Starnberg
"Es juckt schon sehr in den Fingern"

Nach seinem Wechsel zu Porsche fiebert der Ingolstädter GT-Rennpilot Christian Engelhart dem Saisonstart entgegen

10.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:11 Uhr
Starten gemeinsam bei den ADAC-GT-Masters: Der gebürtige Ingolstädter Christian Engelhart (links) und Teamkollege Michael Ammermüller neben dem Porsche 911 GT3 R. −Foto: SSR-Performance

Starnberg - Das Kürzel GT im Automobilrennsport steht für den italienischen Begriff Gran Tourismo.

 

"Große Fahrt" bedeutet dies frei übersetzt - wobei es sich bei den GT-Klassen im Rennsport vielmehr um die Liga der Supersportwagen handelt. Einen Namen in der Szene hat sich längst der frühere Wolnzacher Christian Engelhart gemacht. Der gebürtige Ingolstädter gilt als einer der erfolgreichsten GT-Rennpiloten der Gegenwart: 43 Siege und 116 Podiumsplatzierungen belegen das. Mit Beginn dieser Saison kehrt der ehemalige Lamborghini-Werksfahrer zu Porsche zurück. Im Interview erzählt der 33-Jährige davon, wie er die längste Pause seiner Rennfahrerkarriere verbringt, von seinem neuen Fahrzeug und seinen Zielen für die Ende Juli beginnende diesjährige Saison.

Herr Engelhart, wie viele Kilometer sind Sie heuer schon auf Rennstrecken gefahren - wohl eher wenige?
Christian Engelhart: Ein paar Testfahrten vor dem Lock-Down habe ich schon absolviert, mein letztes Rennen war aber im Herbst. Seitdem ich Rennfahrer bin, hatte ich noch nie eine so lange Pause - mein Cockpit vermisse ich natürlich. Es juckt schon sehr in den Fingern - aber was will man machen: Momentan kann ich nur mit dem Mountainbike Runden um den Starnberger See drehen.

Klingt nach intensivem Fitnesstraining.
Engelhart: In der Tat - ich nutze natürlich die Zeit zum Joggen und Radfahren, was bei einem vollgepackten Rennkalender nur begrenzt ginge. Das ist das Positive an der momentanen Situation, dass man viel Zeit für Sport hat, so werde ich auf meinen ersten Renneinsatz gut vorbereitet sein.

Für wann ist denn der erste Start des Jahres angepeilt?
Engelhart: Stand heute soll es am letzten Juli-Wochenende soweit sein - ein Endurance-Rennen in Imola wird den Auftakt in die Saison markieren. Von da ab wird es bis November Schlag auf Schlag gehen, vorher wären noch Testfahrten geplant.
Manche Sportsender übertrugen in den letzten Wochen virtuelle Rennen, was halten Sie von der "Homeoffice-Version" des Rennsports?
Engelhart: Auch ich habe vor kurzem an vier solchen Simulator-Rennen teilgenommen (schmunzelt). Der Erfolg hielt sich in Grenzen, aber das ist auch eine eigene Welt. Mir fehlte einfach die Erfahrung, wenngleich auch ich den Simulator nutze, um mich auf neue Rennstrecken einzustellen - hierzu macht es durchaus Sinn, im eigenen Keller zu üben. Jedoch entspricht der Fahrstil nicht ganz dem im realen Auto.

Sehr auffallend waren Sie bis zuletzt auf den wahren Rennstrecken unterwegs: Mit Ihrem stechend grünen Lamborghini Huracan und meist in der Spitzengruppe - das wird sich ändern?
Engelhart: Das mit der Spitzengruppe hoffentlich nicht - tatsächlich wechsle ich jedoch die Marke. Nach vier ungeheuer erfolgreichen Jahren für das Lamborghini-Team von Gottfried Grasser werde ich zukünftig wieder hinter dem Steuer eines Porsches sitzen.

Immerhin gewannen Sie mit GRT-Grasser 2017 die Gesamtwertung der Blancpain GT-Series - gleichzusetzen mit einer Europameisterschaft. Und noch im letzten Jahr siegten Sie bei den 24 Stunden von Daytona. Wie kam es zum Wechsel?
Engelhart: Ich verändere mich mit einem lachenden Auge, aber auch mit einem weinenden. Freundschaftlich werde ich weiter mit meinem Ex-Team sehr eng verbunden sein - auch wenn ich mich nun für eine neue Herausforderung entschieden habe. Sollte mal ein Grasser-Lamborghini auf dem Podium stehen, werde ich mich auch zukünftig freuen - hoffe aber, dass ich dann einen Platz darüber bin (schmunzelt).

Statt bisher für ein Team, starten Sie ab sofort für zwei verschiedene Rennställe.
Engelhart: Das ist korrekt: Bei den geplanten acht Endurance-Stationen der GT World Challenge Europe gehe ich für das italienische Team Dinamic-Motorsport an den Start. Ich teile mir das Cockpit mit Sven Müller und Matteo Cairoli - zwei Fahrern, die ich gut kenne: Gemeinsam standen wir schon mehrmals im Rahmen des Porsche Carrera-Cups auf dem Podium. Bisher haben wir uns hart bekämpft und nun müssen wir als Teamkollegen zusammenwachsen.

Was rechnen Sie sich hier gemeinsam aus?

Engelhart: Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir ganz vorne dabei sein werden - die Fahrerkombination ist vielversprechend und das Team hatte schon Erfolg: Seit dem letzten Jahr ist man in der GT World Challenge vertreten, wobei schon ein Sieg verbucht werden konnte. Daran gilt es anzuknüpfen.

Sind Sie für Ihre Starts im ADAC GT-Masters ähnlich optimistisch?
Engelhart: Auf alle Fälle. Es handelt sich um ein sehr ehrgeiziges Projekt: Hier kämpfe ich für das neue Münchner Team SSR-Performance um Meisterschaftspunkte. Das Unternehmen eröffnet derzeit ein High Performance Automotive Center im Norden Münchens. Starten werde ich zusammen mit Michael Ammermüller - auch ein Kollege, den ich gut kenne und den ich sehr schätze. Es ist alles vorhanden, was für erfolgreiche Rennen notwendig ist: Erfahrene Mechaniker, Ingenieure, Fahrer und dann noch ein Porsche-Aggregat unterm Hintern. So kann es nur das Ziel geben, um die Meisterschaft mitzufahren und diese, wenn möglich, sogar zu gewinnen.

Stichwort Antrieb: Zuletzt wurde Ihr Rennfahrzeug von einem Mittelmotor befeuert, nun haben Sie einen Porsche Sechszylinder-Boxer im Heck. Wo liegen die Unterschiede?
Engelhart: Es ist schon einige Zeit her, dass ich einen Porsche 911 GT3 R gefahren bin und das Fahrgefühl, im Vergleich zum Lamborghini Huracan, ist natürlich ein anderes. Ich muss aber sagen: Die Ingenieure in Weissach haben einen Super-Job gemacht. Das Auto ist richtig schnell und klar ist es kein Geheimnis, dass der Porsche aufgrund des Heckmotors eine sehr gute Traktion hat - das spürt man sofort. Die ersten Tests verliefen sehr gut, also bin ich optimistisch, dass wir uns gut schlagen werden.

Abschließend: Mittlerweile haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt nach Starnberg verlegt. Gibt es noch Beziehungen nach Ingolstadt beziehungsweise nach Kösching - wo Sie viele Jahre gelebt haben?
Engelhart: Absolut. Die Region um Ingolstadt ist und bleibt meine Heimat - ganz klar.

PK


Das Gespräch führte
Erhard Wallenäffer
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