Ingolstadt
Zeit für Zauberer

16.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:13 Uhr
Mit vollem Einsatz: Beim ersten Training der neuen Futsalmannschaft des FC Ingolstadt 04 legten sich die jungen Männer voll ins Zeug. −Foto: Rimmelspacher

Ingolstadt (DK) Weltstars wie Ronaldinho und Neymar begannen ihre Karriere mit Futsal. Der Sport gilt als gute Schule für Technik und Spielvermögen. DFB und Vereine haben den Trend lange stiefmütterlich behandelt. Nach 1860 München und Jahn Regensburg wagt sich der FC Ingolstadt als dritter bayerischer Profiverein an die Sportart.

Vor Christoph Heckl sitzen 16 junge Männer und hören ihm zu. Heckl spricht über das neue Projekt des FC Ingolstadt, er nennt es "ein neues Feld", in das der Vorzeigeverein vorstoßen möchte. Bei den Schanzern verantwortet Heckl das Vorstandsressort Jugend und Frauen, doch heute geht es um junge Männer. Und Futsal. Gemeinsam mit dem Jugendtrainer Nick Breitenstein betritt Heckl Neuland. Was auf die FCI-Verantwortlichen zukommt? Sie wissen es nicht genau. Heckl dämpft die Erwartungen daher vorsichtshalber schon einmal: "Das wird nicht alles perfekt! Wir sind in der Findungsphase."

Und die Jungs, die vor ihm an der Hallenwand sitzen? Die wollen einfach nur kicken. Sie möchten zeigen was sie drauf haben. Mit dem Ball am Fuß die Hütchen umkurven, die Trainer Breitenstein in der Halle verteilt hat. Aus 40 Bewerben hat er 16 Spieler ausgewählt, die künftig für den FCI auflaufen sollen. Heute findet das erste Training statt.

"Eng führen!", ermahnt der Trainer seine Schützlinge. Einige streicheln den Ball schon gekonnt mit der Sohle - wie in den millionfach geklickten Youtube-Videos, die Futsal-Profis bei der Arbeit zeigen. Andere scheinen eher den Bolzplatz in die Halle verlegt zu haben. Pass, Pass, ums Hütchen herum und im Sprint zurück. Die Männer in Rot geben Vollgas. Breitenstein hat sie mit FCI-Shirts eingekleidet, das Outfit versprüht einen Hauch von Profifußball.

Als er sie im Drei-gegen-Drei antreten lässt, geht es zur Sache. Die Spieler jagen dem Ball nach, beharken sich und suchen den Torabschluss. Die Männer wollen zeigen, was in ihnen steckt. Viel Zeit bleibt schließlich nicht mehr, bis die Schanzer im Dezember in ihre erste Futsal-Saison starten. Dann heißt es aber: ganz unten anfangen. Anders als die Fußballer starten sie in der Bezirksliga.

"Meine Technik und meine Dribbling-Fertigkeiten kommen vom Futsal", sagte einst der zweimalige Weltfußballer Ronaldinho. Auch die Superstars Cristiano Ronaldo oder Neymar haben früher Futsal gespielt. Und in Deutschland? Steckt Futsal zwar nicht mehr in den Kinderschuhen. Viel weiter als bis zum Übertrittszeugnis hat es aber noch nicht gereicht. In den Nachwuchsleistungszentren der Profivereine spielt die Sportart bislang keine große Rolle, erklärt Michael Tittmann, Futsal-Verantwortlicher beim Bayerischen Fußball Verband (BFV): "Deutschland ist ein Entwicklungsland was Futsal betrifft." Nur langsam entstehen Strukturen, die den Sport professionalisieren sollen. Bis 2020 möchte der DFB eine Futsal-Bundesliga etablieren, das sieht der so genannte Masterplan vor. BFV-Mann Tittmann erhofft sich dadurch, dass mehr Profivereine in den Sport einsteigen. Sicherlich auch ein Grund, warum der FCI nun das Projekt gestartet hat, auch wenn das zunächst nur wie ein Testlauf wirken soll.

Was in anderen Ländern längst fruchtet, muss in Deutschland noch in die Büros der Club-Bosse durchdringen. Im Norden und Westen der Republik ist Futsal "schon länger etabliert", sagt Tittmann. Anders in Bayern. Bislang gibt es erst zwei Profivereine, die beim Hallenfußball mitmischen: der TSV 1860 München und Jahn Regensburg. Letzterer sehr erfolgreich - 2017 gewannen die Regensburger die Deutsche Futsal-Meisterschaft und qualifizierten sich für den Uefa Futsal Cup. Ab sofort gehört also auch der FCI zum Kreis der bayerischen Profivereine mit Futsal-Abteilung.

Dass bisher nur so wenige Bundesligisten mitmischen, verwundert. Denn Futsal könnte den Vereinen helfen, flinke und technisch versierte Spieler auszubilden. Bestes Beispiel: Thorsten Röcher. Der 27-jährige Österreicher, der für den FC Ingolstadt spielt, hat in seiner Jugend viel Zeit in der Halle verbracht: "Zwischen 15 und 19 habe ich in jedem Winter Futsal gespielt und zusammen mit meinen Brüdern war ich sogar relativ erfolgreich." 2009 wurde er Österreichischer Meister und als bester Spieler der Saison ausgezeichnet. "Futsal hat mich gerade technisch auf jeden Fall weitergebracht. Man lernt das schnelle Umschalten und den trockenen Abschluss. Das ist intensiv, macht aber unheimlich viel Spaß!" In Zukunft könnte es vielleicht noch mehr Futsaler in den Profikader schaffen. Vielleicht sogar aus den eigenen Reihen.
 FutsalÜbersteiger, Hackentrick, Pass-Staffetten. Schnell, technisch, spektakulär: Das ist Futsal. Der Name leitet sich aus dem Spanischen ab, da heißt Hallenfußball fútbol sala, kurz: Futsal. Erfunden wurde die Sportart 1930 von einem Sportlehrer aus Urugay, Juan Carlos Ceriani. Er wollte den Fußball kindgerecht machen, den Zugang zum Sport erleichtern. 1989 wurde Futsal vom Weltverband Fifa als offizielle Hallenfußballvariante aufgenommen. Seit 2015 werden alle offiziellen Hallenturniere in Deutschland nach Futsal-Regeln ausgetragen. Gespielt wird Fünf gegen Fünf auf Handballtore. Die Teams dürfen ihre Spieler beliebig oft austauschen. Der Ball ist kleiner und schwerer als ein normaler Fußball. Die Sportart verlangt Reaktionsschnelligkeit, Dribbelstärke und lebt von Eins-gegen-Eins-Situationen.
 "Wir sind gleich Meister geworden"Während die Schanzer erst jetzt auf den Zug aufspringen, ist Futsal bei einem anderen Ingolstädter Verein längst etabliert: Der TV Ingolstadt startet am Sonntag in seine zweite Bayernliga-Saison, es ist die dritte Spielzeit für die Kicker des Klubs aus dem Nordosten der Stadt.
2016, in ihrer Premierensaison, haben sie die Bezirksliga auf Anhieb dominiert: "Wir sind gleich Meister geworden. Das daraus resultierende Aufstiegsrecht in die Bayernliga haben wir wahrgenommen", sagt Abteilungsleiter Thomas Mauerer (50, Foto) rückblickend. Die vergangene Saison beendete der TV als viertes der sechs Teams. Anlass zur Mannschaftsgründung war die Hallen-Kreismeisterschaft. Sie wird jeden Winter ausgetragen, um die lange Fußball-Spielpause zwischen Hin- und Rückrunde zu überbrücken. Ein Wettbewerb, an dem die A-Klasse-Kicker des TV regelmäßig teilnahmen. "Weil Futsal die offizielle Variante des Hallenfußballs ist, will man die Sportart auch in kleinen Vereinen etablieren", erklärt Mauerer. So auch beim TV. Deshalb haben Mauerer und seine Vereinskollegen ein Team in der Futsal-Bezirksliga angemeldet - für eine Kreisliga hatten sich nicht genügend Mannschaften gefunden. Der Aufstieg klappte prompt. "Wir haben einige Spieler aus unserer A-Klasse-Fußball-Mannschaft im Futsal-Team, ein paar sind sehr begabt in der Halle. " Doch der 20 Mann starke Kader ist auch mit Hochkarätern gespickt: Mauerer nennt beispielhaft Hugo Lopes, der für den FC Ismaning in der Bayernliga Fußball spielt. Oder Drazan Lovric, ein Kroate. "Das ist unser Spielertrainer. Er hat schon auf sehr hohem Niveau in Kroatien gespielt. "

Der TV dominierte die Futsal-Bezirksliga, doch in der Bayernliga weht ein anderer Wind. Dort ist die Konkurrenz groß, dennoch hat sich der TV in der Liga etabliert. Und will jetzt sogar noch höher hinaus: "Langfristig möchten wir oben rauf (In die Regionalliga, d. Redaktion) und Futsal als eigene Sportart sehen. Irgendwann müssen sich die Spieler entscheiden - Halle oder Rasen", sagt Mauerer. Abwerbeversuche vom namhaften Futsal-Neuling FC Ingolstadt fürchtet der Abteilungsleiter indes nicht: "Wir versuchen zusammen etwas zu machen in den nächsten Jahren. " Der FC Ingolstadt starte ohnehin zunächst in der unterklassigeren Bezirksliga. Wie einst der TV.