Schrobenhausen
Nächster Schritt hin zur Erfüllung seines Traums

Motorsporttalent Florian Vietze aus Schrobenhausen darf in Oschersleben erstmals Testfahrten mit einem Rennauto machen

12.05.2021 | Stand 13.07.2021, 3:34 Uhr
Egal, ob hinter dem Lenkrad oder bei der anschließenden Auswertung seiner Fahrten mit dem Team: Florian Vietze durfte in Oschersleben viele wichtige Erfahrungen sammeln. −Foto: H. Vietze

Schrobenhausen - Schnell unterwegs war Florian Vietze ja schon immer: lange Zeit mit dem Kart, inzwischen auch im Rennauto.

Nachdem der 16-jährige Schrobenhausener jetzt bei Testfahrten in Oschersleben einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, lebt sein Traum von der Motorsportkarriere umso stärker. Das Problem: Sein großes Talent alleine könnte dafür nicht ganz reichen.
So ganz unvorbereitet war Florian Vietze nicht. Die berühmte Rennstrecke in Oschersleben, westlich von Magdeburg, findet man schließlich auch auf dem Rennsimulator, den der 16-Jährige in der Corona-Zeit regelmäßig nutzt. Vietze kannte also zumindest virtuell schon alle Tücken - wie die Dreifach-Linkskurve im ersten Teil der Strecke. Immer wieder ist der Schrobenhausener diesen und andere Kurse auf dem großen Bildschirm im eigenen Zimmer gefahren. Sich bestmöglich vorbereiten, auch abseits der echten Strecken, das gehört für einen ambitionierten Motorsportler eben genauso dazu. "Schularbeiten und Rennsimulator fahren", lacht Mutter Heike Vietze, "das sind die Dinge, die Florian derzeit fast ausschließlich treibt".
Dass Florian Vietze motorsportbesessen im positiven Sinne ist, so ganz neu ist das nicht. Seit er vor rund zehn Jahren zum ersten Mal in einem Kart Platz genommen hatte, entwickelte sich eine Leidenschaft, die dann auch schnell durch viele Erfolge befeuert wurde. Mehrfacher Deutscher Meister, Süddeutscher und Bayerischer Meister sowieso - im Kartslalom hat Vietze in seinen Altersgruppen national so ziemlich alles erreicht. Die Pokale und Kränze passen kaum noch ins Zimmer. Und auch international erfüllte sich der Schrobenhausener vor dem Jahresende 2019, also noch vor der Corona-Pandemie, einen Traum, als er bei den Motorsportgames in Rom (so etwas wie die inoffizielle WM) starker Fünfter wurde. Seitdem ist zwar auch im Motorsport pandemiebedingt nicht viel passiert, aber bei Vietze selbst zumindest abseits der Strecke ein bisschen was: Der 16-Jährige geht inzwischen nicht mehr für den MSC Schrobenhausen, sondern den MSC 12 München an den Start. Und: Er sitzt ab sofort nicht mehr nur im Kart, sondern primär im Auto am Lenker.
Wie bei vielen bekannten Rennsportlern, so sei es natürlich auch bei ihm "immer das Ziel gewesen, ins Auto zu wechseln", beschreibt Vietze diese Entscheidung. Also gaben er und seine Eltern, die früher mit Motorsport übrigens nicht viel am Hut hatten, alles: erstellten Konzepte, versuchten, Kontakte zu knüpfen und Sponsoren zu finden, was in der Corona-Zeit natürlich ganz besonders schwerfiel. Als sie der Mut fast schon verlassen hatte, kam dann plötzlich so etwas wie die erlösende E-Mail: Das thüringische Motorsportteam Lubner meldete sich. Es sei mit zwei Autos bei Testfahrten in der Motorsport-Arena Oschersleben vertreten und hätte für einen Tag noch ein Cockpit frei. Der Familienrat Vietze tagte und kam zu einem Entschluss, der sich - ohne Druck aufzubauen - ungefähr so anhörte: "Junge, das ist deine Chance. Mach was draus! "
Und Florian machte, wie sich nach dem Testtag in Oschersleben jetzt festhalten lässt. Denn, um das Ergebnis ein Stück weit vorwegzunehmen: Begeistert waren am Ende nicht nur die stolzen Eltern, sondern auch die Teamverantwortlichen. Sogar ein fester Platz wurde dem Schrobenhausener, der zuvor nur wenig Erfahrung im Auto (zum Beispiel bei Bergrennen) gesammelt hatte, für die Zukunft in Aussicht gestellt. "Gib Florian etwas mit vier Rädern - und er fährt einfach", sagt seine Mutter. Dass ein 16-jähriger Schüler, der im "normalen" Leben gerade erst mit dem Führerschein beginnt, auf der Geraden mit 170 km/h vorbeirauscht - "ein bisschen gewöhnungsbedürftig war das anfangs schon", lacht Heike Vietze. Aber Florian habe es mit den nötigen Eigenschaften eben gewohnt souverän gemanagt: fokussiert, diszipliniert, lernfähig und nicht überheblich. "Das hat Eindruck hinterlassen", fasst die Mutter zusammen. Ihr Sohn hört das natürlich gerne, bleibt bei allem Ehrgeiz aber lieber bescheiden und konzentriert.
Ein bisschen aufgeregt sei er schon gewesen, gibt der 16-Jährige selbst zu. Die anspruchsvolle Rennstrecke sei im realen Leben eben - noch dazu bei Regenwetter - doch etwas anderes als virtuell. Fünf Turns à 50 Minuten durfte Vietze völlig untrainiert (was Auto und Strecke betrifft) hinlegen. Und während er die ersten Runden nutzte, um Erfahrung zu sammeln sowie dabei auch mal im Kiesbett landete, "konnte ich in den letzten zwei Turns dann sogar auf Zeitenjagd gehen", beschreibt der 16-Jährige. Das Ergebnis: Vietze, der zum allerersten Mal in diesem Auto, einem zum Rennauto umgebauten VW up! GTI saß, war von allen Startern der Drittschnellste - sogar schneller als die erfahrene, teilweise schon mit festen Verträgen ausgestattete Konkurrenz.
Und überhaupt, dieses ganze Gefühl an der Strecke: Florian Vietzes Rennfahrerherz schlägt gleich um einiges höher, wenn er davon erzählt. "Ich hatte quasi ein eigenes Team um mich, einen eigenen Techniker. Das war wirkliches Rennfeeling", schwärmt er. Und klar, natürlich würde man sich nur allzu gerne daran gewöhnen. Vietzes Ziel ist es deshalb auch, 2022 am Tourenwagen Junior Cup - eine Einsteigerserie, die auf fünf berühmten Rennstrecken (Oschersleben, Nürburgring, Assen (NL), Hockenheim und Lausitzring), stattfindet - teilzunehmen. "Dort würde ich gerne Fuß fassen, um danach die nächsten Schritte zu gehen", sagt er. Langfristig gehen die Träume des Talents aus Schrobenhausen in Richtung schnellere Tourenwagen-Serien bis hin zur renommierten GT Masters-Klasse.
Das Problem: Vietzes großes Talent alleine wird auf diesem Weg vielleicht nicht reichen. "Denn Motorsport ist eben vor allem auch Geldsache", sagt Heike Vietze. Startgebühren, Versicherungen, Reisen und so weiter: All das steuert der Fahrer bei, der im Umkehrschluss von seinem Team das Auto und den vollen Service bekommt. Sich einfach so eine komplette Saison zu leisten, das können ohne Sponsoren wohl die wenigsten, weshalb die Familie Vietze aktuell weiterhin dabei ist, Kontakte zu knüpfen, Sponsoren zu suchen und eben ganz generell Lösungen für die Zukunft zu entwickeln, um Florian Vietze doch seinen großen Traum zu erfüllen.
In die Saison starten möchte der Schüler, der bald eine Ausbildung zum KfZ-Mechatroniker beginnt, nächstes Jahr nämlich unbedingt - und vorher noch so viel Erfahrung wie möglich sammeln. "Ich habe eine erste Chance bekommen", sagt Vietze: "Und diese möchte ich jetzt auch nutzen. "

SZ