London
Seine letzte große Show

04.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr

Foto: DK

Usain Bolt hat die Leichtathletik in den vergangenen zehn Jahren geprägt wie niemand vor ihm. Nach den Weltmeisterschaften in London tritt der Sprint-Superstar aus Jamaika ab und wird eine riesige Lücke hinterlassen.

Ein letztes Mal die berühmte Blitz-Pose. Ein letztes Mal die Späßchen vor dem Start, der Flirt mit den Fans und TV-Kameras. Ein letztes Mal die ganz große Show. Usain Bolt tritt ab. Nach der WM in London beendet der letzte Superstar der Leichtathletik seine Karriere. Und hinterlässt eine riesige Lücke.

"Ich denke, ich bin eine Legende", sagt Bolt, der die Leichtathletik in den vergangenen zehn Jahren geprägt hat wie niemand zuvor. 2008 ging der Stern des großen Sprinters aus dem kleinen Dorf Sherwood Content auf, bei Olympia in Peking stürmte der damals 21-Jährige zu globalem Ruhm. Acht olympische Goldmedaillen nennt Bolt sein Eigen, elf Triumphe schaffte er bisher bei Weltmeisterschaften - keiner hat mehr Titel als Bolt. Dabei wollte er als kleiner Junge viel lieber Cricket-Profi werden.

Doch nun fällt der Vorhang. Endgültig. Am Samstag knallt um 22.45 Uhr deutscher Zeit der Startschuss für das Finale über 100 Meter, der ultimative Showdown bei der WM, sein letztes großes Einzelrennen. "Ich will einfach nur gewinnen. Ich will als Gewinner abtreten", sagte Bolt, der bisher in diesem Jahr nicht so richtig in Schwung gekommen ist. Mit 9,95 Sekunden liegt der mittlerweile 30-Jährige nur auf Rang sieben in der Welt. Sein alter Rivale Justin Gatlin sowie die jungen Wilden wie Christian Coleman (USA) und Andre de Grasse (Kanada) jagen ihn. Letzter allerdings sagte seinen Start wegen einer Oberschenkelverletzung kurzfristig ab.

Bolt kratzt die starke Konkurrenz zumindest öffentlich nicht: "Ich bin völlig zuversichtlich, mein Coach auch - zu 100 Prozent. Das letzte Rennen hat gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich bin bereit", sagte er bei einer Pressekonferenz seines Sponsors Puma.

Doch Bolt spürt die Strapazen der vergangenen Jahre, er rennt nicht mehr so mühelos, es sieht jetzt auch bei ihm nach Arbeit aus. Deshalb verspürt Bolt auch keinen Bammel vor der Rente. "Es wird eine Freude sein, sich zurückzulehnen" und "sich zu erinnern", sagt er. Einen Rücktritt vom Rücktritt schließt Bolt indes aus. "Ich denke nicht, dass es einen Weg zurück gibt. Ich fühle, dass es genug ist", sagte Bolt. Was er vermissen wird? "Die Menge im Stadion. Das Training werde ich definitiv nicht vermissen." Bolt hat schon angekündigt, auf dem Oktoberfest in München jetzt "mehr Biersorten ausprobieren" zu wollen. Und Kinder will Bolt haben, "ganz sicher".

Doch zuerst kommt das letzte Hurra. Bolt plant einen Abgang als ungeschlagener König. Der Jamaikaner will auch für seinen verstorbenen Freud Germaine Mason noch einmal gewinnen. Der für Großbritannien gestartete Hochsprung-Olympiazweite von 2008 war im April bei einem Motorradunfall in der Nähe von Kingston ums Leben gekommen. "Für mich war das wirklich hart. Ich möchte es auch für ihn und seine Familie tun", sagt Bolt.

Zuletzt plagte den Weltrekordler einmal mehr der malade Rücken. Und so weilte er wieder in München und ließ sich von seinem Lieblingsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt behandeln. In London verzichtet Bolt auf seine Lieblingsstrecke 200 Meter. Nach den 100 Metern rennt er an der Themse nur noch mit der Staffel Jamaikas. Wohl auch, weil selbst bei Bolt langsam die Kräfte nachlassen. Doch von seinem Glamour und der Faszination, die von ihm ausgeht, hat Bolt nur wenig eingebüßt. Auch wenn seine Weltrekorde von 9,58 (100 Meter) und 19,19 Sekunden (200 Meter) schon acht Jahre alt sind - wegen ihm kommen die Fans ins Stadion.

"In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen Sportler - neben Muhammad Ali - erlebt, der die Menschen so in seinen Bann gezogen hat", sagte Weltverbands-Präsident Sebastian Coe. "Der ihnen Freude bereitet hat mit seinen Läufen, Rekorden und Medaillen. Das geht wirklich über den Sport hinaus. Ich bin großer Boxfan, daher wage ich diesen Vergleich: Damals, als Ali aufgehört hat, fragten sich auch alle plötzlich, wie es weitergehen werde. Das gleiche Szenario erlebt jetzt die Leichtathletik, weil Bolt abtreten wird. Die Antwort ist: Du ersetzt weder Ali noch Bolt! Das geht nicht." ‹Œsid/dpa