Schrobenhausen
Glaubwürdigkeit als wichtigstes Gut

Der früherer Ministerpräsident Günther Beckstein zu Gast bei der Katholischen Erwachsenenbildung

04.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:17 Uhr
Kurzer Talk vor dem Vortrag: (v.l.) KEB-Vorsitzender Stephan Witetschek, Landrat Peter von der Grün, Referent Günther Beckstein und Rudi Peterke, der viele Jahre mit Beckstein der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag angehörte. −Foto: Mayer

Schrobenhausen (SZ) Besuche von Ministerpräsidenten gehören in Schrobenhausen nicht zur Tagesordnung.

Am Montagabend war nun der CSU-Politiker Günther Beckstein bei der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) zu Gast. Sein Vortrag gewann viel Substanz durch den Rückblick auf die Zeit als bayerischer Innenminister; diese Jahre bedeuten ihm offenbar weit mehr als die kurze Phase, in der er Landesvater war.

Der immer noch engagierte Politiker - KEB-Vorsitzender Stephan Witetschek skizzierte Becksteins politische Vita - kam auf das Fragezeichen seiner Themaformulierung zu sprechen: "Christliche Politik? " Beckstein machte die christliche Orientierung seiner Entscheidungen deutlich. Aber er erwähnte die immer wieder zitierte Trennung von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, die der Politik-Theoretiker Max Weber formuliert hat; im Privaten ist es leicht, Gesinnungsethik zu pflegen, aber ein Politiker mit Amt und Macht ist dem (demokratischen) System verantwortlich, das nur funktionieren kann, wenn er sich an die Gesetze hält und sie durchsetzt.

Beckstein stellte dar, wie man aus katholischer oder protestantischer Sicht unterschiedlich an politische Tätigkeit herangeht. Keinen Zweifel ließ er dabei an der Erkenntnis "Politik verändert die Persönlichkeit! " Um auch als Minister auf dem Boden zu bleiben, galt ihm in seinem Büro eine Statue des Hl. Antonius von Padua als Mahnung - ein katholischer Heiliger im Amtszimmer eines Protestanten! Antonius habe sich "mit denen ganz unten" eingelassen.

Bayern sei zu seiner Zeit als Innenminister das sicherste Bundesland geworden, erinnerte Beckstein, und zeigte auf, welche Belastung einer dafür zu tragen hat: "Wenn Sie ein spannendes Leben haben wollen, machen Sie Innenminister! " So musste er, um weitere Gewaltverbrechen zu verhindern, dreimal den Schießbefehl geben, den finalen Rettungsschuss. Diese Zuständigkeit sei dann durch seine Initiative dem höchsten Polizeiorgan im Land übertragen worden.

Das Thema Ausländer und Asyl, so Beckstein, sei schon lange vor dem Jahr 2015 hoch aktuell gewesen, gerade in den 1990er Jahren. Damals seien Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, auch viele Juden aus Russland. Die unkontrollierte Öffnung der Grenzen im Spätsommer 2015 sieht Beckstein immer noch als Fehler, er habe damals sofort Einspruch erhoben. Natürlich musste man angesichts der verzweifelten Menschen in Ungarn unbedingt helfen, aber Kontrolle hätte sein müssen! Beckstein widerspricht dem damaligen Bundesinnenminister de Maizière, der vor "unschönen Bildern" bei Kontrollen gewarnt habe; diese Sicht sei kein Argument. Derzeit handle die Bundesregierung richtig. Zu Angela Merkels Wort "alternativlos" meinte Beckstein: "Demokratie lebt von der Alternative. "

Den christlichen Auftrag zur "Bewahrung der Schöpfung" verband Beckstein mit Umweltschutz und Energiewende. Zum einen müsse der Bezug von Umweltmaßnahmen und guten Lebensverhältnissen ausgewogen sein, zum anderen habe er vielfach erfahren, wie in anderen Ländern auf die deutsche Energiewende geblickt werde; die Entscheidung an sich werde gutgeheißen, die Umsetzung aber als missglückt abgelehnt.

Was den christlichen Politiker nach wie vor erschüttert, ist der maßlose Kapitalismus, der die soziale Marktwirtschaft missachtet. Bei einem Besuch an der Wallstreet habe er mitbekommen, wie Tag für Tag per Mouseclick Milliarden Dollar hin- und hergeschoben werden. Als die Politik in der Finanzkrise 2009 die Vorstandsgehälter der großen Institute deckeln wollte, habe die nächst untere Ebene der Investment-Manager ihre Boni - weit höher als Vorstandsgehälter - per Gericht durchgesetzt.

Positiv sieht Beckstein das in Deutschland geübte Nebeneinander von Kirche und Staat. Bei aller Trennung gebe es eine gute Beziehung, und wo der Staat nach Recht und Gesetz handeln muss, könnten die Kirchen auf ihre Weise vielfach Hilfe geben. Sorgen macht ihm, wie die gesellschaftliche Kraft der Kirchen sichtbar abnimmt.

Stephan Witetschek, der schon in der Programmplanung den Beckstein-Vortrag hoch angesetzt hat, zeigte sich sehr zufrieden vor den bald hundert Zuhörern, darunter ein großer Kreis aus dem Katholischen Frauenbund; Witetschek sieht den Abend als ein Highlight im Jahreslauf.

Eine kurze Moderation gab es zu Themen wie Containern und das Abtreibungsgesetz, auch zur Frage, ob ein Politiker lügen darf. "Lügen fliegen irgendwann auf", meinte Beckstein, aber ein Politiker könne sich vor schwierigen Fragen retten, wenn er "nicht die ganze Wahrheit" sagt. Aber: "Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Gut eines Politikers. "

Franz-Josef Mayer