London
Nach 70 Sekunden ist alles vorbei

Wie die Exoten Sled Dowabobo und Jennet Saryyeva Olympia erleben

31.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:13 Uhr

 

London (DK) Sie sind die wahren Helden bei Olympischen Spielen. Sportler, die nicht einmal für die Außenseiterrolle taugen. Ihr einziger Antrieb ist der olympische Gedanke: „Dabei sein ist alles.“ Stellvertretend für sie stehen die Geschichten des Judoka Sled Dowabobo (Nauru) und der Schwimmerin Jennet Saryyeva (Turkmenistan).

Natürlich wäre er gerne eine Runde weitergekommen. Aber beim Judo ist das nicht so einfach. Eine kleine Unachtsamkeit und schon liegt man auf der Matte. Sled Dowabobo hat es immerhin zu 70 Sekunden gebracht, dann war für den Sportler von der Insel Nauru der Wettkampf beendet. Der Usbeke Navruz Jurakobilov hatte ihn aufs Kreuz gelegt. Einfach so. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagt Dowabobo und klingt wie ein Profi. Dabei ist er das nicht. Zumindest keiner, der von seinem Sport leben kann. Zusammen mit einem Gewichtheber bildet der 29-jährige Judoka das kleinste Team in London. Nach seinem Kampf muss er deshalb erst einmal viele Fragen zu seiner Heimat beantworten. Nauru liegt im Pazifischen Ozean und ist wirklich sehr klein.

In zehn Minuten hat man die Insel zu Fuß umrundet, sagt Dowabobo und ergänzt: „Ich kenne jeden Einwohner persönlich.“ Nach dem Vatikan und Monaco ist die Insel der drittkleinste Staat der Erde. Zum ersten Mal haben es 1996 Sportler aus Nauru geschafft, an Olympischen Sommerspielen teilzunehmen. Sieben Athleten entsandte das Nationale Olympische Komitee seitdem, Dowabobo ist der Achte.

Und er ist der erste Nicht-Gewichtheber, der die Farben seines Landes bei Olympia vertrat. Beim örtlichen Verein kämpfen manchmal zehn, manchmal fünf Sportler. Dass es einer der ihren bis zu Olympia geschafft hat, konnte selbst der Verband erst nicht glauben. „Die waren alle überrascht“, sagt der Sportler. Mit 13 Jahren hat er seine Liebe zum Judo entdeckt. „Es ist ein wunderbarer Sport“, sagt Dowabobo. Auf Olympia hat er sich zwei Jahre lang in einem Trainingscamp in Samoa vorbereitet. Nur an Weihnachten ist er heimgeflogen. Wie gut, dass die örtliche Airline zu seinen Unterstützern zählt. Seine Arbeit als Schreiner musste er in dieser Zeit ruhen lassen. Ein großer Aufwand, für 70 Sekunden. Dowabobo will wieder zu Olympia kommen. In vier Jahren finden die Spiele in Rio de Janeiro statt. „Das wäre toll, wenn ich es wieder schaffen würde. Ich will es auf jeden Fall versuchen“, sagt er. Die Niederlage in der ersten Runde hat er schon wieder vergessen.

Die Schwimmhalle steht Kopf. Das Publikum jubelt und feuert eine Athletin an, als würde es um Gold für Großbritannien gehen. Jennet Saryyeva (Foto) hat im ersten Vorlauf über 400 Meter Freistil noch fast zwei Bahnen zu bewältigen, als ihre beiden Rivalinnen schon angeschlagen haben. Im Ziel ist sie die langsamste aller 35 Schwimmerinnen. 1:37 Minuten benötigt die junge Frau aus Turkmenistan länger als die Schnellste, Camille Muffat aus Frankreich (4:03:29 Minuten). „Es war super. Ich bin sehr glücklich“, sagte sie nach ihrem Lauf.

Etwas verlegen steht die 18-jährige Studentin in der Mixed-Zone. In ihrer Heimat Turkmenistan übt sie zweimal am Tag, begonnen hat sie mit dem Schwimmen erst vergangenes Jahr. Immerhin gibt es für die zehn Schwimmer dort eine 50-Meter-Bahn. Warum sie sich gerade für den Sport im Wasser entschieden hat? „Ich weiß es nicht. Schwimmen macht einfach Spaß.“

Auf jeden Fall bleibt Saryyeva bis zum Ende der Spiele in London. Bis dahin will sie noch „viel trainieren“. Und bei der Rückkehr in Turkmenistan gibt es dann auch etwas zu feiern. Bei ihrem ersten Auftritt bei Olympia hat sie einen neuen Landesrekord aufgestellt. Das schaffen nicht viele.