Stemwede
Mit dem Gebetbuch über die Schotterpiste

Pfaffenhofener Motorsportler Daniel Kühn als Co-Pilot beim ADAC Rallye Masters in Stemwede

17.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:13 Uhr
Erhard Wallenäffer
Eingespieltes Team: Beifahrer Daniel Kühn mit Pilot Christopher Lihl am Stemweder Berg. −Foto: Dörrenbächer

Stemwede - Es sind die Strecken der ADAC Rallye Stemweder Berg, auf denen Daniel Kühn (kl.

Foto) schon einmal die Zielrampe erfolgreich ansteuerte: Im Rahmen des ADAC Rallye Masters bretterte der Pfaffenhofener Rallyepilot 2018 an gleicher Stelle schon einmal auf Platz drei seiner Division. Am vergangenen Wochenende lernte er die Wertungspisten zwischen Osnabrück und Hannover von einer anderen Perspektive kennen - minimal anders allerdings: Kühn saß auf dem Beifahrersitz eines Renault Megane RS und machte die Ansagen für Christopher Lihl (Neumarkt/Oberpfalz).

"20L5 in R6 voll" - ganz wirre Kürzel sind das, die da übermittelt werden. Aber Rallyefahrer wollen so etwas hören. Vom Beifahrer nämlich, der dem Piloten genau sagt, wie viel Gas er sich wo erlauben kann. Das Kommando zu Beginn soll heißen: "In 20 Metern kommt eine Linkskurve mit großem Radius, welche unmittelbar in eine noch weitere Rechtskurve übergeht. Durch diese kann man das Auto mit Vollgas prügeln. " Ziemlich sicher, dass Kühn für das Rennen in Stemwede zumindest etwas Ähnliches in sein "Gebetbuch" notiert hatte.

Gebetbuch? Nein, Rallyefahrer sind nicht gläubiger als andere Motorsportler, vielmehr handelt es sich um die Niederschrift, die bei Zeitenjagden auf Schotter und Asphalt so wichtig ist. Die Streckendetails der jeweiligen Wertungsprüfung werden bei einer Besichtigungsrunde mittels Zahlen, Kürzeln und Zeichen möglichst kompakt festgehalten. Aus diesen Notizen "betet" der Co-Pilot dem Fahrer die Details jeder Kurve (Entfernung, Stärke) und Streckenbesonderheiten (Belag, Verschmutzung, Kuppen) vor. "Die Leistung des Beifahrers ist genauso wichtig, wie die des Fahrers", hat Kühn betont, als er noch selbst in das Lenkrad griff. Das war vor drei Jahren und damals galt, wie heute: Gute Beifahrer sind in der Szene immer gesucht.

Der Rallyesport ist also ein besonderer Teamsport. Der Fahrer muss sich hundertprozentig auf seinen Beifahrer verlassen können, denn wer bei Tempo 130 nicht weiß, ob es in der nächsten Kurve nach rechts oder links geht, kann nicht wirklich schnell sein. Offenbar "betete" Kühn seine Kürzel auf den 108 Wertungskilometern so vor, dass Lihl viel damit anfangen konnte. Auf Platz drei in der Klasse NC6, der seriennahen Fahrzeuge, mit einem Leistungsgewicht von neun Kilogramm pro kW, schafften es die beiden.

Besonders der Samstag war dabei anstrengend, wie Kühn auf der Heimfahrt berichtete: "Mein Arbeitstag dauerte von acht Uhr morgens bis neun Uhr abends - also rund 13 Stunden. " Dabei ist "Durchschnaufen" für einen Co-Piloten überhaupt nicht vorgesehen: "Auch auf den Überführungsfahrten, welche diesmal elendig lang waren, muss ich navigieren und rechnen, da tut mir am Abend schon mal der Kopf weh", ergänzte der 33-Jährige.

Eine ostwestfälische Kleinstadt, am Nordhang des Wiehengebirges, war der zentrale Anlaufpunkt der ADAC Rallye Stemweder Berg: Rund um Lübbecke trieben die Besatzungen ihre modifizierten Autos über Straßen und Feldwege. Bisweilen sehr grob sei der Belag aber gewesen, wie Kühn schilderte: "Einmal haben wir uns sogar den Heckdiffusor mit großen Steinen weggeschossen. " Überhaupt hatten er und Lihl auch mit technischen Problemen zu kämpfen und waren daher materialschonend unterwegs. "Wir mussten dieses Mal vorsichtiger agieren, um sicher auf die Zielrampe zu kommen - sonst wären schnellere Zeiten möglich gewesen", fügte Kühn hinzu.

Der Pfaffenhofener spricht von einem "Neueinstieg", immerhin waren es für ihn und Lihl die ersten Wettfahrten nach der Pandemie-Pause. "Wir haben das Auto heil auf dem dritten Platz ins Ziel gebracht, darauf sind wir stolz", bekräftige Kühn, dem ein Hinweis auf "Elektro-Pioniere" im Rallye-Sport besonders wichtig ist: "Wir alle waren Zeugen einer Weltpremiere, denn die Veranstaltung war gleichzeitig der Startschuss für den ADAC Opel e Rallye Cup. " Gar als den Beginn einer neuen Ära, bewertete Kühn die ersten Zeitenjagden mit rein elektrisch angetriebenen Autos. "In Sachen Klimaschutz tut sich auch in der Rallyeszene etwas, das ist unübersehbar", betonte Kühn.

PK

Erhard Wallenäffer