, dass dies nun aber noch offiziell im Bundesgesetz festgeschrieben werden müsse.

Die Staatsregierung - und insbesondere Aiwangers Freie Wähler - hatten sich immer klar gegen den Bau beider Trassen ausgesprochen. „Ich sehe die bundespolitische Beschlusslage, und kann nichts dagegen machen“, gab Aiwanger nun zu. Söder sagte, ihm sei wichtig, dass der Freistaat energiepolitisch nicht mehr isoliert sei.

Nachdem der Bund den Ausstieg aus der Kohleenergie bis spätestens 2030 beschlossen hat und bereits Ende 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, fürchtet Bayern um die Zukunft der eigenen Energieversorgung. Zum Schutz vor Engpässen setzt der Freistaat insbesondere auf Gas-Reservekraftwerke. Aiwanger zufolge sollen in Süddeutschland rund 1,2 Gigawatt Reservekapazitäten neu entstehen, die bei Bedarf ins Netz eingespeist werden können. Ein „Südbonus“ solle dafür sorgen, dass der Kraftwerksbau auch wirtschaftlich lohne. Wie groß die Bedarfslücke konkret ausfalle, solle umgehend ermittelt werden.

Da der Ausbau von Windkraftanlagen in Bayern wegen gesetzlicher Hürden seit Jahren praktisch zum erliegen gekommen ist, setzt die Staatsregierung bei den nachhaltigen Energieträgern primär auf die Sonnenenergie. Dazu dürfen künftig 70 statt wie bisher 30 Genehmigungen für Freiflächenanlagen erteilt werden. Anfang 2020 soll evaluiert werden, ob es dadurch zu Flächenkonflikten mit der Landwirtschaft kommt oder nicht. Aiwanger rechnet mit bis zu einem Gigawatt Energiegewinn.

Die Koalition zeige, dass sie mit schwierigen Themen pragmatisch umgehen könne, sagte Söder. Diesen Pragmatismus erhoffe sich die Staatsregierung auch von den Kommunen beim Ausbau von Windkraftanlagen. Trotz der geltenden 10-H-Regelung sei ein Ausbau per Beschluss einer Kommune möglich. Laut Aiwanger sollen nun Kommunen gezielt angesprochen werden, um Kapazitäten auszuloten. Die 10-H-Regel besagt, dass der Mindestabstand eines Windrades von Wohnsiedlungen zehn Mal so weit sein muss wie die Anlage hoch ist.

Söder und Aiwanger erhoffen sich von den Maßnahmen nicht nur mehr Planungssicherheit für potenzielle Investoren und ansässige Unternehmer. Perspektivisch sollen auch die Strompreise dadurch nicht mehr steigern oder sogar wieder sinken.

dpa