Pfaffenhofen
"Fix und fertig vom Stoppuhr-Drücken"

An einem Schwimm-Wettkampf sind fast genau so viele Kampfrichter wie Sportler beteiligt

12.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:21 Uhr
Höchste Konzentration im Pfaffenhofener Freibad: Bis zu drei Stunden am Stück sind Kampfrichter beim Schwimmen im Einsatz. −Foto: Missy, privat

Pfaffenhofen - Als im Jahr 2009 im Fußball bei Spielen internationaler Vereinswettbewerbe der sogenannte Torrichter eingesetzt wurde, da machten viele Fans und Beobachter Späße.

Zwei zusätzliche Schiedsrichter auf dem Platz, fast eine halbe Fußballmannschaft schon. Wenn das so weiter gehe, bekommt jeder Spieler einen Unparteiischen an die Hand. Beim Schwimmen ist das tatsächlich der Fall. Auf den ersten Blick überrascht das ein wenig, kommt diese Sportart doch ohne Zweikämpfe aus, die es zu bewerten gilt. Alle springen ins Wasser und wer als Erstes ankommt, gewinnt. Viel mehr gibt es doch eigentlich nicht zu entscheiden, könnte man meinen. Aber so einfach ist es wie so oft nicht.

Doreen Schüler (kleines Foto, oben) ist Kampfrichterin bei der Schwimmabteilung des MTV Pfaffenhofen. "Man ist da nach einer Schicht fix und fertig vom Stoppuhr-Drücken", sagt die 45-Jährige und lacht. Denn zum einen gibt es auch einige andere Aufgaben, zum anderen erfordert auch das Stoppuhr-Drücken ein Höchstmaß an Konzentration. "Das ist wirklich anstrengend. Man will ja allen Schwimmern gerecht werden und niemanden fälschlicherweise disqualifizieren", sagt die Mutter von zwei Söhnen, die beim MTV äußerst erfolgreich sind und eine Medaille nach der anderen einsammeln.

Rund um einen Schwimmwettkampf gibt es gemäß der Kampfrichterordnung des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) fünf verschiedene Arten von Wettkampfrichtern. Der Starter gibt das Startsignal. Der Zielrichter hat die Aufgabe, die Reihenfolge der im Ziel anschlagenden Schwimmer zu notieren. Der Zeitnehmer stoppt die End- und Zwischenzeiten der ihm zugewiesenen Schwimmer und notiert sie auf einem Zettel. Bei dieser Aufgabe muss man also eine oder zwei Bahnen im Auge behalten. Ein weiteres zentrales Element des Zeitnehmers ist die Überprüfung des korrekten Starts. "Wenn es ,Auf die Plätze' heißt, ist kein einziges Zucken mehr erlaubt", erklärt Kampfrichterin Schüler. Auch der erste Armzug muss hinsichtlich der korrekten Regelausübung überprüft werden.

Und damit ist man direkt bei der Aufgabe des Schwimmrichters. Denn bei Schwimmwettkämpfen kommt es nicht nur auf die Zeitmessung und die Disqualifikation bei einem Frühstart an, sondern auch auf die Schwimmtechnik während des Wettkampfs. Wenn beispielsweise beim Brustschwimmen die Beinzugbewegung des Delfinschwimmens oder der Kraulbeinschlag verwendet wird, verschafft sich der Schwimmer einen Vorteil und wird ebenfalls disqualifiziert. Auch bei der Wende können Starter bei falschem Technikeinsatz ausgeschlossen werden. Darauf achtet der Wenderichter, der sich auf der anderen Seite des Beckens befindet.

Es gibt noch die Aufgaben des Auswerters, der final die Zeiten und die Reihenfolge abnimmt, und des Protokollführers, der das Ergebnis der Wettkampfveranstaltung erstellt. All diese Aufgaben unterstehen dem Schiedsrichter. Einer, der diesen Job auf Wettkämpfen übernimmt, ist Stefan Fleischmann (kleines Foto unten). Der 57-Jährige war lange beim SSV Schrobenhausen und dem MTV Pfaffenhofen als Trainer aktiv, derzeit betreut er Nachwuchsschwimmer beim TSV Indersdorf. 14 Jahre lang war er Kreisschwimmwart des Schwimmkreises V. "Der Schiedsrichter kontrolliert und koordiniert die Kampfrichter", sagt Fleischmann. "Wenn es Disqualifikationen gibt, unterschreibt diese der Schiedsrichter. " Verständlicherweise führen solche Entscheidungen zu den meisten Diskussionen im Schwimmsport. Denn der Schwimmer bekommt davon während des Wettkampfs nichts mit. Wenn ein Starter dann nach 800 Metern völlig verausgabt aus dem Wasser klettert und erfährt, dass die Zeit nicht gewertet wird, sei das schlimm, sagt Wettkampfrichterin Schüler. Eltern würden durchaus energisch auf vermeintlich falsch ausgeführte Wenden der Konkurrenz des eigenen Nachwuchses hinweisen. "Da geht es um die Wurst, man glaubt gar nicht, wie wild manche Eltern werden können", erzählt Schüler.

Früher konnte man noch Einspruch einlegen gegen Disqualifikationen, mittlerweile gilt aber das Prinzip Tatsachenentscheidung. Schüler kennt das Gefühl, den Kampfrichter nach einer Disqualifikation zur Rede stellen zu wollen. Es traf auch schon ihre Söhne wegen eines Zuckens auf dem Startblock. "Aber das hat keinen Zweck, so etwas wird nicht rückgängig gemacht", sagt sie.

Solche Entscheidungen trifft natürlich niemand ohne eine gewisse Qualifikation. Die Kampfrichterausbildung dauert einen Tag und wird mit einem Test abgeschlossen. Darauf aufbauend gibt es intensivere Schulungen für die Aufgaben des Auswerters und des Schiedsrichters. Die Vereine müssen Kampfrichter stellen, wenn sie ihre Wassersportler zu Wettkämpfen schicken wollen. Rund um das Becken sind 20 Unparteiische im Einsatz, eine Schicht dauert teilweise drei Stunden. Pausen gibt es keine, schließlich folgen die einzelnen Wettkämpfe Schlag auf Schlag. "Vor Jahren war es kein Problem, dafür Leute zu finden", sagt Fleischmann. "Aber die Eltern sind immer weniger bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. "

Weil die Vereine dauernd auf der Suche sind, ist auch Wettkampfrichterin Schüler zu ihrem Amt gekommen. Es ist ein Dienst am Verein. "Mein Mann und ich fahren sowieso immer mit unseren Jungs zu den Wettkämpfen", sagt sie. Ihr älterer Sohn Cosimo hat die Ausbildung ebenfalls bereits absolviert. Um die Ausbildung zum Schwimmtrainer machen zu können, ist das verpflichtend. "Man kann den Kindern besser das Schwimmen beibringen, wenn man weiß, wie es richtig funktioniert", sagt Fleischmann. Und natürlich gilt auch beim Schwimmen: ohne Wettkampfrichter und Schiedsrichter keine Wettkämpfe. "Wenn niemand das macht, findet das irgendwann auch nicht mehr statt", sagt Schüler.

PK

Christian Missy