Eulenried
Solange es nicht zwickt, ist alles gut

Albert Walter holt bei den Bayerischen Meisterschaften zwei Titel - und plant nun für die WM

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:49 Uhr
Weiterhin ehrgeizig und erfolgreich: Albert Walter. −Foto: Foto: kx

Eulenried (SZ) Wenn er da am Tag nach seinem doppelten Triumph so lockeren Schrittes ankommt, dann mag man kaum glauben, dass es für Albert Walter fast nichts geworden wäre mit der Teilnahme an den bayerischen Meisterschaften. Denn es hat gezwickt im Bein, mehrfach sogar und deutlich.

Vor zwei Wochen noch lief er kurzzeitig auf Krücken, weil er sich eine Entzündung im Fußgelenk eingefangen hatte, vor gut acht Tagen kam noch eine Muskelverhärtung im Oberschenkel dazu. Wie ein Sportfacharzt zu solchen Wehwehchen sagen würde, wenn sie bei einem Arjen Robben oder Marco Reus auftreten, weiß Albert Walter nicht, doch für den 78-jährigen Ausnahmeläufer aus Eulenried ist klar: Es zwickt, und wenn's dumm nausgeht, kann er seine Hoffnungen auf die Teilnahme an den Seniorenweltmeisterschaften im September in Malaga aufgeben.

So gesehen waren die Bayerischen Meisterschaften der Senioren auf der Bahn in Regensburg eine ganz gute Standortbestimmung: Was geht? Wie lange macht das Bein mit? Er habe auf seinen Körper gehorcht, erzählt Walter, sei nicht auf Biegen und Brechen gelaufen, sondern hätte auch mal einen Gang oder zwei zurückgeschaltet, wenn es nötig gewesen wäre. Allerdings: Nötig war es dann doch nicht.

Denn natürlich hat der 78-Jährige in seiner Altersklasse M75 zweimal Gold geholt. Mit deutlichem Vorsprung jeweils. Und einen gewissen Ehrgeiz kann er auch nicht verleugnen. Zum Beispiel beim 1500-Meter-Rennen am Samstag. Das absolvierte er in 6:00,88 Minuten - der Zweite, Norbert Gündling (Aschaffenburg), brauchte über eine Minute mehr. Dennoch sagt Walter, der wie immer für den MTV Ingolstadt an den Start ging, kritisch: "Ich hätte mir einen Fünfer gewünscht", also eine Zeit unter sechs Minuten. Da mehrere Altersklassen gemeinsam an den Start gingen, hatte er übrigens trotz seiner Überlegenheit bei den über 75-Jährigen eine Herausforderung: "Ich habe mich an einen der 60er hingehängt", erklärt er seine Taktik. Und auf der Zielgeraden ließ er den deutlich Jüngeren dann stehen, wie er mit einem spitzbübischen Grinsen erzählt. So viel zum Thema Ehrgeiz.

Tags darauf, auf der 800-Meter-Strecke, gab es keine taktischen Spielereien. "Ich habe mir gesagt: Ich laufe mein Rennen", erzählt Walter. Am Ende gewann er in 2:54,09 Minuten - eine Zeit, mit der er durchaus zufrieden ist - und verwies seinen ersten Verfolger, erneut Norbert Gündling (3:18,97), mit deutlichem Rückstand auf Rang zwei. "Ich bin zufrieden mit mir", sagt Albert Walter und sieht dabei auch sehr zufrieden aus. Auch wenn er vielleicht noch die eine oder andere Sekunde besser sein könnte. Allerdings hatte es am Wochenende in Regensburg an die 30 Grad, und schwül war's auch. Was für Albert Walter kein großes Problem ist: "Ich mag lieber die Wärme als die Kälte", verrät er. Gute Voraussetzungen also für einen Start im warmen Spanien.

Nun steht dem Eulenrieder allerdings erst einmal eine Art Gratwanderung bevor: Genug trainieren, um noch ein paar Sekunden herauszuholen im Hinblick auf die Senioren-WM, es aber auch nicht übertreiben, damit nicht wieder irgendwo etwas zwickt. "Ich muss jetzt schauen, dass ich auf die richtigen Touren komme", sagt Walter, "das sind bisher nicht die Zeiten, die ich mir vorstelle, da muss ich noch ein bisserl arbeiten." Der nächste Gradmesser sind in gut zehn Tagen die Deutschen Seniorenmeisterschaften in Mönchengladbach. Und dann kann die WM-Vorbereitung komplett beginnen. Wenn Albert Walter einen Musikwunsch für Malaga äußern dürfte, dann wäre es wohl die deutsche Nationalhymne - und zwar bei der Siegerehrung der Altersklasse M75 der Mittelstreckenläufer.

Bernd Hofmann