Pfaffenhofen
"Uns fehlt die Breite im Kader"

Handball-WM: Für Trainer aus der Region wiegen die corona-bedingten Ausfälle im DHB-Team schwer

22.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:35 Uhr
  −Foto: picture alliance / dpa, Picture-Allianz GmbH,, Frankfurt

Pfaffenhofen - Normalerweise stehen die lokalen Handballvereine im Januar vor einer schwierigen Situation.

 

Denn in dieser Zeit läuft jedes Jahr entweder die Europa- oder die Weltmeisterschaft der Männer. Gleichzeitig geht der Spielbetrieb von der Bezirksklasse bis zur Bezirksoberliga weiter. Mit Punktspielen an jedem Wochenende und zwei bis drei Trainingseinheiten unter der Woche.

Da wird das eine oder andere Training verschoben oder nach dem Spiel in der Kabine auf dem Tablet die Schlussphase von Spielen der deutschen Nationalmannschaft angeschaut. Dieses Jahr ist natürlich alles anders. Keine Spiele, kein Training - für die Amateure. Denn der Profisport geht weiter, die Nationalmannschaften haben sich in eine sogenannte Blase für die WM in Ägypten begeben, was bedeutet, dass man unter größtmöglicher Kontaktvermeidung zu allen Menschen, die nichts mit der WM zu tun haben, dieses Turnier über die Bühne bringen möchte. Für die Vereine des Landkreises heißt es im Januar deshalb: Handball schauen, statt Handball spielen. Wie bewerten sie die Leistung der deutschen Mannschaft? Wen sehen sie als Turnierfavorit? Wir haben uns umgehört.

Nachdem die deutsche Nationalmannschaft in der Vorrunde gegen Ungarn mit 28:29 und im ersten Hauptrundenspiel gegen Spanien mit 28:32 verloren hat, sind die Chancen auf das Viertelfinale ziemlich gering. Das Urteil von Thomas Hofmann, Trainer der Landesliga-Damenmannschaft des MTV Pfaffenhofen (Foto links), und Patrick Heimbach Jugendleiter und Trainer der zweiten Herrenmannschaft bei den Handball-Füchsen Scheyern (Foto rechts), fällt ähnlich aus. "In beiden Spielen haben wir nicht konstant über 60 Minuten gespielt", sagt Hofmann. "Gegen Ungarn und Spanien haben die Deutschen gute Phasen gehabt, aber direkt danach folgten schlechte Phasen", sagt Heimbach.

Als einen Grund sieht der HFS-Jugendleiter die Chancenverwertung. Diese kritisiert auch Dieter Auernhammer, Trainer der Bezirksoberliga-Frauen der MBB SG Manching. "Die Mannschaft kämpft gut, aber sie vergibt in jedem Spiel auch sieben, acht hundertprozentige Möglichkeiten. Das darf einem Bundesliga-Spieler nicht passieren. "

Ein viel diskutierter Faktor ist die Kadersituation des DHB-Teams, da vor dem Turnier wichtige Stützen wie Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek, Steffen Weinhold, Finn Lemke (wegen Corona-Bedenken), Jannik Kohlbacher oder Fabian Wiede (wegen Verletzungen) wegbrachen. "Ich denke, da fehlt uns die Breite im Kader", sagt Hofmann. "Man muss den jungen Spielern Zeit geben. " Heimbach wundert sich auch etwas über die öffentliche Erwartungshaltung. "Man hätte die Ansprüche wegen der Absage vieler Leistungsträger herunterfahren sollen", sagt der 23-Jährige, der findet, dass Johannes Golla und Sebastian Firnhaber sich im Innenblock immer besser einspielen. "Wiencek und Pekeler sind im Innenblock nicht zu ersetzen, das hat man in der Abwehrarbeit deutlich gesehen", sagt dagegen Hofmann.

 

Das Erreichen des Viertelfinales ist rechnerisch noch möglich, aber nicht mehr aus eigener Kraft zu erreichen. Am neuen Bundestrainer Alfred Gislason kommt bei den drei Trainern trotzdem kein Zweifel auf. "Alfred Gislason ist natürlich der perfekte Trainer, nur muss man auch ihm Zeit geben", sagt MTV-Coach Hofmann. "Er hat sehr viel Erfahrung und kann gut mit den Spielern umgehen. " Manchings Trainer Auernhammer würde allerdings auf der Torhüter-Position nach den schwachen Auftritten von Andreas Wolff mal Silvio Heinevetter in den Kader rotieren. Füchse-Trainer Heimbach hat den Eindruck, dass der Isländer die "Truppe gut im Griff hat", trotzdem vermisst der Scheyerer "Tempo, Bewegung ohne Ball, Positionswechsel und mehr Variation bei den Auslösehandlungen" im Angriffsspiel.

Alle drei Trainer sehen, aufgrund der Ausgangslage wenig verwunderlich Deutschland nicht gerade als Favoriten auf den WM-Titel. Während sich Hofmann nicht festlegen möchte ("da kommen mehrere Mannschaften in die engere Auswahl"), setzt Auernhammer auf Dänemark. Heimbachs Titelfavorit ist Norwegen. "Ich denke sie werden in der K. -o. -Phase mehr Buzzerbeater-Qualitäten haben. "

Welches Team Weltmeister wird, wird man nach dem Finale am 31. Januar wissen. Fest steht, dass die lokalen Vereine bis dahin nicht selbst aktiv werden dürfen. "Ich hoffe, dass der Lockdown nach dem 15. Februar aufgehoben wird und wir vielleicht Ende Februar wieder mit dem Hallentraining anfangen dürfen", sagt Manchings Auernhammer. Bis dahin setzen die Vereine auf individuelles Lauftraining (Manching) oder Online-Fitnesseinheiten (Pfaffenhofen und Scheyern). "Wir trainieren bei den Damen ein-, zweimal in der Woche online und machen verschiedene Workouts", berichtet Hofmann.

Solch gemeinsames Krafttraining betreiben bei den Handball-Füchsen ebenfalls alle Senioren-Teams, aber auch die Kindermannschaften treffen sich online. "Hier legen wir den Fokus auf Ballmotorik und Koordination", sagt HFS-Jugendleiter Heimbach. "Wir haben auch Trainingsvideos erstellt, mit denen die Mädchen und Buben mithilfe der Eltern die Übungen absolvieren können. " Denn das ist aktuell der Unterschied zwischen Nationalmannschaften und Amateurteams. Bei den Profis umfasst die Blase 32 Teilnehmernationen, bei den lokalen Vereinen beschränkt es sich auf die eigene Familie.

PK

 

Christian Missy