Unterschleißheim
"Waschechte Weltmeisterin in unseren Reihen"

Disco-Fieber-Botschafterin Tina Rupprecht holt sich den WM-Gürtel im Minimumgewicht

17.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:49 Uhr
Jubelpose mit Cheftrainer Alexander Haan: Nach ihrem Sieg durfte sich Tina Rupprecht als neue WBC-Weltmeisterin feiern lassen. −Foto: Kerpf

Unterschleißheim/Schrobenhausen (SZ) Tina Rupprecht ist am Ziel ihrer sportlichen Träume angekommen. Dank eines verdienten Punktsieges gegen die Costa-Ricanerin Yakosta Valle ist die 25-Jährige seit dem Samstagabend stolze WBC-Boxweltmeisterin im Minimumgewicht.

Manfred Irrenhauser-Kress hatte es schon immer gewusst: "Tina gewinnt das Ding, daran gibt es keinerlei Zweifel", war sich der örtliche Repräsentant des Disco-Fieber-Arbeitskreises schon einige Tage vor dem Kampf hundertprozentig sicher gewesen. Wobei, eigentlich hätte genau das Angst machen müssen - denn ansonsten gilt der bekennende 1. FC-Köln-Fußballfan nicht gerade als Experte, wenn es um verlässliche Vorhersagen in Sachen Sport geht.

Schwamm drüber. Irrenhauser-Kress hatte diesmal ja Recht - und meldete sich gestern Nachmittag nun überglücklich aus seinem aktuellen Urlaubsdomizil in Portugal: "Ich bin mächtig stolz auf diese höchst sympathische Sportlerin, Wenn jemand diesen Megaerfolg verdient hat, dann sie." Nur warum all sein plötzliches Interesse am Damenboxen? Weshalb sein intensives Daumendrücken für Rupprecht? Ganz einfach: Die Blondine aus Augsburg fungiert seit Kurzem als offizielle Botschafterin für Disco-Fieber, also für das Präventionsprojekt mit Schrobenhausener Wurzeln. "Wir haben damit jetzt eine waschechte Weltmeisterin in unseren Reihen", so Irrenhauser-Kress begeistert.

Knapp 20 Stunden zuvor, im imposanten Infinity-Ballhausforum in Unterschleißheim, machte Rupprecht ihren Coup perfekt - wobei sich als größte Schwierigkeit erstaunlicherweise das Müssenmüssen herausstellte. Ja, das mit dem Abgeben einer Dopingprobe kann ein Problem sein - erst recht, wenn der eigene Körper noch mit Adrenalin vollgepumpt ist. So stand, saß die frisch gebackene WM-Gürtelträgerin kurz nach ihrem Fight einsam in den Katakomben - wartete, trank, hoffte. Nur es ging nichts. Erst nach über eineinhalb Stunden und drei getrunkenen Litern Wasser gab's die Erlösung - sowie anschließend das grenzenlose Feiern nach "Tiny-Tina"-Art.
 
Immer wieder Händeschütteln, immer wieder Umarmen, immer wieder als Selfie-Model-Dienen - die 25-Jährige genoss schlichtweg alles. Jeder Einzelne aus ihrem üppig gefüllten Fanblock durfte sie drücken, mit ihr sprechen. Rupprecht: eben ein Star zum Anfassen.

"Und so wird sie immer bleiben", davon ist Alexander Haan, der 37-jährige Cheftrainer der Blondine, fest überzeugt. Es war bereits kurz vor Mitternacht, als er erstmals er an diesem so historischen 16. Juni 2018 die Gelegenheit hatte, kurz durchzuatmen. "Ich glaube, in den zehn Runden von Tina bin ich wieder um fünf Jahren älter geworden", sagte er nun lächelnd. All die Erleichterung, all der Stolz über das gemeinsam mit Rupprecht Erreichte - es spiegelte sich in diesem Moment beeindruckend in seinem Blick wider. Die Anspannung der vorherigen Wochen und Monate, der intensiven Zeit der Vorbereitung: Endlich war sie weg.

Rund vier Stunden zuvor hatte das noch völlig anders ausgesehen. Wobei: Warum Rupprecht schon so früh, bereits um exakt 19.17 Uhr , in den Ring musste - schließlich stellte ihr Fight den einzigen WM-Kampf an diesem Abend dar? Man musste es nicht unbedingt verstehen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass beim Einmarsch von "Tiny Tina" nicht ihr gewohnter Song - "Sail" von der US-amerikanischen Indie-Rockband Awolnation - durch die Lautsprecher dröhn-te , sondern "Hollywood Hills" von Sunrise Avenue. Und Fahnen oder gar Hymnen vor dem ersten Gong? Komplette Fehlanzeige. Dieses Ereignis hätte zweifellos einen feierlicheren Rahmen verdient gehabt.

"Vielleicht hatte den Organisatoren hierfür etwas die Zeit gefehlt", mutmaßte Rupprecht hinterher - ohne sich groß darüber zu ärgern. Chefcoach Haan sah es ebenso: "Wir waren hierhergekommen, um den Gürtel mitzunehmen - und das haben wir geschafft. Also alles gut."

Wobei die neue Weltmeisterin schon ein hartes Stück Arbeit zu verrichten hatte, eher ihr Triumph feststand. Zugegeben, die ersten Runden waren sofort an sie gegangen - aber ihre Kontrahentin aus Costa Rica schlug zurück, im wahrsten Sinne des Wortes. So blieb es eng bis zum Ende aller zehn Runden - mit einer Rupprecht, die das Geschehen zwar meist kontrollierte und immer ein Stück weit vorne zu liegen schien. Aber auch mit einer Valle, die nie aufgab. Dementsprechend knapp die abschließenden Urteile der drei Punktrichter: 98:95, 97:94, 97:94.

Dass sie jeweils für "Tiny Tina" werteten, ging nach Ansicht aller Boxexperten im Saal absolut in Ordnung. Die Delegation aus Costa Rica mit Valle selbst sah's natürlich ein bisschen anders - und verließ sofort wild gestikulierend den Ring. "Man sollte auch verlieren können", hatte Rupprecht dann für dieses Verhalten kein Verständnis: "Es war ein klarer Sieg für mich, ich habe verdient gewonnen - auch wenn es diesmal eine echt harte Sache war."

Eine kleine Platzwunde sowie Blutflecken auf der rechten Seite des Kopfes ("Da sind wir ganz schön zusammengebumst") unterstrichen dies - ebenso wie eine leichte Schwellung am rechten Auge. Egal, die 25-jährige Neu-Botschafterin von Disco-Fieber lächelte trotzdem. Das Wegwaschen beziehungsweise Wegschminken der Kampfspuren musste warten. Weil eben erst Fans, Medien, Familie, Freunde und Lebensgefährte Tobias Wieland dran waren.

Irgendwann verschwand Rupprecht doch zum Frischmachen und Umziehen in die Katakomben. Ihr Kampfröckchen ganz in rosa hatte damit ausgedient - wobei "Tiny Tina" an diesem Abend immer wieder betonte, dass sie das gewöhnungsbedürftige Outfit rein selbst ausgesucht hatte: "Ich wollte so richtig schön mädchenhaft wirken - um es dann so richtig krachen zu lassen." Und wieder lachte die Blondine. Was war das für ein unvergesslicher Abend für sie! Jetzt ist für erst einmal etwas Entspannung angesagt,
 

Roland Kaufmann