Abenberg
Golf als Therapie

Im mittelfränkischen Abenberg können Sportler mit Behinderung ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen

19.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:08 Uhr
Golf ist seine große Leidenschaft: Der 54-jährige Thomas Jandke vom GC Abenberg spielt trotz einer Behinderung an der Hand. −Foto: Winkel

Abenberg (DK) Es ist mucksmäuschenstill auf dem kurz geschnittenen Rasen. Thomas Jandke fixiert in schulterbreitem Stand den vor ihm liegenden Ball. Sekundenlang. Dann nimmt er einen tiefen Atemzug, hebt seinen Eisen-Vier-Schläger bis über die Schultern, schwingt ihn mit Unterstützung seiner rotierenden Hüfte zurück und gibt dem Golfball ein Maximum an kinetischer Energie mit auf den Weg. Er hält noch ein wenig nach und verfolgt den Ball, der über 170 Meter fliegt. Und lächelt.

Kann er auch. Ein Abschlag mit einer solchen Wucht und Präzision ist eine physiologische, koordinatorische und motorische Meisterleistung für den 54-Jährigen, der mit einer angeborenen Verkrüppelung der Hand lebt. Erstaunliches vollbrachten alle 36 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien, die am Wochenende bei den internationalen Bayerischen Meisterschaften für Golfer mit Behinderung am Start waren und in vier Handicap-Kategorien ihre Meister ermittelten.

Golf - das hätte sich der 54-Jährige früher kaum vorstellen können. Da hatte der Mann Benzin im Blut und führte als Motorradrennfahrer ein Leben auf der Überholspur. Dann 2010 erreichte ihn eine niederschmetternde Diagnose: Tonsillenkarzinom. Es folgte eine schwere Zeit mit Klinikaufenthalten, Operationen, Transplantationen und vielem mehr. "Es war die Hölle", sagt Jandke. Doch Aufgeben stand noch nie auf der Agenda des lebensbejahenden Berliners.

2012 fing er sich auf einer "Driving-Range" den Golf-Virus ein. Es war der Beginn seines "zweiten" Lebens. Sein Ehrgeiz war geweckt. Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Bei den deutschen Meisterschaften 2015 in Abenberg errang er mit einem Handicap von 20.9 gleich mal die Bronzemedaille in seiner Leistungsklasse.
Ein Jahr später schloss er sich dem GC Abenberg an und wurde eines von insgesamt 1020 Vereinsmitgliedern. "Abenberg ist meine sportliche Heimat geworden. Hier fühle ich mich wohl", sagt der drahtige Berliner, der sein ganzes Herzblut in den Golf-Sport steckt, und lächelt.

Doch nicht nur das. "Golf ist wie Therapie für mich. Dabei kann ich meinen eigenen Rhythmus finden." Den hatte er am Samstag zunächst vergeblich gesucht. Der erste Abschlag landete gleich im Wasser, die darauffolgende Annäherung an das Grün im angrenzenden Biotop. An Loch A3 gelang ihm dann ein Birdie - Jandke benötigte einen Schlag weniger als für dieses Loch vorgesehen - was er mit einem kurzen "Hey" quittierte. Danach folgte der eingangs erwähnte Abschlag auf A4, einem der anspruchvollsten Löcher auf dem gesamten Parcours. Jandke schien im Turnier angekommen. Doch wenig später steckte der Ball im Sandbunker fest. Es war und blieb ein ständiges Auf und Ab.

Bei seinen Begleitern war es nicht anders. Beim Golf spielt nämlich stets ein Trio miteinander und auch das schätzt der Wahl-Abenberger an seinem Sport. Zusammen mit Harry Steingraber aus Aschheim, Werner Pröbstl, dem Vizepräsident des Bayerischen Golfverbandes, sowie zwei Helferinnen legte er am Samstag die rund acht bis zehn Kilometer auf der 18-Loch-Anlage zurück. Gemeinsam freuten sie sich über gelungene Putts und ärgerten sich über Schläge in den Wald oder einen Sandbunker.

Angetan sind sie auch von der Natur - 110 Nistkästen für Vögel, Bienen und Hornissen haben die Abenberger auf der Anlage eigens aufgestellt. Ein Biberhabitat grenzt an das 125 Hektar große Areal, auf das sich sogar ein Reh verirrt hat. "Golf, Natur und Gemeinschaft gehören bei uns zusammen", sagt Club-Manager Michael Schalt. So etwas verbindet. Und tut gut.

Nach viereinhalb Stunden erreichte das Quintett das schmucke Clubhaus mit Blick auf die Burg Abenberg. Ein feierliches Essen am Abend beschließt diesen schönen Tag. Fehlt noch das Ergebnis: Nach einem guten zweiten Tag landete Jandke nur auf Platz acht. Und dennoch war er mit sich im Reinen.

Wolfgang Winkel