Pipinsried
"Ich habe ein sehr ungutes Gefühl"

Vereinsboss mit Kultstatus: Konrad Höß nimmt nach 51 Jahren an der FCP-Spitze seinen Hut

15.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

Pipinsried (SZ) Der Kultstatus des FC Pipinsried hängt in erster Linie mit seinem Präsidenten zusammen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert hört der am heutigen Freitagabend auf und übergibt damit auch sein Lebenswerk in andere Hände.

Konrad Höß wirkt eigentlich ganz entspannt, als er am Donnerstagvormittag im Sportheim des FC Pipinsried sitzt. Die Mütze auf dem Kopf, die Arme lässig auf den Stuhllehnen abgelegt - und das typische Schmunzeln im Gesicht: Es scheint, als sei der 77-Jährige besonders gut gelaunt. "Ich habe mich eben gut im Griff", sagt Höß. "Doch im Bauch sieht es etwas anders aus", betont er und fügt an: "Ich habe ein sehr ungutes Gefühl."

Am Abend des 16. Februar 2018 endet in Pipinsried eine Ära. Dann nämlich, wenn Höß seinen Posten als FCP-Vereinsvorsitzender bei der Jahreshauptversammlung an seinen Nachfolger Roland Küspert übergeben wird. Angekündigt hatte der 77-Jährige das schon mehrfach, doch nun ist die Entscheidung endgültig. In erster Linie aus gesundheitlichen Gründen möchte Höß kürzertreten. Doch wohl auch ein bisschen, weil er sich bei den aktuellen Entwicklungen aus seiner Rolle gedrängt fühlt. "Ich glaube, manche Leute im Hintergrund kommen mit meinem Führungsstil nicht mehr zurecht", vermutet er. Am heutigen Freitagabend steht unter anderem eine Satzungsänderung auf der Tagesordnung, durch die der Weg zur Ausgliederung der ersten FCP-Fußballmannschaft in eine GmbH geebnet werden soll. Es ist ein Schritt, um den sportlichen Erfolg wohl längerfristig zu sichern. Womöglich ist es durch Höß €˜ Rückzug aber auch ein Schritt, bei dem der Verein einen Großteil seines Kultpotenzials verliert.

51 Jahre lang hat Höß als Präsident den FC Pipinsried geleitet. Der gebürtige Pipinsrieder hatte den kleinen Dorfklub 1967 mit ein paar Freunden gegründet. Er hat ihn groß gemacht, repräsentiert, verteidigt und letztlich auch sportlich von der untersten Klasse in die Regionalliga Bayern geführt. Streitbar war und ist Höß immer. Doch durch seine charismatische Art kann er es eben auch besonders gut mit den Leuten, was letztlich fast immer dem Verein zugutekam. Der FC Pipinsried ist ein großer Teil von Höß €˜ Leben. Oder besser: Der FCP ist neben seiner Familie Höß €˜ Leben.

Ein bisschen wehmütig wird der 77-Jährige deshalb schon, wenn er an die vergangenen Jahrzehnte zurückdenkt. Natürlich seien die Aufstiege besonders schön gewesen. Nicht so sehr der in die Regionalliga im Frühjahr 2017, sondern vor allem die früheren. Höß deutet auf ein paar Mannschaftsfotos im Sportheim: In Brunnen etwa war der FCP damals, als der Präsident selbst noch als Spieler aktiv gewesen war, aus der C-Klasse aufgestiegen. Ein paar Jahrzehnte später ging es von der Bezirksliga in die Landesliga hoch. "Das waren besonders schöne Zeiten", schwärmt er noch heute. Und es ist sicher kein Zufall, dass er im Rückblick vor allem diese früheren Geschichten erwähnt.

Höß €˜ größte Angst ist nämlich nicht, dass der Verein sportlich wieder aus der Regionalliga absteigen könnte - sondern vor allem, dass er seinen speziellen Charakter verliert. "Ob wir die Regionalliga halten, ist für mich sekundär", sagt er. Natürlich sei es toll, wenn jetzt 1000 Zuschauer nach Pipinsried kämen und sich der kleine Dorfklub mit den namhaften Münchner Löwen messen dürfe. "Doch es geht mir vielmehr um den Gesamtverein und darum, wie man die Leute - zum Beispiel die langjährigen Mitglieder - behandelt. Es hängt eine ganze Menge mehr dran, als sich so mancher vorstellt", betont Höß.

Niemand weiß das besser als er, schließlich hat der 77-Jährige in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur den Verein geführt, Spieler verpflichtet, Sponsoren an Land gezogen und ein finanzielles Polster geschaffen, sondern auch an allen Stellen selbst Hand angelegt: als Platzwart bei der Pflege der Anlage sowieso, aber beispielsweise auch bei der Belebung des Sportheims. Bauernversammlungen, Schafkopfturniere und vieles mehr hat Höß dort organisiert. "Teilweise standen die Leute in einer langen Schlange vor dem Sportheim, um reinzukommen", erinnert er sich. "Jetzt finden dann wieder Regionalliga-Pressekonferenzen statt - und auf dem Klo geht das Klopapier aus", sagt er, um zu verdeutlichen, wie selbstverständlich alle Details in den vergangenen Jahren waren, um die sich er und seine Frau Kathi persönlich gekümmert haben.

Viele Leute hätten ihn deshalb in den vergangenen Wochen angerufen und gefragt, wie es denn jetzt weitergehe - ohne ihn? "Was genau passieren wird, ist fraglich", sagt Höß, der betont: "Es könnte auch so ausgehen, dass es einen kompletten Abbruch gibt, sodass ich kein Spiel mehr anschaue". Er sei weder empfindlich, noch nachtragend - "aber die bisherigen Gespräche haben mir nicht gefallen, und wenn ich sehe, dass es nicht läuft, möchte ich es am liebsten gar nicht mehr mitbekommen."

Am heutigen Freitagabend wird er wohl als Ehrenpräsident vorgeschlagen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass er mit seinem Know-How weiterhin die Anlage pflegt. "Aber ich habe mich in den vergangenen Monaten schon mehrfach geprüft und glaube, dass ich auch ganz loslassen könnte", sagt er. Selbst wenn die Bedenken und Sorgen um sein Lebenswerk nach wie vor groß sind.

Im Sinne des Vereins hofft Höß natürlich, dass alles gut ausgeht und sich Küspert sowie sein Team in der neuen Rolle sehr schnell zurechtfinden werden. "Der Roland Küspert ist ja ein fleißiger Mann, der auch mit den Leuten im Dorf gut kann", sagt der 77-Jährige und fügt mit einer Mischung aus Hoffnung und Sorge an: "Vielleicht täusche ich mich ja und merke irgendwann, dass auch ein Konny Höß zu ersetzen ist." Eine Vorstellung, die im speziellen Fall des kleinen Dorfklubs und seines (Noch-)Präsidenten momentan noch ausgesprochen schwerfällt.