"Die Hauptsache ist, dass es pusht"

31.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:26 Uhr
Anspannung und Vorfreude: Die Pfaffenhofener motivieren sich für das anstehende Spiel, nachdem Trainer Christian Haslauer Anweisungen an der Taktiktafel gegeben hat −Foto: Stolle

Die Umkleidekabine ist für Sportler mehr als der Ort, an dem man Straßenklamotten gegen Trikot tauscht. Hier werden zusammengewürfelte Athleten zu Mannschaften, hier kann Anspannung förmlich aus der stickigen Luft geschnitten werden, hier werden Trauer geteilt und Siege gefeiert. Teil 2 der PK-Serie "Kabinengeheimnisse" öffnet die Tür zu den heiligen Hallen der Bezirksoberliga-Handballer des MTV Pfaffenhofen

 

Pfaffenhofen - Die richtige Mischung zwischen Lockerheit und Disziplin beginnt nicht erst auf dem Spielfeld, sondern schon in der Kabine. Christian Haslauer, seit rund zwei Jahren Trainer der Männermannschaft des MTV Pfaffenhofen, weiß das noch aus seiner Zeit als Spieler. Auch wenn wegen der Corona-Krise noch nicht klar ist, wie die Saison gewertet wird: Die Pfaffenhofener haben als Aufsteiger gute Chancen auf den Klassenerhalt und befinden sich im mittleren Tabellendrittel der Bezirksoberliga. Trainer Haslauer und Kapitän Sebastian Aigner berichten von Aufgaben, die sich um Schönheit und Hygiene drehen, flachen Hierarchien und einer nahezu optimalen Kabinenausstattung.

Ausstattung

Wahrscheinlich weiß niemand besser, wie wichtig Trinken für das menschliche Wohlbefinden ist als die MTV-Handballer. Deshalb stehen in der Kabine der Pfaffenhofener bei jedem Spiel isotonische und weniger isotonische Getränke bereit. "Wir haben im Training und bei den Spielen immer einen Kasten mit Bier, Radler und Spezi dabei", sagt Teamkapitän Aigner. Aber auch sonst ist für alles gesorgt, was für eine seriöse Spielvorbereitung (Bananen, Tape) und Spielnachbereitung (Musikbox) benötigt wird. Trainer Haslauer befestigt zudem immer eine Taktiktafel an der Wand. "Damit besprechen wir, was wir uns fürs Spiel vornehmen und die Aufstellung", sagt er. Mehr braucht es eigentlich nicht, Aigner und Haslauer sind mit dem Equipment in den Umkleidekabinen zufrieden. Wenn sie aber einen Wunsch frei hätten, würden beide die Dienste eines Physiotherapeuten wählen. Genauso äußerte sich übrigens schon Eishockeyspieler Nick Endreß vom EC Pfaffenhofen in Teil 1 der Kabinengeheimnis-Serie. Die Sehnsucht nach Experten, die anfallende Wehwechen aus dem Körper massieren, scheint im Amateursport groß zu sein.

 

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Spitzentennis ohne Aberglaube und Musik

Musik

Für die Playlist in der Kabine der MTV-Handballer ist Rückraumspieler Lukas Loibl verantwortlich. "Dieses Amt hat er an sich gerissen", sagt Aigner und lacht. Loibls Auswahl trifft aber den Mehrheitsgeschmack der Mannschaft. Vor dem Spiel laufen zu Zwecken der Motivation laute Rock-Songs. Die Musikbox gibt das laut Haslauer auch her. "Da scheppert es richtig", sagt der Trainer, der eher Hip Hop bevorzugt. "Die Hauptsache ist, dass es pusht". Da stört es auch nicht, dass man sich manchmal "kaum unterhalten kann", wie Haslauer berichtet. Interessantes Detail: So wie heutzutage lief auch zu Haslauers Zeit als aktiver Handballer in Pfaffenhofen gerne mal Linkin Park in der MTV Kabine. Es gibt aber auch Tage, da driftet die Musikauswahl bei der heutigen Generation Richtung Malle-Hits ab. "Ich bin da mittlerweile auch auf den Trichter gekommen", sagt Aigner.

Rituale

Aberglaube ist bei der Spielvorbereitung der Pfaffenhofener kein Thema. Auch strikt geregelte Zeitpläne gibt Haslauer seinen Spielern nicht vor. "Manche brauchen länger, um sich fertig zu machen, andere nicht. So ist das halt." 45 Minuten vor Anpfiff gibt es eine Taktikbesprechung, eine Viertelstunde später startet das Team mit dem Warmlaufen. Unmittelbar vor dem Anpfiff kommen die Pfaffenhofener zusammen. "Da werden dann noch zwei, drei Punkte angesprochen", sagt Aigner, "und dann rufen wir alle ,Jetzt scheppert's'".Aufgaben"Jeder Spieler hat bei mir eine Aufgabe", sagt Trainer Haslauer, der auf Ordnung und Disziplin in einer Mannschaft großen Wert legt. So ist Rückraumspieler Loibl nicht nur für die Musikauswahl, sondern auch für die Zufuhr von Bananen und Iso-Drinks verantwortlich. Die beiden Aigner-Brüder Sebastian und Maximilian üben das Amt des Bierwarts aus, Dominik Englisch ist dafür zuständig, dass die Banner, welche Heimspieltage ankündigen, in der Stadt aufgehängt werden. Ein skurriles Amt bekleidet dagegen Lukas Zach, der ist nämlich Beauty-Wart. "Er hat Shampoo, Gel und Deo dabei, falls das wer vergessen hat", sagt Aigner. Zach ist zudem auch Aigners Stellevertreter als Kapitän. Einen Mannschaftsrat gibt es aber laut Aigner nicht, "um die Hierarchien flach zu halten". Komplett irrelevant ist Erfahrung im Pfaffenhofener Mannschaftsgefüge aber nicht. "Die vier jüngsten Spieler müssen nach den Trainingseinheiten oder den Spielen immer die Tore abbauen", sagt Aigner. Und auch der Trainer bindet gerne die älteren Spieler stark in seine Überlegungen ein. "Ich frage Christoph Schneider und Thomas Zander bevor ich eine Entscheidung treffe oft nach ihrer Meinung", sagt Haslauer.

Strafenkatalog

Als Haslauer die Männermannschaft des MTV übernahm, sei die Disziplin ausbaufähig gewesen. Inzwischen "kann man da gar nichts sagen, das läuft sehr gesittet und geordnet ab", sagt Haslauer. Der Strafenkatalog der Mannschaft umfasst etwa 20 Punkte. Neben Klassikern wie Verspätung und vergessene Ausrüstung werden auch Zeitstrafen wegen Meckerns geahndet. Allerdings zieht nicht jedes Vergehen eine Geldstrafe nach sich, "manches wird auch in Bier entlöhnt", erklärt Aigner. Die Beträge wurden in einer Mannschaftssitzung gemeinsam festgelegt und werden "gnadenlos durchgezogen", sagt Haslauer. Kassenwart Zach ist für das Eintreiben der Strafbeträge zuständig, von dem Geld werden Busfahrten, um andere MTV-Mannschaften anzufeuern, oder Saisonabschlussfeiern finanziert. Wie es sich für ein anständiges Handballteam gehört, ist auch der eine oder andere amüsante Eintrag im Strafenkatalog der Pfaffenhofener zu finden. Wer nach einem Spiel Hopfensaft verschüttet, macht sich laut Aigner des "Biermords" schuldig, und wer sein großes Geschäft in der eigenen Kabine verrichtet, muss 50 Euro bezahlen.

PK

 

Christian Missy

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