Ingolstadt
Bevor es richtig angefangen hat

Triathletin Sophia Saller vom SC Delphin beendet verletzungsbedingt ihre Karriere im Alter von 25 Jahren

12.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:35 Uhr

Sophia Saller vom SC Delphin Ingolstadt war in München schnellste Dame. - Foto: Stuffer

Ingolstadt - Im Sport werden vor allem die Karrieren zu Geschichten, die funktionieren.

Das ist im Triathlon nicht anders. Da gibt es die Bilderbuchkarrieren, wie die von Jan Frodeno mit Olympia-Gold, Ironman-Sieg auf Hawaii und Weltrekord beim Challenge in Roth. Für Karrieren, die viel zu früh enden, ist bei den Geschichten-Erzählern im Sport ziemlich wenig Platz. Sophia Saller hat genau so eine Laufbahn nun beendet. Nach zehn Jahren im Triathlonsport. Mit 25 Jahren. "Bevor es richtig angefangen hat, kam schon der Anfang vom Ende", sagt Saller. "Das ist schade. "

Im Grunde kann man Sallers Triathlon-Dekade in ziemlich genau zweimal fünf Jahre unterteilen. In den ersten fünf Jahren ging es für Saller steil bergauf. Die gebürtige Münchnerin lebte seit ihrem 14. Lebensjahr in England und lief mit 16 ihren ersten Triathlon. Die Leistung hätte für die britische Jugendstaffel gereicht, dafür muss man aber eine Britin sein. Also traf sich Saller 2011 in London mit Roland Knoll, Triathlontrainer beim SC Delphin Ingolstadt und damals Bundestrainer. "Ich habe im Sommer ihre Ergebnisse beim Jugendtriathlon am Rothsee gesehen", sagt Knoll. Fünf Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte wirkten nicht so schlecht.

Von da an arbeiteten die beiden zusammen. Wenn Saller nicht gerade Mathematik-Vorlesungen an der Universität in Oxford hörte, häufig auch in Ingolstadt. 2013 wurde Saller Deutsche Junioren-Meisterin auf der Sprintdistanz und Zehnte bei der Junioren-WM in London. 2014 gewann sie im Profistarterfeld bei der EM in Kitzbühel Silber - es war ihr erster Start über die Olympische Distanz überhaupt. Im selben Jahr kam noch die Goldmedaille bei der U23-WM im kanadischen Edmonton über die Olympische Distanz dazu. 2015 erhielt sie den Bayerischen Sportpreis in der Kategorie Herausragende Nachwuchssportlerin.

"Sophia zeichnet ihr Ehrgeiz, ihre Zielstrebigkeit und ihre Gewissenhaftigkeit in allen Bereichen aus", sagt Knoll. In der gemeinsamen Zeit verbesserte Saller ihre Radfahrtechnik, Ausdauerfähigkeit und Athletik. "Ich habe an Roland immer geschätzt, dass es ein Aufbauen war", sagt die 25-Jährige über Knolls Trainingspläne. "Es muss nicht alles sofort perfekt sein, sondern es geht darum, alles über die Zeit so aufzubauen, dass es dann in dem Alter, in dem ich jetzt bin, passt. "

Doch in den zweiten fünf Jahren ihrer Karriere passte vieles nicht mehr. Beim WTS-Rennen 2015 in London bekam sie beim Schwimmen einen Beinschlag ins Gesicht und renkte sich den Kiefer aus. Weil das aber niemand erkannte, kam es zu zahlreichen Folgeverletzungen. "Mein Körper war nicht mehr in Balance und die linke Seite musste immer mehr machen als die rechte", sagt Saller. Schulterschmerzen, Knochenprobleme, Schmerzen an der Hüfte - erst 2017 bemerkte ein Physiotherapeut den ausgerenkten Kiefer als Ursache. "Bedenkt man, wie wenig ich trainiert habe, war ich gut", sagt Saller. 2018 kam die Athletin des SC Delphin Ingolstadt in den Perspektivkader der Deutschen Triathlon Union, ein Jahr später gewann sie die Sprintdistanz bei den Triathlons in Beilngries und München.

Wegen eines Ermüdungsbruchs scheiterte auch die Olympia-Teilnahme 2016 in Rio. Die Qualifikation für die Spiele 2020 in Tokio war der Traum - dafür wechselte Saller 2018 an den Triathlon-Stützpunkt in Nürnberg. Endlich mal wieder zwei Jahre verletzungsfrei durchtrainieren. Doch dann nisteten sich in ihrem Darm schlechte Bakterien ein und ihr Körper konnte die Nährstoffe nicht mehr richtig aufnehmen. "Du fängst gefühlt bei Null an, kämpfst dich wieder zurück. Und sobald es läuft, kommt gleich wieder das nächste Problem", sagt Saller.

Irgendwann wollte dann einfach der Kopf nicht mehr. Karriereende mit 25 Jahren.

Leicht fiel der Ingolstädter Athletin die Entscheidung nicht. "Der Triathlonsport ist etwas, das dich als Leistungssportler definiert", sagt Saller. Training für drei Sportarten, Essen, Regenerieren, Schlafen - all das erfordert viel Hingabe. Die 25-Jährige ist eine intelligente Frau, die sich zum Einstieg ins Berufsleben beim Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz genau überlegt haben wird, wie groß die Chancen sind, auf internationales Top-Niveau zu kommen. Saller ist ein positiver Mensch, sie nimmt viel mit aus ihrer Zeit als Profisportlerin. Und trotzdem steht bei solch einer Geschichte unweigerlich die Frage im Raum: Was wäre möglich gewesen?

Trainer Knoll sagt: "Solche Dinge abzuschätzen, ist unmöglich. " Saller bedauert: "Ich konnte nicht sehen, wie weit ich es wirklich hätte schaffen können. " 2015, also zwischen den fünf guten und den fünf schlechten Jahren, war Saller "fitter als je zuvor". Danach trainierte sie härter, konnte das volle Leistungsvermögen aber nie im Wettkampf zeigen. "Wenn das jemand direkt erkannt hätte, wenn man da irgendwie früher reagiert hätte, dann wann wäre das alles nicht so langwierig geworden", sagt Saller. "Das macht mich traurig. "

Das Deutsche Forschungszentrum für künstliche Intelligenz ist übrigens in Saarbrücken beheimatet - einen Kilometer entfernt vom Triathlon-Bundesstützpunkt. Nicht selten werden im Sport ja auch solche Geschichten erzählt: Auf ein verletzungsbedingtes frühes Karriereende folgte eine Fabelkarriere als Trainer.

DK

Christian Missy