Ingolstadt
"Dann reiße ich die Welt in Stücke"

Der mehrfache Ironman-Sieger Faris Al-Sultan über seine Teilnahme beim Ingolstädter Triathlon

08.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr

Ingolstadt (DK) Schwimmen, Radfahren, Laufen: Diese drei Disziplinen faszinieren immer mehr Sportler. Deshalb vermeldet der Ingolstädter Triathlon neue Rekordzahlen. 2600 Athleten werden am 1. Juni an den Start gehen. Auch einige Topstars der Triathlon-Szene sind dabei, unter anderem Faris Al-Sultan. Der mehrfache Ironman-Sieger erzählt im Interview, warum er den Ingolstädter Triathlon so interessant findet und wie sich sein Sportlerleben mit seinem zwei Wochen alten Sohn verändert hat.

Bei Autorennfahrern heißt es, dass sie eine Sekunde pro Runde langsamer werden, sobald sie Nachwuchs haben. Wie viel langsamer wird dann ein Triathlet?

Faris Al-Sultan: Gott sei Dank müssen wir nicht so viel riskieren (lacht). Der Kurs in Ingolstadt ist nicht so schwer, dass man Harakiri fahren muss. Von Haus aus bin ich sowieso der vorsichtige Fahrer. Deshalb wird der Zeitunterschied bei mir nicht so viel ausmachen.

Wie hat sich Ihr Training verändert, seid Ihr Sohn auf der Welt ist?

Al-Sultan: Um ehrlich zu sein, habe ich derzeit schon etwas Stress. Aber das liegt nicht am Buben, sondern an anderen Dingen, wie die Organisation im Haushalt. Da ich sehr lange im Trainingslager war, macht man dort nichts anderes als essen, schlafen und trainieren. Wenn man danach nach Hause kommt, dann gibt es viele andere Sachen zu tun. Aber meine Frau kümmert sich um vieles. So habe ich doch auch Zeit, mit dem Buben zu schmusen.

Und Sie haben ja ein Wohnmobil, falls er nachts mal viel schreien sollte.

Al-Sultan: Zum Glück schreit er nachts nicht viel (lacht). Zur Not könnte ich auch noch zu meinen Eltern flüchten, oder eben ins Wohnmobil. Zurzeit ist das aber noch nicht notwendig. Ich hoffe, das bleibt auch so.

Ihr nächster Wettkampf ist der Ingolstädter Triathlon, quasi ein Aufwärmprogramm.

Al-Sultan: Ingolstadt ist ein Vorbereitungsrennen für den Ironman in Klagenfurt am 29. Juni.

Gehen Sie deshalb in Ingolstadt nur mit halber Kraft an den Start?

Al-Sultan: Grundsätzlich ist es so: Wenn wir am Start stehen, geben wir alles, was in uns steckt. Allerdings verhindert es die Trainingsvorbereitung, an manchen Tagen richtig schnell zu sein, weil ich vom Training zu müde bin. Bei einem Top-Ereignis bin ich so ausgeruht, dass ich sehr gute Leistungen bringen kann. Das ist das, was der FC Bayern falsch gemacht hat. Deshalb sind sie in der Champions League nun gegen Real Madrid rausgeflogen. Sie waren zum Jahreswechsel top in Form, aber als es zählte, nicht mehr. Dies ist das große Geheimnis im Ausdauersport: Wenn es zählt, musst Du bei 100 Prozent sein, nicht vorher.

Sie starten nun zum dritten Mal in Ingolstadt. Folgt nun auch der dritte Sieg?

Al-Sultan: Ich starte vermutlich in der 78er-Wertung (siehe Kasten). Dabei geht es mehr um den Ereignischarakter als um den Sieg. Aber klar, wenn der Startschuss fällt, dann will ich schon die Welt in Stücke reißen und auch gewinnen.

Was macht für Sie die Faszination der 78er-Wertung aus?

Al-Sultan: Geschichte interessierte mich schon immer sehr. Deshalb habe ich dies auch studiert. Besonders faszinierend finde ich es, wenn man auf die Geschichte unseres Sports zurückblickt. Wenn ich alte Triathlon-Magazine lese und deren damalige Ausrüstung sehe, muss ich lachen. Wie die Athleten damals mit den langen Haaren, lustigen Bärten und den alten Fahrrädern Sport getrieben haben, ist heute unvorstellbar. Die Entwicklung von diesem Abenteuergeist von damals zu dem Hightechsport von heute ist faszinierend. Deshalb freue ich mich sehr auf die 78er-Wertung.

Was mögen Sie sonst noch am Ingolstädter Triathlon?

Al-Sultan: Es ist ein schöner, gut gemachter und organisierter Wettkampf, den wir in dieser Klasse in München nicht haben. Wenn wir den Sport voranbringen wollen, brauchen wir solche gute, regionale Wettkämpfe, wo sich auch der Einsteiger angenommen fühlt. Wir möchten die Menschen zum Sport bringen. Das ist auch ein Ziel von uns Profis. Wir sind ja in gewisser Weise Vorbilder.

Die 78er-Klasse in Ingolstadt ist angelehnt an Hawaii. Dort feierten Sie 2005 mit dem Sieg Ihren größten Erfolg. Sind Sie in diesem Jahr nun zum letzten Mal dort am Start?

Al-Sultan: Letztes Jahr habe ich gesagt, dass ich mich zum letzten Mal zu 100 Prozent für den Wettkampf vorbereitet habe. Wenn man so erfolgreich war, wie ich, und nun merkt, dass es für ganz vorne nicht mehr reicht, wäre es Unsinn, sich voll auf Hawaii zu konzentrieren. Da macht man lieber noch ein anderes Rennen, gewinnt dies und hat noch etwas davon. Wie es in diesem Jahr mit Hawaii aussieht, hängt allerdings stark davon ab, wie der Ironman in Klagenfurt verläuft. Sollte es dort sehr gut laufen und ich an meine Grenzen gehen, bin ich wohl nicht 100-prozentig fit für Hawaii. Sollte es aber in Klagenfurt nicht so gut laufen und ich frühzeitig aussteigen, was bei unserem Sport immer wieder vorkommen kann, dann konzentriere ich mich vielleicht doch noch einmal richtig auf Hawaii.

Wann gibt es dann den Familienmenschen Al-Sultan?

Al-Sultan: Ich habe für mich ganz klar gesagt, wenn ich 39 Jahre alt werde, also 2017 im Oktober, wird Hawaii definitiv mein letztes Profirennen sein. Ob es so lange noch geht, weiß ich nicht. Ich bin im Herbst meiner Karriere. Bei einer schweren Verletzung kann es sein, dass mir die Lust an einem Comeback fehlt. Aber ich bin entspannt. Ich habe viel in meiner Karriere erlebt. Trotzdem will ich noch etwas erreichen, sonst höre ich gleich auf. Der Ehrgeiz ist weiterhin da.

Das Gespräch führte Timo Schoch.