Berg im Gau
"Ich vermisse im Endeffekt gar nichts"

Im Gespräch mit Mariusz Suszko, der einst von einer Profikarriere träumte und mittlerweile für den BSV Berg im Gau spielt

31.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:51 Uhr
Stationen einer bewegten Karriere: Mariusz Suszko (l.) im August 2012 als Spieler des SV Seligenporten in einem Laufduell mit dem späteren Weltmeister Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern München sowie (r.) im Trikot des SV Waldhof Mannheim im September 2010 während einer Oberligapartie gegen den SGV Freiberg. −Foto: Imago images

Berg im Gau - Beim BSV Berg im Gau sehen sie Mariusz Suszko schon längst als einen "der Ihren" an.

 

Und auch der 33-Jährige selbst fühlt sich beim Kreisklassisten im Altlandkreis Schrobenhausen pudelwohl. "Wie dahoam" sei es hier aus seiner Sicht - und das liege definitiv nicht nur am "einzigartigen Wurstsalat " von BSV-Vereinswirt Joe Schaller, den der Spielertrainer immer wieder in vollen Zügen genießt. Ja, auch sportlich befinden sich die Berg im Gauer wieder auf einem guten Weg. Nach sehr turbulenten Zeiten in den Vorjahren ist, seitdem ,Sushi' 2019 zu ihnen gekommen sind, durchaus wieder Ruhe bei ihnen eingekehrt. "Aber am Ziel sind wir deshalb noch lange nicht", so der gebürtige Pole: "Wir wollen noch geschlossener werden, wollen völlig ohne Druck noch deutlich mehr Siegermentalität in das Team hineinbringen. Wir wollen eine echte Siegermannschaft werden - und keine Elf, die sich nur mit Unentschieden begnügt. "

Daher habe es bei ihm und der Klubführung auch keine Zweifel darüber gegeben, dass sie längerfristig zusammenarbeiten wollen - mit der Konsequenz, dass der sowieso schon bis 2021 gültige Vertrag schon jetzt bis 2022 verlängert wurde. "Ganz schnell am Telefon" habe man sich darauf geeinigt, berichtet Abteilungsleiter Simon Eisenberger. Man versteht sich eben mit Suszko. Mit einem Mann, der im Laufe seiner Fußballerkarriere schon so immens viel erlebt hat, wie nun auch im folgenden Gespräch mit der Schrobenhausener Zeitung deutlich wird.

VfB Mörnsheim, VfB Eichstätt, SC Schwabach 04, 1. FC Nürnberg, FC Augsburg, 1. FC Kaiserslautern, SV Waldhof Mannheim, TSV Rain, TSV Gersthofen, SV Seligenporten, BC Aichach, FC Gerolfing, SpVgg Landshut, FC Pipinsried, TSV Pöttmes, SV Karlshuld, BSV Berg im Gau: Mariusz, wer war Dir von Deinen bislang 17 Klubs der liebste und weshalb?
Mariusz Suszko: Hm, das ist eine ganz schwierige Frage. . . Ich habe mit fast allen Vereinen gewisse Erfolge erzielt und teilweise wirklich unvergessliche Momente erleben dürfen. Beim FCA schnupperte ich zudem erstmals Profiluft, aus Kaiserslautern blieb mir die einzigartige Atmosphäre auf dem Betzenberg in Erinnerung - und von meiner Zeit "beim Waldhof" die tolle Stadt mit ihren unfassbar zusammenhaltenden Fans.

Wenn Du jetzt spontan Deine allerschönsten Momente nennen solltest. . ?
Suszko: Dann würde ich den Regionalliga-Aufstieg 2011 mit den Mannheimern vor ausverkauftem Haus im Carl-Benz-Stadion und den sportlich eigentlich unmöglichen Bayernliga-Klassenerhalt 2009 mit dem TSV Rain am Lech wählen. Auch in Seligenporten, wo ich super Menschen kennengelernt habe, hatte ich super Zeiten. Und klar, in der Jugend zuerst in meinem Heimatdorf Mörnsheim, dann beim VfB Eichstätt, in Schwabach und beim 1. FC Nürnberg gab es ebenfalls megaviel zu erleben. Ich durfte mit wirklich vielen außergewöhnlichen Trainern zusammenarbeiten, das prägte mich auch menschlich.

Dann drehen wir den Spieß mal um: Wo hat es Dir überhaupt nicht gefallen?
Suszko: Na toll, diese Frage ist jetzt auch nicht leichter (lacht). Grundsätzlich bin ich ein Typ, der sich sofort integriert und im Vereinsleben dabei ist - aber zugegebenermaßen gab es dann schon den einen oder anderen Verein, der vielleicht nicht immer alles eingehalten hat, was im Vorfeld versprochen worden war. Da war es natürlich nicht immer ganz so schön. Das hatte allerdings nicht direkt mit dem Verein an sich zu tun, sondern mit einzelnen Personen, die zwar große Pläne besaßen - aber keinen Plan, wie diese Ziele zu erreichen gewesen wären.

 

Ärgern Dich im Nachhinein Deine vielen Klubwechsel, oder ging es einfach nicht anders?
Suszko: Na ja, direkt ärgern tun sie mich nicht. Ich konnte dadurch viele Facetten in diesem Bereich kennenlernen - sowie viele Trainer, Manager und sehr viele Mannschaftskollegen, was mir natürlich sehr viele Kontakte bescherte. Auch für meine Persönlichkeit an sich war das alles sehr hilfreich. Ich glaube schon, dass sie den eigenen Charakter prägten.

 

Und Du durftest im Nachwuchsbereich zudem den Adler auf der Brust tragen, warst mehrfacher polnischer Juniorennationalspieler. Welche Erinnerungen hast Du noch daran?
Suszko: Natürlich nur gute. Ich war von der U17 bis zur U20 in regelmäßigen Abständen bei Lehrgängen, Turnieren sowie Länderspielen dabei - und natürlich stellte es für mich eine ganz besondere Ehre dar, für mein Land aufzulaufen, in dem ich einst geboren worden war. Als ich das erste Mal die Hymne vor dem Anpfiff hörte - nein, diesen Moment werde ich niemals mehr vergessen.

Und trotzdem langte es für Dich nicht zum ganz großen Durchbruch. Was hat letztendlich dazu gefehlt? Hattest Du die falschen Berater?
Suszko: Diese Fragen stellen sich viele Spieler wie ich, die es auch nicht ganz gepackt haben, ebenfalls tagtäglich: Wieso nicht? Warum nicht? Weshalb nicht? Antworten hierauf findet man aber nie wirklich. Ich bin mittlerweile so weit, dass ich behaupte, dass bei mir das Zusammenspiel von mehreren Punkten den Ausschlag gab: Selbstschuld, nicht die richtigen Berater, kein Glück, schlechtere Beziehungen als andere - sowie Trainer, die keinen Mut hatten, junge Spieler ins kalte Wasser hineinzuwerfen. In diesem Fußballgeschäft hängen wirklich extrem viele Dinge zusammen. Bei mir kam hinzu, dass man zu meiner Zeit damals noch mit 21 Jahren als junger Spieler galt. Da hieß es immer wieder: "Geduldig bleiben, du hast noch sooo viel Zeit. " Das erzähle heute mal einen! Wenn du jetzt nicht im Alter von 17 bis 20 Jahren bei einer Profimannschaft regelmäßig zum Einsatz kommst, wirst du plötzlich mit 21 von 17 bis 19-Jährigen ersetzt.

Was genau willst Du damit ausdrücken?
Suszko: Meine Generation war einfach mehr von Erfahrung geprägt, und das fiel damals besonders in der 2. Liga, in der ich beim FC Augsburg sowie beim 1. FC Kaiserslautern unter Vertrag stand, ins Gewicht - nicht unbedingt zu meinen Gunsten. Vielleicht hätte ich mal den Sprung ins Ausland wagen sollen. Aber im Nachhinein kann man immer sagen: "So oder so wäre es besser gewesen. " Zweifellos, ich hätte Vieles anders machen können. Nur wo fängt man an und wo hört man auf?

 

Wie hat sich der Mensch Mariusz Suszko über all die Jahre verändert? Warst Du in Deiner Jugendzeit ein anderer Typ mit anderen Charaktereigenschaften als jetzt?
Suszko: Der Mensch Mariusz Suszko hatte keine Wahl, er musste sich schnell entwickeln. Ich bin schon im zarten Alter von 16 Jahren von meinem Wohnort Mörnsheim aus losgezogen, um dem großen Traum "Fußballprofi" nachzugehen. Ich war bereits damals auf mich gestellt, hatte damals beim Club in Nürnberg einen Zweijahresvertrag unterschrieben - und damals gab es noch keine Jugendinternate bei den Profivereinen. Ich wohnte deshalb zunächst - dank der Zustimmung meiner Eltern - allein in einer Einzimmerwohnung hinter dem Hauptbahnhof in der Südstadt. Einmal pro Woche schaute ein Betreuer bei mir vorbei, und gegessen haben wir Spieler am Clubgelände in der ehrwürdigen Stuhlfauth-Stuben.

Deine Augen leuchten ja bei den Erinnerungen daran. . .
Suszko: Stimmt, das war für mich als Mensch mit die prägendste Zeit in meinem Leben. Sie war für meine weitere Entwicklung megawichtig. In sportlicher Hinsicht wäre ein richtiges Internet für mich allerdings viel besser gewesen.

Bist Du mit Deiner Karriere zufrieden - oder hast Du rückblickend den Eindruck, irgendetwas verpasst zu haben?
Suszko: Vorhin habe ich es bereits gesagt: "Wo fängt man an, wo hört man auf? " Zugegeben, ich hätte mal das Ausland probieren sollen - aber ansonsten muss ich ehrlich zugeben: Ich war einst losgezogen, um meinen Traum zu verwirklichen - und bin objektiv daran gescheitert. Trotzdem hatte ich eine Megazeit und eine sehr lange Laufbahn mit vielen Erfolgen sowie mit vielen tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Das ist ebenfalls durch nichts zu ersetzen. Nein, ich vermisse im Endeffekt gar nichts. Ich denke vielmehr sehr gerne an die Vergangenheit zurück - und ein bisschen Profiluft durfte ich ja auch schnuppern. Das schafft schließlich nicht jeder, darauf bin ich schon stolz.

Ärgert es Dich, dass Du aufgrund Deiner vielen Vereine schnell mal als "Söldner" abgestempelt wirst - ohne dass Dich die Menschen überhaupt ein bisschen näher kennen?
Suszko: Nein, meine Laufbahn ist nun einmal so gelaufen. Vielen ergeht es so wie mir, nicht jeder hat wie Francesco Totti oder Lionel Messi nur einen Verein im Leben. Die meisten Fußballer wechseln mindestens einmal - und werden selbst da bereits wüst beschimpft, nur weil sie einmal etwas Neues ausprobieren wollen. Man kann es in dieser Branche eben nicht jedem recht machen. So ist eben der Fußball.

Wenn Du die Möglichkeit hättest: Was würdest Du nun anders machen?
Suszko: Das ist sowieso nicht möglich - also ist alles gut so, wie es ist. Ich bin verheiratet, habe einen tollen Sohn, kaufe jetzt ein Haus und bin bei einem Megaverein namens BSV Berg im Gau, bei dem ich vor kurzem meinen Vertrag bis 2022 verlängert habe. Das Leben fragt dich nicht, wohin dein Weg geht. Du musst in vielen Situationen selbst Entscheidungen treffen - ich habe meine getroffen, und auf diese muss ich jetzt kontinuierlich aufbauen. Das gilt eben auch im sportlichen Bereich, in dem ich aktuell dabei bin, meinen nächsten Trainerschein (DFB Elite Jugend) zu absolvieren.

 

Du bist also mittlerweile stolzer Familienvater. Wie wichtig ist das für Dich?
Suszko: Es gibt für mich nichts Wichtigeres in meinem Leben! Ich möchte versuchen, für meinen Sohn der beste Vater zu sein, ihm ein besseres Leben bieten zu können - und ihn vor Fehlentscheidungen zu bewahren, falls er sich irgendwann dazu entscheiden sollte, auch Fußballer zu werden. Er hat also dann den allerbesten Berater, den man überhaupt haben kann (lacht).

Was hast Du in sportlicher Hinsicht noch genau vor?
Suszko: Ich möchte minde-stens bis zur A-Lizenz selbstständig meine Trainerscheine machen - um damit in Zukunft mein sportliches Wissen möglichst vielen Fußballern weitergeben zu können.

Du hattest ja bislang eine Vielzahl an namhaften Trainern, von denen Du seine Menge lernen konntest. . .
Suszko: In der Tat fallen mir da jetzt spontan Thomas Tuchel, Milan Sasic, Reinhold Hintermaier, Rainer Hörgl, Karsten Wettberg, Alois Schwartz, Kurt Kowarz, Herbert Zanker, Robert Heringlehner, Thomas Roy, Roland Bahl, Ilija Aracic, Kjetil Rekdal, Reiner Hollich, Jürgen Steib sowie Ignaz Seitle ein. Und denjenigen, die ich jetzt vergessen habe, gebe ich irgendwann etwas aus (lacht). Aber im Ernst: Man sieht schon, dass ich bei der geballten Fußball-Fachkompetenz lernen durfte. Diese dort gewonnenen Erkenntnisse möchte ich nun selbst Spielern mit auf dem Weg geben - wobei man selbstverständlich auch bei denen dann nicht sagen kann, wohin genau ihr Weg führen wird.

Wie bezeichnest Du Dich aktuell am liebsten? Als Ingolstädter? Als Bayer? Als Deutscher? Als Berg im Gauer? Als Pole?
Suszko: Ganz einfach als "Sushi" oder Coach.

Wann bist Du - nicht nur auf das Sportliche gesehen - hundertprozentig glücklich?
Suszko: Definitiv dann, wenn es meiner Familie gut geht und sie gesund ist. Sportlich bin ich glücklich, wenn man zufrieden mit meiner Arbeit ist.

Zum Schluss noch eine eher rhetorische Frage: Hast Du schon jemals einen besseren Wurstsalat gegessen als bei Joe Schaller, dem Berg im Gauer Vereinswirt?
Suszko: Definitiv nicht. Und ich freue mich schon darauf, das jetzt noch weiterhin bis mindestens 2022 tun zu dürfen.

SZ

Das Gespräch wurde geführt von Roland Kaufmann.