Eichstätt
Werbung in eigener Sache

Marcel Schelle will in den Profifußball - und der VfB Eichstätt hat bis dahin einen Spieler der Extraklasse im Team

04.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:44 Uhr
Wehendes blondes Haar, Spielverständnis und Passsicherheit sind die Markenzeichen von Marcel Schelle. Seine Station in Eichstätt wird wohl nur ein Zwischenschritt in Richtung Profitum sein. −Foto: Traub

Eichstätt (DK) Marcel Schelle ist am Freitagabend beim ebenso furiosen wie irren 3:2 (0:1)-Heimsieg des VfB Eichstätt über den FC Augsburg II mit einer Torvorlage und dem Siegtreffer einmal mehr der "Mann des Tages" gewesen. Für den 21-Jährigen soll der VfB nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in den bezahlten Fußball sein. Denn: Schelle strebt nach mehr, er will Profi-Fußballer werden.

Dafür betreibt er nun Woche für Woche Werbung in eigener Sache. Mit Übersicht, gutem Spielverständnis, Ball- und Passsicherheit sowie gekonnten Dribblings drückt er dem Eichstätter Spiel seinen Stempel auf. Er gibt im Mittelfeld den Takt vor und hat das richtige Gespür, das Spiel schnell oder auch mal langsam zu machen.

Obwohl das alles alleine schon einen guten Spieler ausmachen würde, ist er zu alledem auch noch torgefährlich. Schon vor 14 Tagen - beim 3:1 Sieg über den VfR Garching - hatte der Blondschopf eine überragende Vorstellung abgeliefert und zwei Tore zum Erfolg beigesteuert. Seine bisherige Saisonbilanz liest sich gut: neun Spiele, vier Tore und zwei Torvorlagen. Doch wer ist dieser Marcel Schelle, der sich erst im Sommer den Grünhemden angeschlossen hat und nun - nach einer schweren Verletzung - endlich den Durchbruch schaffen möchte?

Bei seinem Heimatverein ASV Weinzierlein/Wintersdorf im mittelfränkischen Landkreis Fürth jagte der Zirndorfer unter den Fittichen seinen Vaters erstmals dem Ball hinterher. Das große Talent sprach sich alsbald herum und der 1. FC Nürnberg wurde auf den filigranen Techniker aufmerksam. Dort kickte er dann unter anderem mit den aus Raitenbuch stammenden Kammerbauer-Zwillingen David (SpVgg Ulm, Regionalliga Südwest) und Patrick (SC Freiburg, 1. Bundesliga) bis zur U15. Über Rot Weiß Erfurt (bis 2013) und den FC Ingolstadt 04 (2013-2014) wechselte der 1,80 Meter große Mittelfeldspieler schließlich ins Erzgebirge nach Aue (2014-2016).

Obwohl er damals noch für die U19-Junioren spielberechtigt gewesen wäre, stand er dort bereits im erweiterten Kader der Profimannschaft. Zu einem Einsatz in der Dritten Liga kam es aber nicht. "Als jüngerer Jahrgang durfte ich immer mal wieder bei den Profis mittrainieren. Im zweiten A-Jugend-Jahr war ich dann Führungsspieler sowie Kapitän und es lief ganz gut. In den Vorbereitungsspielen bei den Profis habe ich auch einige Tore gemacht. Warum es dann aber letztendlich nicht für einen Einsatz in einem Drittligaspiel gereicht hat, ist ganz schwierig zu sagen", berichtet Schelle und ergänzt: "Für mich war das sehr schade, weil es - aus meiner Sicht - leistungstechnisch möglich gewesen wäre. Aber zu diesem Zeitpunkt hat es anscheinend noch nicht sollen sein." Da half es seinerzeit auch nichts, dass der Hitzhofener Tomislav Stipic der Trainer war.

Doch Schelle hat seinen Traum vom Profifußball noch längst nicht aufgegeben. "Ich hoffe, dass wir mit Eichstätt eine sehr erfolgreiche Saison spielen und dass es dann auch für mich mindestens einen Schritt nach oben geht", sagt er. Schließlich hat der Mittelfranke mit den halblangen blonden Haaren bislang alles auf die Karte Fußball gesetzt, ohne dabei die Schule zu vernachlässigen. "Ich bin immer auf Sportschulen gegangen, damit ich beides gut unter einen Hut bringe. Das war trotz alledem ein richtiger Fulltime-Job", versichert der Abiturient, der eine Ausbildung oder ein Studium vorerst hinten angestellt hat. Nur deshalb sind auch die exakt 92 Kilometer von seiner Haustür in Zirndorf bis auf den Sportplatz in Eichstätt zeitlich machbar. An den Vormittagen arbeitet er mit individuellen Übungen an seiner Karriere, die ziemlich genau vor einem Jahr mächtig ins Stocken geriet. Schelle hatte sich das vordere Kreuzband gerissen, auch der Innen- und Außenmeniskus waren lädiert. Vor allem in dieser für den Kopf schwierigen Phase wusste er seine Familie hinter sich und erhielt die maximale Unterstützung. "Ohne wäre ich nie so weit gekommen. Meine Eltern oder mein Opa mussten mich ja beispielsweise auch immer zum Training nach Nürnberg fahren", erzählt er.

Mithilfe seines Bruders, einem ausgebildeten Physiotherapeuten, arbeitete der ehrgeizige Vollblut-Fußballer an einer schnellen Genesung und hart für sein Comeback. Nur fünf Monate nach der Operation stieg er schon wieder in das Mannschaftstraining beim SV Seligenporten ein - zu früh, wie sich herausstellen sollte. Denn wenig später machte ihm auch noch eine Verletzung der hinteren Oberschenkelmuskulatur einen Strich durch die Rechnung und alles zog sich hin.

Schelle wurde in der zurückliegenden Spielzeit nur noch einmal eingewechselt; insgesamt bestritt er in der Saison 2017/18 für den SVS lediglich vier Ligaspiele. Umso mehr freute er sich, dass ihn VfB-Trainer Markus Mattes unbedingt haben wollte. "Er hat mir die bedingungslose Unterstützung angeboten und die Eichstätter haben - um es sprichwörtlich zu sagen - keine Kosten und Mühen gescheut. Das ist für mich eine sehr große Wertschätzung, weil so etwas nach so einer langen Leidenszeit mit sehr wenigen Einsätzen überhaupt nicht selbstverständlich ist", weíß der Spieler mit der Rückennummer 6. Mit guten Leistungen zahlt er nun das Vertrauen zurück.

"Er hat einen Verein gebraucht, bei dem er neben dem Glauben an sein Können auch seine Einsatzzeiten bekommt", sagt Mattes und fügt an: "Wir waren immer von seinem Talent und den fußballerischen Fertigkeiten überzeugt. Bis jetzt hat er uns nicht enttäuscht. Dennoch muss Marcel in seinen Leistungen noch viel konstanter werden. Gegen Augsburg hatte er beispielsweise in der ersten Halbzeit ein paar leichtfertige Ballverluste und Probleme in der Umschaltbewegung." Selbstkritisch wie Schelle ist, sieht er das genauso und sagt: "Ich selbst habe definitiv nicht mein bestes Spiel gemacht. Als Mannschaft waren wir nach einer guten Anfangsphase schlecht in den Zweikämpfen und ließen die Augsburger gewähren. Da konnten wir wenig Positives mit in die Kabine nehmen."

Das 0:2 durch ein Eigentor sei dann "richtig bitter gewesen. Aber ab diesem Zeitpunkt hatten wir nichts mehr zu verlieren. Wir sind dann volles Risiko gegangen, haben über eine halbe Stunde gepresst und alle drei Tore erzwungen. Die Mannschaft hat zu keinem Zeitpunkt aufgegeben und immer an sich geglaubt."

Vor allem in der 65. Minute kamen Schelles Qualitäten zum Vorschein, als er bei einem Dribbling gegen mehrere Gegenspieler den Ball behauptete, die Ruhe und Übersicht behielt und die Kugel mustergültig quer auf den erst vor wenigen Tagen verpflichteten Michael Zant legte. Dieser hatte dann keine Mühe mehr, ins Tor einzuschieben - damit war die furiose Aufholjagd eingeleitet. "Die Vorbereitung hat der Marcel klasse gemacht. Das war richtig stark", lobte der 43-jährige Coach.

Nach dem 2:2 durch Sebastian Graßl (85.) startete Schelle ein glänzendes Solo nach einem Ballgewinn im Mittelfeld, ließ sich selbst von Sebastian Nappo, der ein taktisches Foul erzwingen wollte, nicht aufhalten und leitete seinen eigenen Siegtreffer ein. Mehr Werbung in eigener Sache geht nun wirklich nicht.