Stadt sei „weltoffen und tolerant“

OB begrüßt Protest gegen Veranstaltung von rechter Gruppe ZFI

07.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:40 Uhr

Man kennt sich: Ein Teilnehmer eines Treffens der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt betrachtet die Proteste, die sich seit Jahren gegen die rechte Vereinigung in der Stadt formieren. Foto: Hauser (Archiv)

Ein Bündnis christlicher, politischer und bürgerlicher Gruppen stellt sich einmal mehr gegen eine Veranstaltung der Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt. Die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) – die zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet und als „rechtsextrem“ eingestuft wurde – kommt am Samstag, 10. Juni, zu ihrer Frühjahrstagung im VHS-Gebäude zusammen.



Der Verein setzt sich nach eigenem Bekunden für „ein realistisches, tatsachengerechtes Bild der deutschen Zeitgeschichte“ ein. Dabei werden in Publikationen und bei Veranstaltungen Positionen vertreten, die als geschichtsrevisionistisch gelten. Unter anderem wird die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg relativiert.

Gegründet wurde die ZFI 1981 vom 2015 gestorbenen Ingolstädter „Historiker und Patrioten“ (ZFI) Alfred Schickel, der unter anderem als Geschichtslehrer am Gnadenthal-Gymnasium tätig war. Die ZFI wurde – zumindest zeitweise – vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Jahresbericht 2019 wurde sie zunächst als „rechtsextrem“ geführt, wogegen der Verein klagte und vor dem Verwaltungsgericht München recht bekam. Der Freistaat hat Berufung eingelegt, noch steht ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dazu aus. Aus diesem Grund will man sich beim Amt für Verfassungsschutz derzeit auf Anfrage des DONAUKURIER nicht zur ZFI äußern. Auch nicht zur Frage, ob der Verein aktuell unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Dass die ZFI ihre stramm rechten und revisionistischen Überzeugungen allerdings weiter pflegt, belegt ein Blick auf ihre Webseite.

Seit Jahren gibt es Protest gegen die ZFI

Etlichen Ingolstädterinnen und Ingolstädtern ist es ein Gräuel, dass die ZFI regelmäßig in städtischen Gebäuden auftritt. Die Versammlungen in der VHS werden jedes Mal von Protesten des Bündnisses Ingolstadt ist bunt begleitet. Auch an diesem Samstag ruft es alle Ingolstädterinnen und Ingolstädter auf, ab 11 Uhr auf dem Carraraplatz ein Zeichen gegen Geschichtsrevisionismus zu setzen.

Oberbürgermeister Christian Scharpf bezieht klar Stellung: „Ingolstadt ist eine weltoffene, tolerante und vielseitige Stadt. Wir stehen für ein solidarisches Miteinander und gegenseitigem Respekt. Dazu gehört auch ein kritischer Umgang mit unserer Vergangenheit und die Überzeugung, dass einem geschichtsrevisionistischen Gedankengut nicht nachgegeben werden darf“, stellt er auf Anfrage des DONAUKURIER klar. Er begrüße den Aufruf zum Protest gegen die Versammlung deswegen ausdrücklich. „Ich danke allen Ingolstädterinnen und Ingolstädtern, die am Samstag auf dem Carrara-Platz zeigen, dass Ingolstadt bunt ist.“

Die ZFI ficht das nicht an. Wie der Vorsitzende Stefan Scheil dem DK auf Nachfrage schreibt, komme man mit solchen Veranstaltungen wie am Samstag dem „Bildungsauftrag“ des Vereins nach. Der Protest „linker und linksextremistischer Gruppierungen“ sei gegenstandslos und repräsentiere nicht die Mehrheit Ingolstadts. Scheil führt Scharpfs Äußerungen auf „Fehlinformationen“ zurück. Außerdem sei es „schon wunderlich“, dass sich der Oberbürgermeister einer Stadt „öffentlich gegen die Tätigkeit eines dort eingetragenen Vereins ausspricht“. Er erinnert außerdem daran, dass ZFI-Gründer Schickel 1989 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden sei.

2019 verhinderte die Stadt die Versammlung des Vereins

Auch im Stadtrat wurde in den vergangenen Jahren immer wieder über die ZFI debattiert. Harsche Kritik gab es 2007 am damaligen Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU), der bei der ZFI ein Grußwort gesprochen hatte. Immer wieder wurde gefordert, gegen die rechte Gruppierung vorzugehen.

Die Versammlungen des Vereins in der VHS zu verbieten, sei nicht so ohne Weiteres möglich, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. „Nur wenn eine Organisation vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft ist, kann die Stadt die Vermietung von Räumlichkeiten ablehnen.“ Als diese Einschätzung der ZFI 2019 öffentlich wurde, reagierte die Stadt und verwehrte dem Verein den Rudolf-Koller-Saal für seine damalige Herbsttagung. Da die Einstufung der ZFI aktuell aber „gekippt“ sei, gebe es keine juristische Handhabe mehr, die Versammlung am Samstag zu verhindern. „Zwar könnte die Stadt Ingolstadt grundsätzlich auf eine Anmietung von Räumen durch politische Parteien oder Gruppierungen verzichten. Aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes dürfte damit aber überhaupt keine politische Partei oder Gruppierung mehr in Räumen der VHS, des Stadttheaters oder anderer städtischer Räume Veranstaltungen durchführen“, schreibt die Stadt. Und so gibt es auch keine rechtliche Handhabe gegen das „Alternative Automobilforum“ der AfD, das eine Woche später ebenfalls im Rudolf-Koller-Saal stattfindet.

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