Neuburg
"Was ändert sich denn bis zum September?"

Spielgruppenleiter Günther Behr sieht dem geplanten Re-Start durchaus noch skeptisch entgegen

28.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:16 Uhr
Wegen des Corona-Virus zurzeit am Boden: Kommt der Fußball in den unteren Spielklassen heuer noch einmal auf die Beine? −Foto: M. Schalk

Neuburg - Günther Behr gehört zu jener Spezies von Funktionären, die klar ihre Meinung vertreten - auch wenn das vielleicht nicht jedem Verbandsoberen gefällt.

 

Bei den Vereinen ist der für die ostschwäbischen Fußballklassen zuständige Spielgruppenleiter aus Neuburg auf jeden Fall sehr beliebt. Er sieht sich als Vertreter der Basis, als Vertreter "seiner Klubs". Mit ihnen möchte Behr einfach nur gut zusammenarbeiten, für ihr Wohl setzt er sich stets mit voller Kraft ein - so weit es im Rahmen der Regeln möglich ist. Aktuell ist freilich auch der Neuburger großteils zur Untätigkeit verurteilt - dem Coronavirus sei Dank. Was er vom geplanten Re-Start hält, wie er die derzeitige Situation im Amateurfußball ganz allgemein sieht - der 52-Jährige verrät es uns.

Herr Behr, haben sie am vergangenen Samstagnachmittag spontan daran gedacht, dass da eigentlich gerade der letzte Kreisliga-Ost-Spieltag 2019/20 stattfinden sollte?
Günther Behr: Ja, das tat ich wirklich - ob Sie es glauben oder nicht (lacht). Ich schaute auch an den vorherigen Wochenenden regelmäßig im Internet nach, wer denn gerade gegen wen kicken würde - wenn es die Corona-Krise nicht gegeben hätte. Mein Sohn Patrick etwa ist Torwart bei der DJK Langenmosen - da machte ich mir durchaus immer wieder meine Gedanken, ob er mit ihr den Klassenerhalt noch gepackt hätte beziehungsweise noch packt. Ja, das ist momentan schon eine extrem komische Situation für alle Fußballinteressierten - und damit eben auch für mich.

Aber Sie verfolgen die Situation ja nicht nur als besorgter Spielgruppenleiter und Vater?
Behr: Das stimmt. Ich habe zudem noch ein Cheftraineramt inne, coache den TSV Egweil in der B-Klasse Donau/Isar I und liege mit diesem nach bislang zwölf absolvierten Partien ganz oben in der Tabelle. Wir waren in der Tat auf dem besten Weg, direkt aufzusteigen - bis die Coronapandemie kam. Ich brauche also wohl nicht groß zu erwähnen, dass ich über die aktuelle Ungewissheit nicht gerade glücklich bin.

Wenigstens hat es Ihnen der Bayerische Fußballverband nun ja wieder erlaubt, zu trainieren - wenn auch unter erheblichen Auflagen. . .
Behr: Ganz ehrlich, ich empfinde es als Riesenquatsch und als total daneben, dass die Plätze jetzt wieder freigegeben worden sind. Was soll das denn bringen, wenn die Punktrunde frühestens ab dem 1. September fortgesetzt werden soll? Zugegeben, die Jungs sind extrem heiß darauf, endlich wieder miteinander kicken zu dürfen - aber genau hier liegt doch die große Gefahr, dass aufgrund dieser Übermotivation nicht alle vorgegebenen Regeln exakt eingehalten werden. Und wer ist dann verantwortlich, wenn etwas passiert? Wenn sich ein Einzelner infiziert - oder sogar ein größerer Teil der Mannschaft? Höchstwahrscheinlich doch der Cheftrainer. Und diesen Schuh werde ich mir definitiv nicht anziehen - denn auch ich habe nur zwei Augen, kann also während einer Einheit nicht alles sehen.

Also wird beim TSV Egweil bis auf weiteres nicht trainiert?
Behr: Nein, wobei ich meine rigorose Meinung hundertprozentig mit unserem Abteilungsleiter teile. Fußball besteht halt zum Großteil aus Zweikämpfen, und die sind aktuell nicht erlaubt. Dementsprechend werden wir beim TSV vorerst weiterhin die Beine stillhalten. Wenn wir erst Anfang Juli mit dem Trainieren auf dem Platz beginnen, dann reicht das immer noch locker aus, um bis zum geplanten Re-Start im September fit zu werden.

Und bis dahin muss von Ihren Spielern fleißig auf irgendwelchen Straßen und Feldwegen gelaufen werden?
Behr: Ein bisschen ja. Aber nicht andauernd. Wir sind schließlich Fußballer - und keine Leichtathleten.

Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass die Saison 2019/20 noch in diesem Kalenderjahr beendet wird?
Behr: Ich sehe das in der Tat nicht so positiv wie viele andere. Was ändert sich denn bis zum September im Vergleich zu jetzt? Wir werden auch dann noch keinen Impfstoff gegen das Coronavirus haben - ebenso wenig wie eine komplett wirksame Medizin. Und was machen wir schließlich, wenn sich ein Spieler im September oder Oktober infiziert? Nur ihn allein in Quarantäne schicken? Oder auch seine Mannschaft? Und zudem diejenige, gegen die sein Team zuvor gekickt hatte? Bereits so ein einziger Fall könnte das Ende für alle Pläne 2020 bedeuten. Wir sind schließlich nicht im Profibereich, wir haben ganz andere Voraussetzungen als in den beiden Bundesligen,

Was wäre Ihr Vorschlag gewesen? Ein vollständiger Abbruch der Saison 2019/20 bereits zum jetzigen Zeitpunkt?
Behr: Nein, auf keinen Fall. Aber ich hätte bereits jetzt einen kompletten Schlussstrich für das Kalenderjahr 2020 in Sachen Punktspiele gezogen - um dann in aller Ruhe ab dem Frühjahr 2021 die aktuell unterbrochene Spielzeit abzuschließen und dann im Sommer 2021 wieder eine komplett neue Saison zu beginnen.

Was ist Ihre Idee dahinter?
Behr: Ganz einfach: Was machen wir denn im Frühjahr 2021, wenn wir mit der Saison 2019/20 tatsächlich wie geplant in diesem November fertig sind? Von Verbandsseite gibt es in dieser Hinsicht ja mehrere Überlegungen - von denen eine ist, dann eine Einfachrunde stattfinden zu lassen. Aber Sie können sich sicher sein: Das Geschrei bei den Vereinen wird darüber groß sein - denn gerecht wird das Ganze nicht, gerade bei der Aufteilung der Heim- und Auswärtspartien.

 

Man könnte die Corona-Krise ja auch zum Anlass nehmen, die Fußballsaison ab 2021 parallel zum Kalenderjahr verlaufen zu lassen - also mit Start immer im Frühjahr und Ende immer im Spätherbst. . .
Behr: Das wäre in der Tat ebenfalls eine Option, die ich gar nicht so schlecht finden würde.

Direkt zu Beginn der Corona-Krise war Ihr Telefon ja kaum mehr still gestanden, quasi rund um die Uhr hatten Vereinsvertreter irgendwelche Auskünfte von Ihnen erbeten. Wir geht's mittlerweile im Hause Behr in Neuburg zu?
Behr: (lacht) Ja, inzwischen ist's deutlich ruhiger worden, nachdem der März und der April in der Tat ziemlich heftig gewesen waren. Wenn ich so recht darüber nachdenke: Eigentlich tut sich momentan sogar fast gar nichts mehr.

Genießen Sie das - oder fehlt Ihnen etwas?
Behr: Natürlich kribbelt's schon lange wieder bei mir, ich würde liebend gerne wieder etwas in Sachen Fußball tun. Ich stand nahezu mein ganzes Leben auf dem Platz, all diese Kontakte und Gespräche dort fehlen mir aktuell schon sehr.

Wie sieht momentan Ihr Ausgleichssport für das fehlende Kicken aus?
Behr: Na ja, ich beschäftige mich hin und wieder mit meinem Heimtrainer. Irgendwie joggend auf der Straße werden Sie mich dagegen auch jetzt nicht sehen. Wenn ich das jemals gewollt hätte, wäre ich Leichtathlet geworden.

Nochmals zurück zum geplanten Re-Start Anfang September: Wenn dieser so umgesetzt werden soll wie momentan gedacht, dann müssten spätestens im August bereits wieder Testspiele erlaubt sein. . .
Behr: Auf jeden Fall, anders geht es nicht - schließlich sind wir keine Profis, die von heute auf morgen mit Vollgas loslegen können. Und BFV-Präsident Rainer Koch hat ja auch schon erklärt, dass im August wieder Freundschaftspartien möglich sein sollen - natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass sich die Corona-Situation bis dahin nicht wieder entscheidend verschlechtert hat.

Sie wirken weiter skeptisch. . .
Behr: Das stimmt. Das Coronavirus wird im Juli und auch im August noch nicht weg sein. Die Gefahr, dass sich Spieler, Zuschauer oder Verantwortliche damit beim Fußball infizieren, ist demnach weiterhin gegeben. Also stelle ich erneut die Frage: Was machen wir, wenn es eine Mannschaft tatsächlich erwischt? Ja, ich gebe es zu: Ich bin grundsätzlich eher negativ dem Ganzen gegenüber eingestellt. Aber ich lasse mich auch gerne positiv überraschen.

Sie sind Spielgruppenleiter, Cheftrainer - und fungieren zudem noch regelmäßig als umsichtiger Schiedsrichter. Jürgen Roth aus Langenmosen, der Obmann der Gruppe Neuburg, hat vor kurzem ja durchaus zu Recht darauf hingewiesen, dass die Unparteiischen in den derzeitigen Diskussionen um den Re-Start komplett vergessen werden. So würde rund ein Drittel seiner Schiedsrichter zur Risikogruppe hinsichtlich des Coronavirus gehören. . .
Behr: Ja, das ist tatsächlich ein großes Problem. Und bei aller Freude, dass bald vielleicht weder der Ball rollen könnte: Die Gesundheit muss stets absolute Priorität genießen.

Ist es also doch noch ein bisschen zu früh, bereits im August wieder Fußballpartien bei uns austragen zu wollen?
Behr: Vielleicht ist das tatsächlich so. Ich verstehe natürlich jeden einzelnen Kicker, dass ihm schön langsam zu Hause die Decke auf den Kopf fällt - dass ihm sein Mannschaftssport mit all seinen sozialen Kontakten zu Mitspielern, Vereinsverantwortlichen oder einfach nur Zuschauern fehlt. Aber aus meiner Sicht sind eben doch noch einige Fragen nicht komplett beantwortet. Wobei das kein Vorwurf an irgendjemanden ist, sondern nur eine Feststellung. Wir befinden uns halt leider in einer Lage, von der niemand geglaubt hatte, dass sie jemals eintreten würde.

Das Gespräch wurde geführt von Roland Kaufmann.