Schrobenhausen
"Voll auf Entzug"

Sportler während der Coronavirus-Zwangspause (12): Reinhard Fröschl

03.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:29 Uhr
Kultschiedsrichter im Wartestand: Reinhard Fröschl. −Foto: privat

Schrobenhausen - Bis zum Freitagabend waren es bereits 152 Likes, Tendenz steigend.

 

Der Facebook-Gemeinde gefiel eben, was Reinhard Fröschl da wenige Stunden zuvor auf seinen Account gestellt hatte - nämlich ein Bildchen des 52-Jährigen, gelangweilt auf einer Bank sitzend. Dazu noch der Kommentar "Ich bin voll auf Entzug. Ohne Fußball, das geht gar nicht": Wenn man jemandem diese Sätze hundertprozentig abnimmt, dann dem Kultschiedsrichter aus Schrobenhausen, der ja schon seit gefühlten Ewigkeiten für den SC Mühlried pfeift.

"Na ja, irgendwie kann ich's schon noch ertragen", sagt Fröschl mit seinem berühmten Lächeln: "Aber blöd ist es doch, dass aktuell gleich gar nichts mehr ist - gerade an den Wochenenden. " Vor allem er war ansonsten an den Sams- und Sonntagen im Dauereinsatz gewesen: Nachwuchsspiele, Erwachsenenpartien, teilweise sogar AH-Duelle - "Froscheee", wie er in Fußballerkreisen liebevoll genannt wird, schaute überall nach dem Rechten. Sei es als Referee mit einer Pfeife, sei es als Linienrichter mit einer Fahne in der Hand - und ohne sich dabei irgendwie in den Vordergrund drängen zu wollen.

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"Ich mach's, so gut ich kann. Alles kann auch ich nicht sehen - und wenn ich mal einen Fehler gemacht habe, tut's mir leid", so ein Leitspruch des 52-Jährigen. Er liebt den Amateurfußball, hasst die Geldmacherei im Profibereich - weil für ihn "sein" Sport einfach nur eine wunderschöne Nebenbeschäftigung, ein wunderschönes Hobby sein soll. Wobei man gut miteinander auskommt, sich schön unterhalten kann - und hin und wieder auch ein Bier miteinander trinkt.

Jetzt wegen der Corona-Krise zu Hause sitzen zu müssen, natürlich schmerzt es Fröschl. "Aber die Gesundheit hat absoluten Vorrang, das müssen wir einfach verstehen", betont er sofort: "Wir auf dem Land haben's doch sowieso nicht schlecht und können in den eigenen Garten gehen, während die Leute in den Großstädten zum Teil nicht einmal einen Balkon besitzen. "

Bis vor wenigen Tagen ist der Schrobenhausener noch täglich per Zug nach München gefahren, um dort seinem Job als Lagerist nachgehen zu können. Mittlerweile ist auch das vorbei, für ihn ist nun Home Office angesagt. "Meine Arbeitskollegen gehen mir schon ab", räumt Fröschl ein. Dafür muss er jetzt aber keine versehentliche Ansteckung mehr mit dem Virus in der Bahn befürchten. Oder? "Davor hatte ich in jüngster Zeit sowieso weniger Angst, weil kaum noch Leute mit dem Zug gefahren sind", sagt der 52-Jährige: "Sicherlich kannst Du momentan überall ein komisches Gefühl haben, allerdings kannst Du Dich nicht komplett verkriechen. Zum Beispiel Einkaufen muss weiterhin sein, und da könnte leider ebenfalls immer etwas passieren. "

Zurück zum Sport: Wie sieht sein aktuelles Training in Sachen Schiedsrichterwesen aus? "Joggen gehe ich net", verrät er lachend. Die Regeltests würden er und seine Kameraden nun per E-Mail zugeschickt bekommen, Lehrabende fallen dagegen (wie so vieles) aus. "Ich glaube nicht, dass vor dem September überhaupt wieder bei uns in den unteren Klassen gespielt wird", befürchtet Fröschl: "Ich würde es absolut verstehen, wenn nach den jetzigen Ausgangsbeschränkungen erst alles andere wieder hochgefahren wird - und dann erst der Spaß. Wie schon vorher mal gesagt: Die Gesundheit muss absoluten Vorrang haben. "

Er selbst hat heuer erst zwei Erwachsenenpartien geleitet, die letzte davon am 8. März zwischen dem SV Obergriesbach und dem TSV Kühbach. "Damals hatten wir noch gescherzt, dass wegen des Virus wohl bald überhaupt nicht mehr gespielt wird. Eine Woche später wurde das Ganze dann zur Realität", erinnert sich der Schrobenhausener, der in der Schiedsrichtergruppe Ostschwaben zudem als Jugendeinteiler und Schriftführer tätig ist.

Ja, er sehnt sich nach frischem Fußball vor Ort. Er ist eben "voll auf Entzug". Und deswegen mögen ihn alle so sehr. "Du bist einfach ein Original", "Du bist einfach ein Unikat" - nur zwei der zahlreichen Kommentare unter seinem Facebookbild, das laut Fröschl übrigens schon "vier, fünf Jahre" alt ist. Selbst Harry Reisner, der Bald-Bürgermeister von Schrobenhausen, hinterließ eine kurze Notiz: "Bleib' bitte immer so, wie Du bist. " Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

SZ

Roland Kaufmann