Pfaffenhofen
"Ich will spielen"

ECP-Neuzugang Franziska Albl hat mit nur 25 Jahren schon viel erlebt - Die Herausforderung Bayernliga geht sie selbstbewusst an

19.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:25 Uhr
Das Ziel ist Olympia: Franziska Albl gehört zum festen Stamm der deutschen Frauen-Eishockeynationalmannschaft. Ihr großer Traum ist es, für Deutschland bei den Winterspielen 2022 in Peking aufzulaufen. −Foto: Imago Images

Pfaffenhofen - Von Franziska Albl gibt es keine wilden Aussagen.

Es ist egal, ob man mit der Eishockeytorhüterin über ihren Wechsel zum EC Pfaffenhofen spricht, ihre bisherige Karriere mit deutschen Meisterschaften und WM-Teilnahmen oder die Tatsache, dass sie als Frau in einem Männer-Team fürs Tore-Verhindern zuständig ist. Was war das für ein Gefühl, Deutscher Meister zu werden? "Kann ich mich gar nicht so richtig erinnern. " Wie ist das so als Frau in einer Bayernliga-Männermannschaft? "Das ist als Torhüterin gar nicht so ungewöhnlich. " Entspannter Tonfall, nicht zwingend mehr Worte als unbedingt nötig. Man könnte dann meinen, der 25-Jährigen ist das alles mit dem Eishockey nicht so wichtig.

Andererseits: Dafür betreibt sie diesen Sport schon viel zu lange, viel zu oft und viel zu gut. "Ich stand schon auf dem Eis, da konnte ich noch gar nicht Schlittschuhlaufen", sagt Albl. Der sechs Jahre ältere Bruder Patrick brauchte jemanden, der sich ins Tor stellt, also spielte Albl schon als Nachwuchsspielerin beim EV Füssen immer als Goalie.

Albl kommt auch aus Füssen, ihr Jugend-Team war gerade in die höchste Nachwuchsspielklasse aufgestiegen. Wäre das mit dem Eishockey nicht so wichtig gewesen, hätte sie einfach bleiben können. Doch die Allgäuerin wechselte zum ECDC Memmingen in die Frauen-Bundesliga. Pragmatische Begründung: "In Füssen gab es sechs Torhüter in der Mannschaft. Das war der Punkt an dem ich gesagt habe: Das bringt mir nichts, ich will spielen. "

In Memmingen trifft Albl auf Nicola Eisenschmid, die beiden kannten sich schon zuvor aus den Nachwuchs-Nationalmannschaften des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB). "Ich finde schon, dass man bei Franziska früh das Talent gesehen hat", sagt Eisenschmid. Mit Memmingen werden sie 2016 Deutscher Meister. Albl kassiert in dieser Saison im Schnitt nur überragende 1,78 Gegentore pro Spiel.

Mindestens genauso beeindruckend ist aber die Dreifachbelastung, welche die Torhüterin zu diesem Zeitpunkt auf sich nimmt. Während ihrer Zeit im Memminger Frauen-Team (2008 bis 2017) spielt Albl bis zur U18 bei den Junioren, läuft im Anschluss beim ECDC auch für die Männermannschaft in der Landesliga auf und steht regelmäßig im Aufgebot der deutschen U18-Juniorinnen-Auswahl, seit der U15 wird sie vom DEB eingeladen.

Da könnte man jetzt durchaus mal darauf stolz sein, parallel in drei Mannschaften auf hohem Niveau aufzulaufen. So besonders sei das jetzt auch nicht, sagt Albl aber. "Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich mich dann auf die Einsätze bei den Männern konzentriert und nur bei den Frauen mitgespielt oder trainiert, wenn bei den Männern spielfrei war. "

Diese Entscheidung fällt wohl im Jahr 2014, ein ziemlich wichtiges in der Karriere der jungen Torhüterin. Dass sie in der Frauen-Bundesliga sehr gut mithalten kann, weiß sie schon. Aber nach ihren ersten Landesliga-Einsätzen im Männerbereich legt Albl sich fest, dort angreifen zu wollen. "Das ist anspruchsvoller und bringt mich international weiter", sagt die Füssenerin.

Dass eine Frau in einer Männermannschaft mitspielt, ist dabei schon immer nur für Außenstehende außergewöhnlich. Schließlich spielen im Nachwuchsbereich die Mädchen lange in den Jungsmannschaften mit. Als Albl vor zwei Jahren von einer Journalistin auf die Torhüterin-im-Männertor-Thematik angesprochen wird, ahnt sie schon, wie es weitergeht: "Und die nächste Frage ist dann, wie das mit dem Umziehen funktioniert. " Auch das Fernsehen schaute schonmal im Training vorbei, um zu zeigen, wie das so funktioniert mit einer Frau in der Männermannschaft.

Albl nimmt das alles entspannt hin. Ihr großes Ziel ist es, bei Olympischen Spielen dabei zu sein. "Ich möchte einfach dieses Ziel erreichen und versuche, mich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln", sagt die 25-Jährige. Seit 2014 ist Albl auch als Sportsoldatin bei der Bundeswehr. "Anders kann man als Frau nicht Eishockeyprofi sein", sagt die Füssenerin. Für die Einsätze beim DEB-Team werden die Nationalspielerinnen nicht bezahlt, wer einem normalen Beruf nachgeht, hat gar nicht genug Urlaubstage für die monatlichen Kadermaßnahmen und internationalen Turniere.

Der erste Nationalmannschaftslehrgang war für die Allgäuerin eine Ehre, Deutschland bei Olympischen Spielen zu vertreten schon immer ihr Ziel. Also wollte sie die nächste Entwicklungsstufe nehmen. Nach den ersten Einsätzen in der Männer-Landesliga in Memmingen folgte 2014 der erste Wechsel zum EC Pfaffenhofen. In Memmingen hatte sie zwei starke Torhüter vor sich, merkte aber, dass sie Bayernliga-Niveau hat. Doch auch bei den Eishogs gab es starke Konkurrenz und Albl kam an Stammtorhüter Andreas Banzer nicht vorbei. Nach nur zwei Spielen für den ECP wechselte Albl zum Landesligisten TSV Erding. "Eine Weiterverpflichtung hatte sich von meiner Seite aus ziemlich schnell erledigt, auch wenn mich der Trainer gerne weiter im Kader gehabt hätte", wird Albl damals auf der Erdinger Vereinshomepage zitiert. Ein Jahr später ging es zum Bayernligisten TEV Miesbach.

Die 25-Jährige spricht über Erfolge genauso unaufgeregt wie über schwierige Phasen. "In Erding ist der Trainer nicht hinter mir gestanden" in der gleichen Stimmlage wie "In Miesbach hatte ich zwei super Jahre und wir sind in die Oberliga aufgestiegen" oder "2018 hatte ich einen Kreuzbandriss und wurde zweimal operiert".

In die Zeit in Miesbach fällt auch der bislang größte Erfolg in Albls Karriere. Bei der Weltmeisterschaft 2017 wird die Füssenerin mit dem DEB-Team Vierter. Nationalmannschaftskollegin Eisenschmid, die ein bisschen mehr schwärmen kann, sagt über das Turnier im US-amerikanischen Plymouth: "Da hat alles gepasst, wir waren im Jahr zuvor aufgestiegen und haben alle Erwartungen übertroffen. " Während der WM spielte Torhüterin Jennifer Harß deutlich mehr als Albl. "Franziska hat das aber akzeptiert und arbeitet hart an sich", sagt Eisenschmid, die inzwischen beim ERC Ingolstadt spielt.

Albl ist acht Jahre jünger als Harß und plant ihre Karriere mit Bedacht. Nach dem Aufstieg mit Miesbach wechselte sie zum EV Pfronten, "weil mir die Oberliga damals noch zu hoch war". Nach der abgelaufenen Saison wollte sie aber wieder eine Liga höher spielen - und nahm Kontakt zu einigen Bayernligisten auf. "Ich will mich entwickeln und weiß definitiv, dass ich Bayernliga spielen kann", sagt die 25-Jährige, die in Eching am Ammersee wohnt.

Deswegen startet sie jetzt den zweiten Versuch in Pfaffenhofen. Albl hat inzwischen deutlich mehr Erfahrung, trainiert zweimal täglich neben dem Eishockey-Training, schiebt Extra-Schichten. Die Torhüterin besticht durch schnelle Füße und ein sehr besonnenes Spiel, auch wenn sie vom Gegner mal härter angegangen wird und Meinungsverschiedenheiten vor ihr physisch ausgetragen werden. "Franziska strahlt sehr viel Ruhe aus", sagt die Ingolstädter Stürmerin Eisenschmid. "Sie ist sehr ehrgeizig und man merkt, dass sie weiß, was sie macht. " Das könnte man so auch über Albls Karriereplanung sagen.

PK

Christian Missy