Dort,
Klaus Balkenhol: Der Goldsheriff

Verdammt lange her. Ehemalige Sportgrößen erinnern sich: Heute mit Klaus Balkenhol

28.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:00 Uhr

 

Dort, wo das Münsterland sich von seiner ländlichsten Seite zeigt, ist Klaus Balkenhol zu Hause. Der 72-jährige Reitmeister bewirtschaftet in der zu Rosendahl zählenden Bauernschaft Höven zusammen mit Ehefrau Judith, Tochter Anabel und sieben Angestellten einen schmucken 10 Hektar großen Ausbildungsbetrieb für Dressurpferde. Zu seiner aktiven Zeit war Klaus Balkenhol einer der weltbesten Dressurreiter, von 1996 bis 2000 arbeitete er als Bundestrainer, danach zeichnete er acht erfolgreiche Jahre für die Amerikaner als Nationalcoach verantwortlich.

Daheim entpuppte sich Nadine Capellmann als seine gelehrigste Schülerin. Sie wurde 2002 in Jerez de la Frontera Doppel-Weltmeisterin. Heute coacht Balkenhol neben seiner Tochter Anabel und Helen Langehanenberg die dreimalige britische Vize-Weltmeisterin Laura Bechtolsheimer, die auch als eine Favoritin auf den Olympiasieg gilt.

 

Herr Balkenhol, Sie sind als Gold-Sheriff in die Geschichte des Dressursports eingegangen. Weckt das positive Erinnerungen?

Klaus Balkenhol: Durchaus. Die Assoziation zur olympischen Goldmedaille passt doch prima. Ich war Polizist und hatte auf einem Polizeipferd namens Goldstern Team-Gold gewonnen.

Wenn Sie an Ihre Karriere zurückdenken, wann hat Sie der sportliche Ehrgeiz gepackt, und wie konnten Sie Sport und den Beruf als Polizist miteinander in Einklang bringen?

Balkenhol: Gesunden Ehrgeiz hatte ich schon immer. Zudem hatte ich mit meinem damaligen Staffelführer Otto Hartwig in Düsseldorf einen Vorgesetzten, der auf die klassische Art der Ausbildung setzte. Damit war meine Vorliebe für die Dressur geweckt. Alles andere ergab sich dann durch die Erfolge, die sich zunächst mit meinem Polizeipferd Rabauke einstellten. Durfte ich zunächst nur an fünf Turnieren rund um Düsseldorf teilnehmen, bekam ich später durch Ministererlass die Erlaubnis für die Teilnahme am überregionalen großen Sport.

Ihre Reiterkarriere ist mit zwei Pferdenamen fest verbunden, Rabauke und Goldstern. Beide Vierbeiner standen im Polizeidienst, waren mithin in der Geldsportart Dressur nur „Billigware“. Hat Sie diese Tatsache je belastet?

Balkenhol: Nein. Ich wurde in den Medien zwar oft als armer Polizist dargestellt, doch das stimmte nicht. Meine Familie konnte ich von meinem Gehalt gut ernähren. Für ein eigenes Pferd hat es zwar nicht gereicht, doch mein Polizeiberitt war auch gut genug, um mich auf internationalem Parkett behaupten zu können.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Aktiver?

Balkenhol: Eine Olympia-Teilnahme ist sicherlich für jeden Sportler das Größte, und wenn du dann noch Gold gewinnst, bekommen die Spiele eine besondere Bedeutung, zumal ich 1992 in Barcelona schon 52 Jahre alt war. Dennoch: Emotional das schönste Erlebnis war der Gewinn meines ersten nationalen Meistertitels 1991 in Münster.

Gibt es den sogenannten perfekten Ritt, und wenn ja, wann ist er Ihnen gelungen?

Balkenhol: Ich glaube schon. Mir ist der 1994 in Den Haag geglückt, und ich war damals fest davon überzeugt, den WM-Titel in der Tasche zu haben, denn die Vorstellung mit Goldstern war bis auf eine Klitzekleinigkeit fehlerfrei. Allerdings hatte es ein Richter anders gesehen. Ich musste mich in der Kür mit Platz zwei hinter Ankyvan Grunsven begnügen.

Richter stehen international immer wieder in der Kritik. Gibt es Grundsätzliches, was auch Ihnen nicht passt?

Balkenhol: Auch Richter sind nur Menschen, und Menschen machen Fehler. Das ist normal. Mir ist allerdings aufgefallen, dass ein Pferd, das immer gut war, auch bei fehlerhafter Vorstellung noch hoch bewertet wird, und eines, das immer schlecht war, auch nach einer guten Vorstellung weiter schlecht bewertet wird. Die Richter sollten einfach aufschreiben, was sie tatsächlich gesehen haben. Das bringt uns weiter.

Sie waren ein Spätberufener, denn Ihren ersten Grand Prix haben Sie erst mit 39 Jahren absolviert. Bedauern Sie den späten Einstieg in den Spitzensport?

Balkenhol: Nein. Wer fit ist, kann den Reitsport bis ins hohe Alter ausüben. Außerdem hatte ich Zeit, um viel über Pferde zu erfahren. Das ist ein erhebendes Gefühl und ein Geschenk, das mir zu Gute gekommen ist.

1996 sind Sie aus dem Leistungssport ausgestiegen und Trainer geworden. Was zeichnet einen guten Dressurcoach aus?

Balkenhol: Ich bin davon überzeugt, dass ein guter Trainer alles vormachen kann. Das fördert die Akzeptanz, und ohne die geht es nicht. Ich reite grundsätzlich jedes Pferd meiner Schützlinge persönlich. So kann ich ein Tier erfühlen und beim Training gedanklich mitreiten. Außerdem muss ein Trainer in jeder Hinsicht Vorbild sein.

Als Sie noch aktiv waren, war Deutschland unbestritten die Nummer eins in der Welt der Frackreiter. Heute hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Wo liegen die Gründe dafür?

Balkenhol: Andere Nationen haben aufgeholt, auch in der Zucht. Aber das ist doch gut. Dadurch wächst die Spannung. Ich rate aber zur Gelassenheit. Deutschland ist international immer noch sehr gut aufgestellt.

Aus Expertenmund hört man immer wieder, dass deutsche Pferde nicht mehr piaffieren können. Teilen Sie diese Ansicht?

Balkenhol: Davon kann doch überhaupt keine Rede sein. Ich könnte auch ein Dutzend deutscher Pferde nennen, die ebenfalls gut piaffieren können.

Die EM 2011 in den Niederlanden war zweifelsohne ein Tiefpunkt für die deutsche Dressurreiterei. Was sollte getan werden, um zumindest wieder in Schlagdistanz zu Nationen wie Holland und Großbritannien zu kommen?

Balkenhol: Wir müssen in der Ausbildung neue Akzente setzen, die Kaderreiter öfter in Lehrgängen auf große Aufgaben vorbereiten. Fördern und fordern muss zur festen Devise werden. Im Übrigen bleibt festzustellen, dass Holland bei der WM von Deutschland geschlagen wurde.

Der Hype um Totilas ist hierzulande verflogen. Der Hengst ist sicherlich eine Ausnahmeerscheinung, doch sein Reiter Matthias Alexander Rath scheitert immer wieder an den Einerwechseln. Deutet das auf reiterliche Schwächen hin?

Balkenhol: Quatsch. Matthias ist ein guter Reiter. Das hat er schon mit anderen Pferden bewiesen. Die Schwächen liegen eher beim Pferd. Auch Edward Gal (der Niederländer wurde mit Totilas dreimal Weltmeister, d. Red.) hatte lange Zeit immer wieder Schwierigkeiten mit den fliegenden Wechseln. Die totale Vermarktung verbunden mit dem großen Druck bei der Übernahme hat Matthias allerdings nicht gutgetan.

Wie sehen Sie die deutschen Dressurchancen für die nahe Zukunft?

Balkenhol: Darum ist mir nicht bange. Wir haben eine starke Pferdezucht, ein einmaliges Ausbildungskonzept für junge Pferde und nach wie vor starke Reiter. Daran ändert auch der Verkauf von Christoph Koschels Donnperignon, für den ich absolutes Verständnis habe, nichts. Wir werden eine schlagkräftige Mannschaft für Olympia stellen können.

Was macht Ihr Vierbeiner Dablino, schließlich ist er der Hoffnungsträger für Ihre Tochter Anabel?

Balkenhol: Der hat seine Verletzung auskuriert und steht wieder im Aufbautraining. Den Rest wird man sehen.

Der Verein Xenophon, dem Sie vorstehen, sieht sich als Garant für die klassische Form des Dressurreitens. Welche Ziele verfolgt er genau?

Balkenhol: Wir haben den Verein nach den Doping- und Rollkur-Skandalen gegründet. Es ist nicht unsere Absicht, jemanden zu bevormunden, allerdings stehen wir für eine fach- und pferdegerechte Ausbildung unserer Tiere. Das sind leider Dinge, die heute oftmals in Vergessenheit geraten sind.

Sie sind jetzt 72 Jahre alt. Wie lange wird es den Trainer Balkenhol noch geben?

Balkenhol: Ich habe noch viel Spaß an der Arbeit. Derzeit reite ich noch zwei bis vier Pferde pro Tag und habe keinerlei gesundheitliche Probleme. Deshalb verschwende ich ans Aufhören noch keinen Gedanken.

Wagen wir abschließend einen Blick in die Zukunft: Was erhoffen Sie sich?

Balkenhol: Ich wünsche mir, dass die Ausbildung weiter pferdegerecht optimiert wird. Die Kommerzialisierung schreitet zwar auch in der Dressurreiterei voran, doch ein Pferd braucht Zeit, um gut ausgebildet zu werden. Dem schnellen Drängen nach Ruhm und Ehre vieler Reiter ist meistens kein langer Erfolg beschieden, denn nur die wenigsten Vierbeiner halten die großen Anstrengungen im Viereck ohne einen zielorientierten, durchdachten und gymnastizierenden Aufbau lange durch.