Mit
Jochen Behle: Hier ist Behle

Der ehemalige Langläufer und heutige Bundestrainer Jochen Behle über die deutsche Randsportart und eine legendäre Frage

03.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:59 Uhr

 

Mit Jochen Behle als Bundestrainer der Skilangläufer ging es bergauf. Der ehemalige Weltklasseathlet und heute 51-Jährige gilt als ein akribischer Arbeiter und hervorragender Stratege. Quasi über Nacht wurde Behle in Deutschland bekannt, als er 1980 als junger Langläufer beim olympischen 15-km-Langlauf in Lake Placid lange Zeit nach der ersten Zwischenzeit führte, aber nicht im Bild gezeigt wurde, und der ZDF-Reporter Bruno Moravetz dies mit dem mehrfach geäußerten Spruch „Wo ist Behle“ kommentierte.

„Wo ist Behle?“. Wie oft haben Sie diese Frage in Ihrem Leben schon gehört?

Behle: Es ist eine große Zahl. Das höre ich beinahe täglich.

 

Nervt Sie das nicht?

Behle: Das kann ich nicht sagen, ich verbinde ja nichts Negatives mit dem Spruch. Ich habe mich angenehm daran gewöhnt.

 

Bruno Moravetz, von dem der Spruch stammt, ist 90 Jahre alt geworden. Haben Sie gratuliert?

Behle: Selbstverständlich. Ich habe angerufen, da ich leider nicht persönlich vorbeikommen konnte. Wir haben ein paar Anekdoten für ihn zusammengefasst – klar, dass ich da auch mit dabei war.

 

Blicken Sie mit Ihrem ehemaligen Trainer Fritz Becker manchmal in Wehmut zurück?

Behle: Wir haben uns damals als Zwei-, Drei-Mann-Team durchgeschlagen, was nicht immer einfach war. In dieser Form ist das heute nicht mehr denkbar. Kleine Trainingsgruppen sind ein guter Weg in der Zukunft, weil sie sehr individuell sind. Im Winter aber kann es nur über die Mannschaft gehen, weil das Umfeld stehen muss. Das war früher anders – und diese Zeit wird auch nicht mehr zurückkommen. Wehmut gewinne ich dem nicht ab, trotzdem war es eine schöne Zeit.

 

Als Langläufer haben Sie einen Weltcupsieg errungen. Warum sind es nicht mehr geworden?

Behle: Zur damaligen Zeit war ja schon das eine Ausnahme. Es ist ähnlich wie heute: Die Skandinavier dominieren so, dass wir eher um die Position des besten Mitteleuropäer kämpften.

 

Wären Sie gerne heute ein Aktiver?

Behle: Jeder hat seine Zeit. Heute wären ein paar attraktive Wettkampfformen dabei, die mir gelegen hätten – wie der klassische Sprint. Langlauf hat mittlerweile einen anderen Stellenwert, obwohl wir in Deutschland nach wie vor eine Randsportart sind. Alle Weltcups werden übertragen, wir waren früher nur bei Olympia oder Weltmeisterschaften präsent. Das hat sich verschoben, aber ich bin ja trotzdem noch in der Szene.

 

Langlaufen ist populär.

Behle: Stimmt, aber wenn ich das mit Biathlon vergleiche, muss man akzeptieren, dass sich der Ski Weltverband Fis manchmal noch selbst im Weg steht. Man könnte den Langlauf noch wesentlich attraktiver gestalten.

 

Das heißt, Sie sind mit der Arbeit von Renndirektor Jürg Capol, dem Erfinder der Tour de Ski, nicht zufrieden?

Behle: Er ist einer der innovativ Denkenden in der Fis, aber es sind noch ein paar Dinge, die er nicht umgesetzt hat oder mit denen er sich in der Fis nicht durchsetzen kann. Im Biathlon gibt es Blockveranstaltungen, wir müssen mit riesen Truppen und einem riesigem Aufwand zu je einem Rennen fahren. Da können wir von den Biathleten noch einiges lernen.

 

Sie sind seit 2002 Bundestrainer, haben von Angerer bis Nystad viele Erfolge gefeiert. Ihr Traumjob?

Behle: Wer sein Hobby zum Beruf gemacht hat, darf sich nicht beschweren. Es ist manchmal kein einfacher Job und auch keiner, den man in Stunden abrechnet. Aber er gefällt mir.

 

Der deutsche Langlauf macht derzeit ein Tief durch.

Behle: Wir überlegen viel, wie wir die Situation für die Zukunft besser gestalten, aber bei den Damen sind wir ganz ganz dünn aufgestellt – auch für die nächsten Jahre. Wir hoffen, dass Evi Sachenbacher-Stehle wieder einsteigt und im nächsten und übernächsten Jahr mit Leistung zur Verfügung steht. Aus dem Juniorenbereich können wir keine große Unterstützung erwarten.

 

Das bedeutet, Sind Sie eher als Krisenmanager denn als Bundestrainer gefragt?

Behle: Sind Erfolge da, ist alles einfacher. Aber wir sind keine Nation, die Jahr für Jahr Weltklasseleute produziert. Wir bleiben eine kleine Nation und haben in der Vergangenheit außergewöhnliche Erfolge erzielt Die werden aber schnell selbstverständlich. An denen wird man gemessen, damit muss man leben. Nur wir können sie nicht stetig reproduzieren. Da ist auch Krisenmanagement angesagt. Man muss Geduld bewahren.

 

Das fällt Sportlern sehr schwer.

Behle: Das ist für alle eine der größten Schwierigkeiten. Ich bin irgendwann geduldiger geworden, kann gut einschätzen, was unser Leistungspotenzial ist. Man kann nicht immer in der Öffentlichkeit sagen, wie man es wirklich sieht. Der Realismus ist in der Beziehung bei mir recht gut ausgeprägt. Daher kann ich besser damit leben, was nicht heißt, dass ich mich damit zufrieden gebe. Das sieht man mir dann auch an.