Die Ice Ducks vom Entenweiher

08.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:54 Uhr
Erschöpft, aber glücklich: Die Ice Ducks Schrobenhausen nach einer Eiszeit am Samstagvormittag. −Foto: M. Vogt

Die Lage im "Eishockey-Dreieck" - zwischen Augsburg, Ingolstadt und Pfaffenhofen - ist ja eigentlich ein gutes Vorzeichen, doch mehr als ein paar Versuche auf dem (selten zugefrorenen) "Entenweiher" gab es in Sachen Eishockey in Schrobenhausen in letzter Zeit nicht. Für ein paar Freizeitsportler war das eindeutig zu wenig: Sie gründeten vor ein paar Jahren die Ice Ducks Schrobenhausen und gehen inzwischen regelmäßig ihrem Lieblingshobby nach.

Es ist ein regnerischer Samstagmorgen, der, wenn man ganz ehrlich ist, weder zum Sommer-, noch zu irgendeiner Form von Wintersport einlädt. Schon gar nicht um diese unchristliche Zeit in der Früh um halb acht. Vincenz Soier gähnt. Warum er und sein Bruder Sebastian jetzt schon unterwegs sind? "Weil es schwierig ist, ansonsten überhaupt eine regelmäßige Eiszeit zu bekommen", erklärt er. Also nehmen die Soier-Brüder und ihre Teamkollegen gerne ein paar Widrigkeiten in Kauf. Die Ice Ducks sind an diesem Samstag auf dem Weg in die Stadtwerke-Arena, das Pfaffenhofener Eisstadion. Sie wollen dort, so oft es nur geht, ihrem Lieblingssport nachgehen.

Begonnen hatte alles vor vielen Jahren auf einem Parkplatz in Schrobenhausen. Damals, Mitte der 90er, als die Freizeitsportler vor allem Rollen anstatt Kufen, Beton anstatt Eis unter ihren Füßen hatten. Inline-Hockey war angesagt, auch im Schrobenhausen. "Wir haben jedes Wochenende in einer immer größer werdenden Runde gespielt, manchmal sogar spontan Turniere veranstaltet", erinnert sich Christoph Soier, der damals als einer der Gründer der Hobbyrunde mit dabei war und noch viele Anekdoten aus dieser Zeit kennt. Einmal, erzählt er, sei eine Gruppe von anderen Hockeyspielern aus Angst, den späteren Ice Ducks ihr Revier streitig zu machen, vor ihnen geflohen. Soier und Co, die damals noch froh um jeden Mitspieler waren, fuhren ihnen hinterher und holten sie zurück. Einer davon ist bis heute ein festes Mitglied des Eishockeyteams.

Im Winter nämlich trafen sich alle dann, so oft es ging (und bis spätnachts), auf dem als "Entenweiher" bekannten Eisweiher in der Georg-Leinfelder-Straße. Das Dumme: Der war nicht immer zugefroren, ein richtiges Spiel kaum möglich. "Wir wollten das alles regelmäßiger und professioneller", erzählt Kapitän Andi Müller. Er und ein paar Gleichgesinnte, mit dem Kern in Schrobenhausen und Umgebung, gründeten also - zusammengesetzt aus den Bezeichnungen ihres heimatlichen Weihers - die Ice Ducks. Seitdem wuchs das Interesse von "Mitgliedern" (das Team ist kein eingetragener Verein) immer weiter an.

Auch an diesem Samstag ist in der Kabine des Pfaffenhofener Eisstadions schon einiges los. Der Umkleideraum ist voll. Nicht nur wegen der 18 Spieler, die bei dieser Einheit dabei sind, sondern vor allem wegen ihres Zubehörs. Riesige Taschen füllen den Raum. Ein paar Schoner hier, eine Auswahl von Schlägern da, diverse Helme. Das Präparieren für die eineinhalbstündige Eiszeit dauert entsprechend lang. Mit am längsten braucht Christian "Gonzo" Stegmayr aus Langenmosen, der sich seine komplette Torhüterkluft anlegen muss. Früher sei er vor allem Fußballfan gewesen, erzählt er. "Doch vor ein paar Jahren habe ich Eishockey für mich entdeckt." Seitdem schlägt Stegmayrs Herz nicht (nur) für den runden Ball, sondern vor allem für die runde Scheibe.

Sogar Trikots haben die Ice Ducks, natürlich mit einem eigens designten Logo. Und ja, ein bisschen erinnern die blauen Jerseys an die Ingolstädter Panther - was nicht bei jedem Spieler gut ankommt, schließlich sind manche auch Fans der anderen Panther, der aus Augsburg. Auf dem Rücken stehen die Spitznamen wie "Müllerin" oder "Tschechischer Blitz". Auch Pullover mit dem eigenen Logo gibt es. "Für unsere Kleidung sind wir schon des Öfteren gelobt worden", sagt Christoph Soier, der selbst seit ein paar Jahren verletzungsbedingt pausieren muss.

Die anderen Spieler finden sich nach ein paar Runden auf dem Eis und ein paar Schüssen zum Warmwerden schließlich an der Bande zusammen. Dort liegt auch eine Taktiktafel. Und einer, der eine Menge Ahnung davon hat, greift sie sich. Tim Maier hat früher für die ERC-Jugend in der Deutschen Nachwuchsliga (DNL) gespielt, bis er wegen diverser Verletzungen seinen Traum von der möglichen Profikarriere aufgeben musste. Jetzt erklärt er seiner Freizeitmannschaft ein paar Spielzüge und Übungen. Immer wieder unterbricht er auch. "Da musst du hinfahren", oder "Das muss im Spiel schneller gehen", sagt er mit bestimmtem Ton und erklärt: "Wir wollen schon versuchen, die nächsten Schritte zu machen, die Jungs auch taktisch weiterentwickeln." Das Motto: Gaudi - ja. Aber eben auch mit einem gewissen Anspruch.

Ob es das Ziel sei, auch irgendwann einmal im Ligabetrieb mitzuspielen? "Nein", sagt Müller. Zum einen sei das Niveau selbst in den untersten Klassen schon sehr hoch. Zum anderen habe man ja gar keine eigene Spielstätte, um die Heimpartien auszutragen. Eine Freizeitliga gibt es. In der spielen die Schrobenhausener zwar (noch) nicht mit, an Turnieren nehmen sie aber schon regelmäßig teil. Zum Beispiel am 16. März in Pfaffenhofen. Außerdem gibt es regelmäßig Freundschaftsspiele. So wie am vergangenen Wochenende, als das Ice-Ducks-Team der Ingolstädter Polizeimannschaft gegenüberstand, am Ende mit 3:9 verlor. Spaß hätte es trotzdem gemacht, lehrreich sei es außerdem gewesen, sagt Sebastian Soier, der "Kassenwart", der sich zusätzlich auch um organisatorische Dinge kümmert.

Mit ein paar anderen Freizeitmannschaften - zum Beispiel den Sputniks aus Pfaffenhofen oder einem Team aus Vohburg - seien über die Zeit Freundschaften entstanden. Immer wieder kommen auch Spieler dieser Mannschaften zu den Eiszeiten am Samstagvormittag. Im Umkehrschluss nutzen ein paar Ice Ducks die Trainingseinheiten anderer Teams als Gastspieler. Zum Beispiel am Freitagvormittag. "Hartz-IV-Eishockey" nennt Müller das wegen der ungewöhnlichen Zeit scherzhaft.

Beim Abschlussspiel der eigenen Einheit steht sich am Samstagvormittag eine Mannschaft in blauen und eine in weißen Trikots gegenüber. Die Angriffe haben (meistens) Sinn und Verstand. Es wirkt jedenfalls nicht wie eine Truppe, die auf gut Glück mit Schlägern rumhantiert oder einfach mal die Sportart ausprobieren möchte. Ganz im Gegenteil. Recht sicher auf den Schlittschuhen ist jeder. Zweimal läuft Vincenz Soier in aussichtsreicher Position auf das gegnerische Tor zu, scheitert jeweils am starken Goalie. "Mist. Einen davon muss ich mindestens machen", ärgert er sich über die vergebenen Chancen. Seine Mannschaft verliert am Ende mit 0:4. Sportlich fair klatschen alle ab.

Generationenübergreifend: Das ist auch so ein Stichwort, das zu den Ice Ducks passt. Der jüngste Spieler, der regelmäßig dabei ist, ist 20 Jahre alt, Hans "Joe" Wiesinger steht mit 57 noch mit auf dem Eis. Der Ingolstädter ist Lehrer in Schrobenhausen, außerdem Vorsitzender der Skaterhockey-Abteilung des ERC Ingolstadt ("Lumberjacks"). "Ich freue mich ja, dass mich die Jungen noch ein bisschen mitspielen lassen", sagt er mit einem Lachen.

Nach dem Spiel geht es für die meisten schließlich zurück in die Kabine. Das Ausziehen der Schutzkleidung dauert wieder eine ganze Weile. Ein paar bleiben noch an der Bande stehen, ratschen weiter. "Da gibt es immer die richtigen Expertengespräche", sagt Wolfgang Hofbauer, ein Ice Duck aus Schweitenkirchen, schmunzelnd. Manchmal seien Spieler nach der eigenen Eiszeit noch den ganzen Tag über im Stadion geblieben, um entspannt die diversen Nachwuchs- und Herrenspiele der Pfaffenhofener zu beobachten. Natürlich mit dem einen oder anderen Getränk in der Hand. Auch das gehört zu einer richtigen Freizeitmannschaft dazu. Genauso wie gemeinsames Public Viewing. Das olympische Finale zwischen Deutschland und Russland verfolgten im Februar 2018 ein paar Ice Ducks in aller Früh im Herzoganger-Kino.

Was das Team in Zukunft noch für Ziele hat? Müller muss da nicht lange überlegen. Vor allem der Schrobenhausener Teil der Ice Ducks hat nämlich schon lange einen Wunsch: "Wir träumen immer noch von einer professionellen Fläche, auf der man in Schrobenhausen Inline-Hockey spielen und die man im Winter zu einer Eisfläche aufspritzen kann", sagt er und fügt an: "Dabei geht es aber gar nicht in erster Linie um uns. Wir wollen einen sicheren Platz für die zukünftigen Generationen. Damit die Kinder Hockey spielen können, ohne dauernd auf Autos aufpassen zu müssen." Für diesen Traum suchen die Ice Ducks schon seit längerer Zeit Unterstützer. Auch interessierte Eishockeyspieler sind im Freizeitteam übrigens stets willkommen.

Am heutigen Samstag trifft sich die Mannschaft aber erst einmal zu seiner Weihnachtsfeier. Mitte Februar, ein eher ungewöhnlicher Zeitpunkt dafür. Genau wie die Eiszeit am Samstagmorgen. Für die Ice Ducks alles kein Problem, solange sie weiterhin gemeinsam und regelmäßig ihrer Leidenschaft nachgehen können.

Matthias Vogt