Neuburg
"Später bin ich halt Doctor Mo"

Der frühere Zehnkämpfer Moritz Cleve über seine Karriere, das Leben in den USA und wie sein Name dort ausgesprochen wird

11.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:37 Uhr
Ein Bild vom Höhepunkt seiner Karriere: Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 in Berlin war der Neuburger Moritz Cleve Mitglied des Zehnkampfteams der Bundesrepublik. −Foto: Marcus Cleve, Imago

Neuburg (DK) Der Höhepunkt seiner Sportkarriere jährt sich im Sommer zum zehnten Mal: Als Moritz Cleve aus Neuburg bei der Weltmeisterschaft der Leichtathleten 2009 in Berlin teilnahm, wusste er damals schon, dass mehr wohl nicht geht. Er schlug daraufhin eine akademische Laufbahn ein - mit Erfolg, wie der Wahl-Amerikaner beim Heimatbesuch berichtet.

Moritz Cleve war schon immer besser in Leichtathletik als die meisten Menschen um ihn herum. Während sich seine Mitschüler in der siebten Klasse mit der Bronze-Marke im Hochsprung für das Sportabzeichen plagten, machte der gebürtige Neuburger einen locker wirkenden Scherensprung über die Stange. Sein Talent für die Leichtathletik war damals schon ersichtlich. Über den heimischen TSV Neuburg, den MTV Pfaffenhofen und die DJK Ingolstadt, wo seine Gaben weiter gefördert und sein Ehrgeiz gefordert wurden, verschlug es ihn noch vor dem Abitur an den Olympiastützpunkt nach Wattenscheid - zahlreiche Jugendtitel hatte er damals schon gesammelt. Sein Abitur machte er am Märkischen Gymnasium. Die sportlichen Höchstleistungen brachten Moritz Cleve schließlich ein Stipendium ein, er wagte den Sprung über den Atlantik.

An der Kansas State University, einer staatlichen Universität in der Stadt Manhattan - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Stadtteil in New York City - im US-Bundesstaat Kansas studierte er Journalismus und Massenmedien. Just vor seinem ersten Abschluss - Bachelor in Public Relations - profitierte der Neuburger vom Verletzungspech eines anderen Sportlers: Michael Schrader, schon damals die große deutsche Zehnkampfhoffnung, fiel für die Heim-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin wegen eines Ermüdungsbruches aus. Cleve, der kurz zuvor bei den "Big 12 Conference Championship" in Texas 8004 Wettkampfpunkte für die Kansas State University geholt und sich so auf Rang vier der deutschen Bestenliste katapultiert hatte, wurde für das Zehnkampfteam der Bundesrepublik nachnominiert. "Unter normalen Umständen wäre ich nicht nach Berlin gefahren. Aber dafür habe ich es umso mehr genossen", sagt Cleve im Gespräch mit unserer Zeitung. Vor fast zehn Jahren standen für den damals 22-Jährigen sehr gute 7777 Punkte und Rang 27 nach den anstrengenden Wettbewerben zu Buche. Den Sieg holte sich seinerzeit der US-Amerikaner und spätere Olympia-Silbermedaillen-Gewinner (London, 2012) Trey Hardee mit einer Weltjahresbestleistung von 8790 Punkten.

Nach diesem Karrierehöhepunkt blieb Cleve der Leichtathletik und dem Zehnkampf im Speziellen erhalten, doch setzte er nicht mehr seine gesamte Zukunft auf diese Karte. Nach seinem Bachelor-Abschluss blieb er an der Kansas State University und schob einen Master-Studiengang in Kommunikationswissenschaften hinterher.

Nicht nur die akademische Laufbahn ließ den mittleren Westen der Vereinigten Staaten zu Moritz Cleves neuer Heimat reifen, auch das Herz spielte eine große Rolle dafür, dass er sich seit mehreren Jahren nur noch sporadisch in der Bundesrepublik aufhält: An der Hochschule lernte er seine spätere Frau Saadia kennen und lieben. Geheiratet wurde im Oktober 2014.

Beruflich beschritt Cleve neue Wege, als er nach dem Studium begann, für eine Radiogruppe in Manhattan Werbetexte zu schreiben und Werbefenster zu verkaufen. Sein Fachwissen aus der Welt des Sports hat der Neuburger genutzt, als er in der Marketingabteilung des Klubs Sporting Kansas aus der Major League Soccer, der höchsten amerikanischen Fußballliga, arbeitete. "Das waren gute Jobs, aber mit viel Arbeit verbunden. Eine 40-Stunden-Woche hatte ich nie, das war immer weitaus mehr", berichtet er. Die eigene Sportkarriere ließ Cleve nach und nach ausklingen, ganz aufgegeben hat er den Zehnkampf aber nicht. Für seine nun anstehende Doktorarbeit in Medienpsychologie zog es den 31-Jährigen in den warmen Bundesstaat Florida, wo er ein Stipendium an der Universität in Gainesville nahe der Metropole Tampa erhielt. "Ich habe schon immer mit dem Gedanken gespielt, meinen Doktor zu machen und später einmal einen Lehrstuhl anzunehmen, zu unterrichten und zu forschen", sagt Cleve.

Seine ganze Aufmerksamkeit gebührt im Moment Warnhinweisen. "Das ist eigentlich ganz einfach erklärt: Ich beschäftige mich damit, wie man Gefahren kommunizieren kann, so dass sich die Leute entsprechend darauf vorbereiten." Damit hofft der gebürtige Neuburger, sich einen Namen in den USA zu machen. Aprospos Namen: Das ist in seinem Fall nicht immer so ganz einfach. Während sich der gemeine Amerikaner mit dem Familiennamen leicht tut und Cleve einfach als "Klief" - wie beim Bundesstaat Cleveland - ausspricht, sieht die Sache beim Vornamen ganz anders aus. "Ich glaube, viele Freunde und Bekannte wissen gar nicht, dass ich Moritz heiße. Die könnten das auch nicht aussprechen. Es gibt ja den spanischen Namen Ortiz, den kennt man in Amerika. Deswegen wurde ich anfangs auch mal als Mortiz angesprochen, weil die Leute einfach nicht gesehen haben, dass i und t bei meinem Vornamen vertauscht sind. Irgendwann hat es sich eingebürgert, dass mich alle nur Mo genannt haben. Später bin ich halt Doctor Mo", scherzt er.

In Gainesville ist Cleve nicht nur in Sachen Doktorandenstelle fündig geworden, er hat zudem auch einen Sportjob ergattert - und das mehr zufällig. "Ich werde demnächst Assistenztrainer für Leichtathletik an einer privaten High School. Eigentlich war ich ja nur auf der Suche nach einem Stadion, wo ich für mich selbst trainieren kann. Ich habe angefragt, der Coach wollte mich kennenlernen und irgendwie hab ich dann den Job gekriegt", sagt er schmunzelnd.

Über Weihnachten hat Moritz Cleve nicht nur seine Eltern in Neuburg und seinen Bruder Marcus in Hechingen besucht, sondern auch im Olympialeistungszentrum Wattenscheid genächtigt und alten Weggefährten Hallo gesagt. "Es war toll, weil sie mich in Wattenscheid, ob absichtlich oder nicht, in genau dem Zimmer unterbracht haben, in dem ich auch früher gewohnt habe." Was seine Heimatstadt anbelangt, so fallen ihm Veränderungen der vergangenen Jahre kaum auf. "Für mich hat sich in Neuburg nicht so viel getan. Wobei, als ich vor drei Jahren zum letzten Mal hier war, wäre ich beinahe über den Kreisverkehr bei Audi in Heinrichsheim drübergerauscht. Den gab's ja früher nicht", erzählt er und muss lachen. Und warum hat er nicht am Silvesterlauf seines Heimatvereins TSV Neuburg teilgenommen, wo er doch schon mal da war? "Ganz ehrlich: Ich muss mir im Sport nichts mehr beweisen. Da habe ich mental einen Schlussstrich gezogen."

Sebastian Hofmann